- Kamala Harris ist die erste Frau im Amt der Vizepräsidentin der USA. Die Erwartungen waren groß.
- Doch ein Jahr nach der Amtsübernahme kehrt Ernüchterung ein. Harris konnte dem Amt bislang nicht ihren Stempel aufdrücken.
- Ähnlich wie US-Präsident Joe Biden kommt die 57-Jährige nicht richtig in Fahrt. Was ist los bei Kamala Harris?
Kamala Harris hat Geschichte geschrieben. Die 57-Jährige ist die erste Frau, die erste Afroamerikanerin und die erste asiatisch-amerikanische Person, die das Amt der Vizepräsidentin in den USA jemals übernommen hat. Das berühmte "Time Magazine" hatte ihr sogar noch vor der Amtsübernahme ein Sonderheft gewidmet. Die Erwartungen waren dementsprechend groß.
Doch so wenig erfolgreich wie ihre eigene Vorwahl-Kampagne zur Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2019 vorzeitig geendet hatte, beginnt ihre Amtszeit als Vizepräsidentin. Dabei waren ihr große Chancen auf das Amt der Präsidentin vorausgesagt worden. Entweder im Jahr 2024 oder bei einem möglichen vorzeitigen, gesundheitsbedingten Ausscheidens
Kamala Harris: Vizepräsidentin muss hohe Erwartungen erfüllen
Zwar werden in der US-Politik die sogenannten "running mates" für das Amt des Vizes meist strategisch besetzt, um beispielsweise unsichere Bundesstaaten (swing states) zu gewinnen, oder auch um spezifische Themen zu abzudecken. Die dritte Variante ist aber die, seinen jeweiligen Nachfolger bereits frühzeitig in Stellung zu bringen. So hatte es Ronald Reagan mit George H. W. Bush gemacht. Dieser war acht Jahre lang Vizepräsident.
Doch bevor eine reelle Chance auf das höchste Amt besteht, muss Harris erst einmal die hohen Erwartungen, die an sie gestellt wurden, erfüllen. Und hier sieht es bislang eher mau aus. Die Polarisierung in den USA nimmt immer weiter zu. Spannungen mit Russland, das Afghanistan-Desaster, die Corona-Pandemie, die transatlantischen Beziehungen und Nord-Stream-2 lassen sowohl Biden als auch Harris kaum ins Rollen kommen.
Mehrheitlich negative Umfragen: Joe Biden und Kamala Harris in der Krise
Denn die Beliebtheitswerte und die öffentliche Wahrnehmung einer Vizepräsidentin hängen immer eng mit den Werten und der Wahrnehmung des Präsidenten zusammen. Joe Biden überzeugt allerdings bisher kaum. Und er muss aufpassen, dass er nicht noch unbeliebter wird, als es
Nach Umfragen der "LA Times" erhält Biden nur von 43 Prozent der Befragten eine positive Bewertung, 54 Prozent sehen ihn dagegen negativ. Für
Vizepräsidentin Kamala Harris: Unliebsames Migrationsthema
Ihre Unbeliebtheit hängt sicherlich auch damit zusammen, dass sie mit der Flüchtlings- und Migrationspolitik eines der heikelsten Themen der US-Politik zu handhaben hat. Harris hat sich bei der Bearbeitung dieses Themas jedoch auch nicht mit Ruhm bekleckert. In einem Interview mit Lester Holt von NBC strauchelte sie bei der Frage, warum sie die Grenze zu Mexiko noch nicht besucht habe und sie fiel darüber hinaus laut "latimes.com" nach Besuchen in Guatemala und Mexiko mit Kommentaren zur Immigration in die USA negativ auf.
Während die Republikaner Harris als verhasste Progressive sehen, die keine Lösung für das Problem illegaler Migration anzubieten vermag, wird sie im eigenen Lager für ihre teils restriktive Haltung kritisiert. Bei ihrer Reise nach Guatemala hatte sie im linksliberalen Parteiflügel mit dem etwas plump anmutenden Satz "Do not come!" für Aufsehen gesorgt. Dabei war sie während der Amtszeit Donald Trumps eine der lautesten Stimmen im US-Senat gegen die restriktive Einwanderungspolitik gewesen.
Kamala Harris: Die Wahlrechtsreform kommt nicht ins Rollen
Und auch mit ihrem zweiten großen Thema, der Wahlrechtsreform, hat Harris bislang keinen Erfolg. Mit zwei Gesetzen will sie verhindern, dass Minderheiten vor allem in republikanisch regierten Staaten am Wählen gehindert werden. Jedoch hat sie laut "Politico" auch in der eigenen Partei noch mit Widerstand zweier moderater Senatsabgeordneter zu kämpfen.
Natürlich hat Harris mit dem Amt der Vizepräsidenten ein schwieriges und undankbares Amt übernommen. Als Vizepräsidentin untersteht sie letztlich der Entscheidung des Präsidenten und leitet auch kein eigenes Ministerium. Nicht ohne Grund schlug Benjamin Franklin laut "tagesschau.de" einst vor, denjenigen Personen, die das Amt übernahmen, den Titel "Seine überflüssige Exzellenz" zu verleihen.
Es brodelt in Washington: Wichtige Harris-Mitarbeiter kündigen Job
Doch im politischen Washington steht auch der Führungsstil der Vizepräsidentin auf dem öffentlichen Prüfstand. Denn zuletzt häuften sich Berichte über Mitarbeiter, die schon im Lauf des ersten Amtsjahres von Harris gekündigt hatten. Das ist gegen Ende einer Amtszeit durchaus üblich, jedoch nicht zu Beginn. Über "mangelnden Fokus" der Vizepräsidentin berichtetet CNN und "washingtonpost.com" meint, die Abwanderung von Harris‘ Mitarbeitern werfe nicht nur Fragen zu ihrem Führungsstil, sondern auch zu ihrer Zukunft auf.
