Dieser Vorschlag birgt Zündstoff: Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko fordert nach dem Bruch des Waffenstillstands in Debalzewe eine internationale Friedensmission. Diese ist zwar ein realistisches, aber auch höchst fragliches und umstrittenes Szenario. In Deutschland gibt es traditionell viel Widerstand gegen einen Bundeswehr-Einsatz - den die Folgen sind kaum vorherzusehen.
Sie ist seine vielleicht letzte Hoffnung auf einen Frieden im Donbass. Nach dem Bruch des Waffenstillstands und der Eroberung der ostukrainischen Stadt Debalzewe durch prorussische Rebellen hat Präsident Petro Poroschenko erstmals eine internationale Friedensmission für die Region vorgeschlagen.
"Das beste Format wäre eine von der UNO beauftragte Polizeimission der Europäischen Union", sagte Petro Poroschenko. Ergo: Ausländische Soldaten sollen den Frieden sichern, notfalls unter Einsatz von Waffen. Ein Novum wäre dieser Schritt nicht. Solch ein Einsatz hat es in der jüngeren europäischen Geschichte öfters gegeben – zum Beispiel die KFOR-Mission im Kosovo.
Was würde ein Einsatz bedeuten?
Konkret würden Militärfahrzeuge Verkehrsknotenpunkte wie zum Beispiel Brücken kontrollieren und bei Hausdurchsuchungen nach versteckten Waffen und mutmaßlichen Kriegsverbrechern fahnden. Ein gefährlicher Einsatz. Hubschrauberabstürze, Bombenentschärfung oder Unfälle – bisher wurden 103 Bundeswehrsoldaten und –soldatinnen auf Auslandseinsätzen getötet. Diese stellen innerhalb der Vereinten Nationen trotz der Verluste aber ein denkbares Szenario dar. Muss sich Deutschland deshalb darauf einstellen? "Soldaten sind nicht gefragt und kommen nicht in Betracht", sagte der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung auf Nachfrage unseres Portals. Jung vertritt die CDU-Fraktion im Bundestag in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der 65-Jährige sieht die russische Konfliktpartei dagegen in noch stärkerer Verantwortung: "Wir sollten zum jetzigen Zeitpunkt nicht weitere neue Ideen entwickeln. Russland muss das umsetzen, was in Minsk vereinbart wurde.
Weitere neue Vorschläge - auch die einer Polizeimission - lenken nur von den Vereinbarungen ab", heißt es in einer offiziellen Stellungnahme seines Berliner Büros. Und weiter: "Wir sollten uns jetzt nicht in Diskussionen über neue Missionen verzetteln. Wenn Russland seine Verpflichtungen aus der Sicherheitsratsresolution nicht erfüllt, muss über weitere Wirtschaftssanktionen, die die EU-Kommission derzeit im Auftrag der Außenminister der Europäischen Union vorbereitet, entschieden werden." Nicht nur die CDU dürfte einen Einsatz deutscher Soldaten in der Ostukraine ablehnen. Auch SPD, die Grünen und die Linke stehen solchen Missionen grundsätzlich skeptisch gegenüber, schließen sie mitunter - vor allem solche unter Einsatz von Waffen - aus.
Petro Poroschenko befürchtet Eskalation
Die Signale Poroschenkos sind aber ebenso deutlich. Er befürchtet offenbar eine ungebrochene Eskalation. Medienberichten zufolge billigte der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine bereits den Vorschlag des Regierungschefs, Verhandlungen mit ausländischen Partnern aufzunehmen. Auf dem Weg zu einem solchen Einsatz gibt es jedoch Spielregeln. Ohne eine entsprechende Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sind solche Missionen ausgeschlossen. Und in diesem ist Russland eine der Vetomächte. Militärexperten haben deshalb Zweifel.
"Im Augenblick würde Russland sicher sein Veto einlegen", sagte der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, im Gespräch mit der "Bild". Auch im Bundestag dürfte es deutliche Vorbehalte geben - nicht nur wegen parteipolitischer Tendenzen. Das deutsche Parlament muss einem Einsatz der Bundeswehr zustimmen. Dies ist im sogenannten Parlamentsbeteiligungsgesetz verankert. Und ein Auslandseinsatz in der Ostukraine könnte die Dimensionen vergangener Missionen deutlich übertreffen.
Zum Vergleich: Für KFOR wurden im Bundeshaushalt zwischenzeitlich 154 Millionen Euro jährlich veranschlagt. Das deutsche Kontingent stellte nach Wiederaufflammen der Unruhen in der Spitze 3.200 Soldaten. Dabei hat die Teilrepublik geschätzt nur etwa 1,8 Millionen Einwohner. Die Stadt Donezk alleine kam vor Ausbruch der bewaffneten Kämpfe im Februar 2014 aber auf 1,1 Millionen Einwohner. Hunderttausende Menschen sollen seither in und aus der Ostukraine auf der Flucht sein. Es wäre eine ungleich größere Aufgabe für die internationale Staatengemeinschaft. Der Bundestag müsste im Haushalt zur Finanzierung Unsummen freimachen oder notfalls umschichten, im schlechtesten Fall sogar neue Schulden machen. Und dann ist da noch die Furcht der Politiker vor unpopulären Nachrichten verletzter oder gar getöteter Soldaten. Auch deshalb ist ein möglicher Einsatz künftig zwar nicht ausgeschlossen, aber sicher die letzte Maßnahme deutscher Politiker.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.