Ein Kettenbrief deutet an, die Trading Hub Europe habe die umstrittene Gasumlage in Deutschland "beschlossen". Zudem habe sie 1,5 Milliarden Euro von der Bundesregierung erhalten, um Flüssiggas zu beschaffen. Dieses dürfe aber nicht aus Russland stammen. Unser Faktencheck zeigt: Die Spekulationen entbehren jeder Grundlage. Wir erklären, was die Trading Hub Europe macht.

Auf Facebook wird über die Rolle der Firma Trading Hub Europe (THE) auf dem deutschen Gasmarkt spekuliert. Es wird als verdächtig dargestellt, dass eine Firma, die erst seit Juni 2021 existiere, angeblich unmittelbar nach ihrer Gründung 1,5 Milliarden von der Bundesregierung erhalten habe, um Öl und Gas zu kaufen. Dieses Gas dürfe zudem nicht aus Russland kommen. Außerdem habe die Firma die sogenannte Gasumlage "beschlossen". Suggestiv wird die Frage gestellt: "Von wem wurde die neue Firma gegründet und wer steckt dahinter? Wusste man schon im Juni 2021 was kommen würde?"

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Die Firma Trading Hub Europe wurde zum 1. Juni 2021 durch den Zusammenschluss von elf Fernleitungsnetzbetreibern gegründet, wie auf der Homepage von THE zu lesen ist. Dazu gehören privatwirtschaftliche Unternehmen wie zum Beispiel Thyssengas, Gastransport Nord oder Bayernets. Grund für die Neugründung war eine Änderung der Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) im Jahr 2017.

Demnach sollte es spätestens ab dem ersten April 2022 nur noch einen sogenannten Marktgebietsverantwortlichen geben, wie uns die Pressestelle der THE mitteilte. Zu den Aufgaben des Unternehmens gehört es zum Beispiel dafür zu sorgen, dass sich immer genug Gas im deutschen Gasnetz befindet. Bedingt durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine erhielt die THE eine weitere Aufgabe: Flüssiggas (LNG) für 1,5 Milliarden Euro beschaffen.

Das Unternehmen wurde bereits mehrfach in Medienberichten porträtiert (hier, hier und hier).

Die Trading Hub Europe sorgt unter anderem dafür, dass weder zu viel noch zu wenig Gas im deutschen Gasnetz fließt

Die Unternehmen im deutschen Gasmarkt haben verschiedene Aufgaben: Einige kaufen Gas, andere betreiben Gasspeicher und wieder andere betreiben Ferngasleitungen und Verteilernetze, um das Gas an die Verbraucherinnen und Verbraucher zu liefern. Das erklärt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft in einem Animationsfilm auf seiner Webseite.

In diesem System ist die Trading Hub Europe der sogenannte Marktgebietsverantwortliche. Die Aufgaben des Marktgebietsverantwortlichen sind in Paragraf 20 der Gasnetzzugangsverordnung festgeschrieben. Dazu zählen der Betrieb eines sogenannten Virtuellen Handelspunkts, das Bilanzkreis- und das Regelenergiemanagement. Was das genau bedeutet, erklärt das Unternehmen THE in einem YouTube-Video.

Mit dem Bilanzkreismanagement bildet das Unternehmen ab, wie viel Gas in das deutsche Netz eingespeist, wie viel entnommen und gehandelt wird. Der Begriff Regelenergiemanagement bedeutet im Grund nichts anderes, als dass THE dafür sorgt, dass weder zu viel noch zu wenig Gas im Netz ist. Um diesen Ausgleich zu gewährleisten, werde überschüssiges Gas verkauft und fehlendes Gas eingekauft. Zum Beispiel an der Europäischen Energiebörse (EEX) mit Sitz in Leipzig. Wie viel Gas die THE zukauft, veröffentlicht das Unternehmen detailliert auf seiner Homepage.