Erschwerend kommt hinzu, dass nicht irgendwelche Mitarbeiter das Team der Vizepräsidentin verließen – sondern auch zwei äußerst wichtige Personen. Zum einen hat mit Ashley Etienne zum Jahresende 2021 die Kommunikationsdirektorin von Harris dem Team den Rücken gekehrt. Zum selben Zeitpunkt ging auch Symone Saders, die Sprecherin von Kamala Harris. Diese hatte die Gerüchte im Sommer noch vehement zurückgewiesen und die anonymen Kritiker laut "washingtonpost.com" als "Feiglinge" bezeichnet. Doch dann folgte zum Jahresende die Kündigung.
Vizepräsidentin unter Druck: Schlechte Stimmung im Harris-Team
Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, bemühte sich, die Kündigung von Sanders herunterzuspielen: "Es ist ganz natürlich, dass sie nach ein paar Jahren bereit ist, etwas Neues zu machen." Doch davon lassen sich politische Beobachter nicht irritieren: "Top-Berater einer Vizepräsidentin gehen nicht zufällig weniger als ein Jahr, nachdem die Amtszeit begonnen hat. Ein Abgang könnte durch Umstände wegerklärt werden. Zwei? Auf keinen Fall", kommentiert Chris Cillizza, politischer Analyst bei CNN laut "zdf.de".
Die Berichte über schlechte Stimmung unter den Mitarbeitern von Harris hatten bereits im Juni 2021 nach einem Bericht von "Politico" Fahrt aufgenommen. Nach Informationen von "t-online.de", das sich auf Kreise von Demokraten in Washington bezieht, soll die Stabschefin von Harris, Hartina Flournoy, ein Problem darstellen. Flournoy gilt als Frau aus dem Lager von Bill und
Sexismus und Misogynie: Angriffe auf Kamala Harris nehmen auch online zu
Wie man es auch nimmt: Harris steht zunehmend unter Druck und muss dringend punkten. Regierungssprecherin Jen Psaki hatte zuletzt in einem Interview mit "Politico" zum Gegenangriff geblasen und die Vizepräsidentin gegenüber ihren Kritikern in Schutz genommen. Ein Teil der Angriffe rührten laut Psaki daher, dass Harris eine Frau sei und einer Minderheit angehörte. Parallel zur Abnahme ihrer Beliebtheitswerte hat passend dazu laut "latimes.com" die Zahl der sexistischen, gewaltbereiten und misogynen - also frauenfeindlichen - Angriffe in sozialen Medien auf Harris zugenommen.
Bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im Jahr 2024 muss sich Kamala Harris, die sich als Attorney General in Kalifornien einen Namen gemacht hatte, jedenfalls fangen und ihre Beliebtheitswerte stabilisieren, sollte sie tatsächlich auf das höchste Amt in den USA schielen. Spekulationen um eine solche Kandidatur gibt es schon lange. Doch selbst innerhalb ihrer Partei bilden sich nun schon erste Konkurrenten heraus.
Ausblick auf 2024: Kommt es zum Duell Kamala Harris gegen Donald Trump?
Denn auch dem Verkehrsminister in Bidens Kabinett, Pete Buttigieg, werden große Chancen ausgerechnet. Der ehemalige Bürgermeister von South Bend hatte im Januar 2019 seine Kandidatur bei der Vorwahl zur Präsidentschaftswahl bekannt gegeben und seine Kandidatur nach der vierten Abstimmung im März 2020 wieder zurückgezogen. Für 2024 käme der 39-Jährige aber infrage.
Bis dahin kann noch viel geschehen. Eine Kandidatur von Donald Trump könnte dabei entsprechend Öl ins Feuer gießen und die Diskussion innerhalb der US-Demokraten anheizen. Trump hatte im September 2021 laut "bild.de" bereits angekündigt: "Nur eine schlechte Diagnose eines Doktors könnte mich stoppen. Aber ich fühle mich so gut." Ein Duell zwischen Harris und Trump würde zumindest eines sicherstellen: Einen für die Medien aufregenden Wahlkampf.
Verwendete Quellen
- bild.de: Kommt es wieder zum Schmutz-Duell zwischen Trump und Clinton?
- dw.de: Harris in Guatemala: „Kommen Sie nicht!“
- edition.cnn.com: Exasperation and dysfunction. Inside Kamala Harris‘ frustrating start as vice president
- latimes.com: What does America think of Kamala Harris?
- latimes.com: Kamala Harris isn’t getting any honeymoon, and some Democrats are fretting
- latimes.com: Harris‘ visit to Guatemala and Mexico a mix of diplomacy and controversy
- latimes.com: Black, female and high-profile, Kamala Harris is a top target in online fever swamps
- politico.com: Harris pushed hard for voting rights – then hit a brick wall
- politico.com: ‚Not a healthy environment‘: Kamala Harris‘ office rife with dissent
- politico.com: Psaki says Harris faces more criticism because she is a woman and woman of color
- tagesschau.de: Mit Harris bekommt das Amt wieder Gewicht
- t-online.de: Kamala Harris – Amerikas unbeliebteste Vizepräsidentin
- time.com: Kamala Harris is making her case. But can she stand out in a crowded field?
- washingtonpost.com: A Kamala Harris staff exodus reignites questions about her leadership style — and her future ambitions
- zdf.de: Was ist bei Kamala Harris los?
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