• Mit einer Gasumlage will die Regierung angeschlagenen Energiekonzernen zur Seite springen.
  • Doch die Umlage steht seit geraumer Zeit in der Kritik. Unter anderem, weil durch sie die Bürger deutlich mehr belastet würden.
  • Nun mehren sich innerhalb der Ampel-Koalition die Stimmen, die ein baldiges Aus der Maßnahme als unausweichlich sehen.

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Die Opposition macht schon seit geraumer Zeit Front gegen die Gasumlage. Nun sieht es so aus, als könnte die umstrittene Maßnahme tatsächlich vor dem Aus stehen. "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir diese Woche zum Ende der Gasumlage kommen", sagte die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken am Sonntagabend im "Bericht aus Berlin" der ARD.

Esken steht mit ihrer Einschätzung nicht alleine da. In der Koalition machen sich zunehmend Zweifel an der Umlage breit. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat am Wochenende die Gasumlage infrage gestellt.

Angesichts der Mehrkosten für Bürgerinenn und Bürger sowie Unternehmen stelle sich "die wirtschaftliche Sinnfrage", sagte er der "Bild am Sonntag" (BamS). Eskens Ko-Parteichef Lars Klingbeil sprach davon, dass die Gasumlage "politisch auf wackligen Füßen" stehe und rechnete damit, dass sich ihr Schicksal kommende Woche entscheiden wird.

Habeck hält bislang an der Umlage fest - trotz Uniper-Verstaatlichung

Die Bundesregierung hatte zunächst trotz der Verstaatlichung des Uniper-Konzerns an der Gasumlage festgehalten. Diese sei als Brücke notwendig, um die Finanzsolidität von Uniper sicherzustellen, erklärte Wirtschaftsminister Habeck in der vergangenen Woche. Denn nach Angaben des Ministers werde die Verstaatlichung von Uniper mindestens drei Monate dauern.

Ob die Umlage dann, wenn Uniper ein Staatsunternehmen sei, noch verfassungskonform erhoben werden könne, sei eine berechtigte Frage, erklärte der Minister damals.

Die Gasumlage soll eigentlich am 1. Oktober eingeführt werden. Privathaushalte und Unternehmen sollen sie zahlen, um Energieunternehmen zu stützen, die wegen des Ausfalls von russischem Gas nun teurer auf anderen Märkten einkaufen müssen.

Esken betonte im "Bericht aus Berlin", offenkundig müsse "am Strom- und Energiemarkt wieder mehr staatliche Kontrolle" ausgeübt werden, weil es dort um die Daseinsvorsorge gehe. "Die Energieversorgung ist die originäre Pflicht des Staates. Das können wir nicht alleine dem Markt überlassen", sagte sie. Da der Markt "jetzt gerade im Moment gar nicht mehr funktioniert, sind natürlich staatliche Eingriffe notwendig", betonte Esken.

Lindner und Grüne sprechen sich für Gaspreisbremse aus

"Wir haben eine Gasumlage, die den Preis erhöht. Aber wir brauchen eine Gaspreisbremse, die den Preis senkt", sagte hingegen Lindner der BamS. Bis Hilfen der Bundesregierung für Haushalte, Handwerk, Sportvereine oder Kultur stehen würden, werde schließlich noch Zeit vergehen. Eine Gaspreisbremse müsse "allen Menschen in einer Volkswirtschaft schnell helfen".
Auch Grünen-Chef Omid Nouripour machte sich am Sonntag für eine Preisbegrenzung stark. "Der Strompreisdeckel wird kommen", sagte er bei einem Parteitag im bayerischen Landshut. "Aber wir brauchen natürlich auch einen Gaspreisdeckel." Das sei kompliziert, aber man müsse das angehen. Am Montag bekräftigte er seine Haltung noch einmal. "Dass die jetzt weg muss, ist etwas, was richtig ist. Das sehen alle so", erklärte Nouripour mit Bezug auf die Gasumlage in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv. Trotzdem gehe er davon aus, dass die Gasumlage zunächst am 1. Oktober in Kraft tritt, aber dennoch keinen Bestand hat.

Als "sehr geboten" bezeichnete der Parteichef einen Gaspreisdeckel. Alle denkbaren Nachfolgemodelle der Gasumlage kosteten aber Geld, die Finanzminister Christian Lindner (FDP) bereitstellen müsse.

Grünen-Chefin Lang: Gasumlage kann weg - wenn es Alternativen gibt

Auf diesen Umstand hatte Grünen-Parteichefin Ricarda Lang bereits am Wochenende verwiesen. "Die Gasumlage kann weg, sobald es aus dem Finanzministerium die Bereitschaft für eine Alternative gibt. Diese Alternative heißt: eine Finanzierung aus Haushaltsmitteln."

Auch wenn die Zustimmung für eine Preisbremse wächst, birgt das Thema politischen Zündstoff. Denn Lindner will trotz der abzusehenden Mehrausgaben in Milliardenhöhe im Falle einer Gaspreisbremse an der Schuldenbremse festhalten. "Eine Gaspreisbremse muss mit langfristig stabilen Staatsfinanzen verbunden werden", stellte er fest. "Die Schuldenbremse für den Bundeshaushalt steht."

Positive Signale aus der Wirtschaft, Verbraucherschützer fordern Klarheit

Aus der Wirtschaft waren derweil positive Signale auf das sich andeutende Aus der Gasumlage zu vernehmen. "Endlich scheint nun auch die Einsicht in der Bundesregierung zu reifen, dass ein solches Instrument mehr schadet als nutzt", erklärte der Geschäftsführer des Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW), Markus Jerger, dem "Handelsblatt". Wie er betonte, habe man "die insbesondere aus Sicht des Mittelstandes vielfältigen Unzulänglichkeiten der Einführung einer Gasumlage aufgeführt".

Der Gaspreis müsse sinken und nicht künstlich hochgetrieben werden. Es sei niemandem zu vermitteln, warum die Verbraucher für ein bald verstaatlichtes Unternehmen aufkommen sollen, fügte Jerger mit Blick auf die geplante Verstaatlichung des großen Gasimporteurs Uniper hinzu.

Unternehmen und Haushalte im Land bräuchten bezahlbares Gas. Schon jetzt stehe vielen mittelständischen Betrieben und Haushalten das Wasser bis zu Hals. "Immer mehr Branchen zeigen sich daher resigniert und enttäuscht von der Orientierungslosigkeit vieler Politiker", sagte Jerger dem "Handelsblatt".

Verbraucherzentrale fordert schnell Klarheit über weiteres Vorgehen

Die Verbraucherzentralen fordern derweil schnelle Klarheit von der Bundesregierung beim Vorgehen gegen die hohen Energiepreise. Die Chefin des Bundesverbands (vzbv), Ramona Pop, sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa): "Die Menschen brauchen jetzt dringend zielgerichtete Entlastungen bei den Energiekosten und ein Sicherheitsnetz für Herbst und Winter."

Sie kritisierte mit Blick auf Debatten in der Koalition über die vorgesehene Gasumlage, Verbraucherinnen und Verbraucher seien nun zutiefst verunsichert: "Kommt eine Belastung über die Umlage oder eine Entlastung über eine Strom- und Gaspreisbremse?" (dpa/afp/thp)

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