Trading Hub Europe sollte im Auftrag der Bundesregierung für 1,5 Milliarden Euro Flüssiggas beschaffen

Zusätzlich zu ihren gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben als Marktgebietsverantwortlicher, erhielt die Trading Hub Europe die Aufgabe, Flüssiggas zu beschaffen. Bei Flüssiggas oder LNG ("Liquified natural gas"), handelt es sich um Erdgas, das stark heruntergekühlt und dadurch verflüssigt wird. So kann es effizienter gelagert und transportiert werden, zum Beispiel in Schiffen.

Auf der Bundespressekonferenz vom 2. März 2022 sagte Robert Säverin, ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums: "Ich kann bestätigen, dass die Bundesrepublik der Trading Hub Europe finanzielle Mittel in Höhe von 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hat – zum Ankauf von Flüssiggas." Weiter sagte Säverin: "Es ist jetzt Sache der Trading Hub Europe, zu entscheiden, wo dieses Flüssiggas eingekauft wird." Über diese "außerplanmäßige Ausgabe" zur kurzfristigen Beschaffung von Gas informierte die Bundesregierung auch in einer Unterrichtung vom 1. März 2022.

Anders als auf Facebook behauptet, erhielt die THE das Geld also nicht "unmittelbar" nach ihrer Gründung im Juni 2021. Die Finanzierung war offensichtlich eine Reaktion auf den Konflikt mit Russland nach dem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022. Von dem Geld sollte THE weder Öl beschaffen, noch gibt es Belege für eine Vorgabe der Bundesregierung, dass das Flüssiggas (LNG) nicht aus Russland kommen darf. Das bestätigte uns das Unternehmen per E-Mail: Die Beschaffung des Flüssiggases sei "diskriminierungsfrei auf Basis verfügbarer Angebote" erfolgt. "Ausschließen, dass das LNG aus Russland kommt, können wir nicht", schrieb uns die Pressestelle und wies darauf hin, dass zum Beispiel auch die USA, Australien und Katar LNG exportieren.

Auch eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums schrieb uns auf Nachfrage, der Gasimport aus Russland werde in der EU nicht sanktioniert, insofern gebe es "keine Vorgaben für THE zum Kauf oder zur Vermeidung russischer Importmengen".

Über den LNG-Transport per Schiff aus den USA nach Europa berichteten wir bereits im April.

Gasumlage wurde von der Bundesregierung per Verordnung erlassen, die Trading Hub Europe berechnete lediglich deren Höhe

Weiter heißt es auf Facebook fälschlicherweise, die Trading Hub Europe habe die sogenannte Gasumlage "beschlossen und berechnet". Richtig ist, dass das Unternehmen die Gasumlage in Höhe von 2,419 Cent pro Kilowattstunde im Auftrag der Bundesregierung berechnet hat.

In einem Frage-Antwort-Dokument der THE heißt es: "Die Höhe der Gasbeschaffungsumlage wurde zwischen THE, dem BMWK [Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Anm. d. Red.] und der BNetzA [Bundesnetzagentur] auf Basis der von den Unternehmen gemeldeten Prognosen besprochen." Wie genau die THE die Umlage berechnete, ist aktuell noch unklar. Das Unternehmen kündigte in seinem Frage-Antwort-Dokument an, es werde noch vor dem 1. Oktober ein "Berechnungsgrundlagedokument" vorlegen.

Beschlossen wurde die Gasumlage von der Bundesregierung. Grundlage für die Einführung der Gasumlage ist Paragraf 26 des Energiesicherungsgesetzes, der es der Bundesregierung ohne Zustimmung des Bundesrates erlaubt, eine Rechtsverordnung zu erlassen und die Gaspreise bei geringeren Gasimporten anzupassen. Die Verordnung zur Gasumlage trat am 9. August in Kraft, wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte.

Die Gasumlage sollen Verbraucherinnen und Verbraucher ab dem 1. Oktober zahlen, um Unternehmen, die Gas importieren, zu entlasten, weil sie durch die gestiegenen Gaspreise in finanzielle Schwierigkeiten geraten können. Die Gasumlage ist aktuell in der Politik und Wirtschaft umstritten.

Lesen Sie auch: Die Gasumlage soll weg, aber was kommt stattdessen?

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