• Die CDU steht nach dem Ende der Ära Angela Merkel vor mehreren Herausforderungen.
  • Einer der größten stellt sich Georg Günther: Der 33-Jährige übernimmt Merkels Wahlkreis, den sie seit 1990 stets klar gewonnen hatte.
  • Wofür steht Günther? Und was hält er von den Grünen und der AfD?

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Georg Günther erinnert sich noch genau an sein erstes Treffen mit Angela Merkel. Er war damals noch Schüler, sie schon Kanzlerin. "Sie wusste noch genau, wie die Physik- und Chemielabore an unserer Schule eingerichtet waren, die sie Jahre zuvor mit eingeweiht hatte", erzählt Günther im Gespräch mit unserer Redaktion.

"Was sie alles im Kopf hat, ist schon sehr erstaunlich", lobt er außerdem. "Mich hat auch ihr Pragmatismus beeindruckt." Bei allem Lob, der 33 Jahre alte Vorsitzende der Jungen Union Mecklenburg-Vorpommern hat ein Problem: Er muss den komplizierten Spagat schaffen, Merkels Popularität und Bekanntheit für seinen eigenen Wahlkampf zu nutzen, ohne zugleich sein eigenes Profil zu verwässern.

Denn Günther tritt die Nachfolge von Merkel an, die seit 1990 immer den Bundestagswahlkreis Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald I ganz im Nordosten Deutschlands für die CDU gewonnen hat. Der Wahlkreis, einer der größten der Republik, soll weiter an die Christdemokraten gehen, dafür soll nun Günther sorgen. Dementsprechend groß sind aber sowohl die Erwartungshaltung an Günther als auch die Fußstapfen, in die der Jungpolitiker nun treten soll.

Unentwegt betont Günther, dass die Nachfolge auf Merkel Fluch und Segen zugleich sei. Da ist die vehemente Aufmerksamkeit auf den Wahlkreis und der Trubel um seine Person. "Das ist nicht schlecht, aber ich selbst als Kandidat trete da natürlich oft in den Hintergrund." Vielleicht ist das der Grund, warum Günther lieber per Videotelefonat sprechen will, als sich bei seinem Wahlkampf vor Ort begleiten zu lassen.

Ihm falle es schwer, mit seinen eigenen Zielen und Inhalten "durchzudringen", sagt Günther. Wofür steht er also?

"Ich bin nicht so sehr der Hau-Drauf-Typ"

"Ich bin nicht so sehr der Hau-Drauf-Typ wie Philipp Amthor", sagt Günther über seinen Wahlkreis-Nachbar. Amthor, trotz einiger Skandale Spitzenkandidat der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, könne "ruhig mehr" in der Bundespolitik unterwegs sein als er selbst, sagt Günther. "Gerne bin ich dann hier das Sprachrohr für Mecklenburg-Vorpommern."

Günther will "überraschend anders" sein. Der Spruch prangt auf seiner Webseite und auf seinen Wahlplakaten. Das Thema, mit dem sich der CDU-Politiker von Merkel abheben will, ist die Energiewende. Dabei brauche es eine "vollkommen neue Denkweise", sagt Günther. Er betont: "Wir müssen mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort besser kommunizieren. Wenn wir also Stromtrassen verlegen oder neue Windkraftanlagen bauen, dann müssen wir die Menschen daran beteiligen."

Die Bundesregierung habe es nicht geschafft, dass die Bürger vom günstigen Stromkreis profitieren. Günther will den Ermessensspielraum, den das Erneuerbare-Energien-Gesetz setze, "viel mehr ausreizen" und so die Akzeptanz vor Ort für Windkraftanlagen erhöhen.

Auch in einigen anderen Bereichen klingt Günther wie ein Grüner – von denen sich der 33-Jährige, der sich laut "Schweriner Volkszeitung" selbst zwischen liberal und konservativ einordnet, allerdings scharf distanziert. "Es braucht ein großes Paket, um die Leute, insbesondere die jungen, hier zu halten", sagt Günther. Ihm gehe es dabei nicht allein um eine bessere Bezahlung. "Es braucht auch besseren Nahverkehr, mehr Radwege, schnelleres Internet und bezahlbare Wohnungen möglichst in der Nähe des Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes."

Viele Schnittpunkte mit den Grünen – aber ungeliebter Koalitionspartner

Mit der Ökopartei koalieren würde er trotz der vielen offensichtlichen Schnittpunkte indes nur ungern. Günther habe vor allem mit den Grünen vor Ort ein Problem. "Deren Ziele und ihr Programm kommen hier nicht an. Mein Wahlkreis ist sehr stark von grünen Projekten betroffen, das Verständnis der Partei für die Region ist aber nicht da", meint Günther.

Dessen Hauptgegner um das Direktmandat ist AfD-Kandidat Leif-Erik Holm, Vize-Chef der Bundestagsfraktion und Landeschef der Partei in Mecklenburg-Vorpommern. Günther selbst bezeichnet die AfD als "größten Gegner", gibt sich jedoch locker, weil die AfD keinen direkten Anti-Merkel-Wahlkampf wie 2017 fahren könne. Und: "Leif-Erik Holm ist hier im Wahlkreis kaum präsent", erklärt Günther. Er kritisiert, dass sich der Kreisverband unter Holms Führung "sehr stark radikalisiert" habe und gegen den extremeren Flügel nicht ankämpfe.

Günther hat allerdings auch SPD-Kandidatin Anna Kassautzki im Blick. Die 27-Jährige könnte mitunter wegen der gleichzeitig stattfindenden Landtagswahl und dem Aufwind der SPD im Bund gleich doppelt profitieren.

Von der Kommunal- in die Bundespolitik?

Anders als der Schweriner Holm und die Heidelbergerin Kassautzki kommt Günther aus der Region – und ist dort tief verwurzelt. Das zeigen schon seine Stationen im Lebenslauf: Aufgewachsen in Griebenow, Abitur in Grimmen und wohnhaft in Süderholz. Seit 2008 arbeitet der Diplom-Finanzwirt für das Finanzamt Stralsund.

Günther bezeichnet sich als "Kommunalpolitiker durch und durch". Bei der Frage, welche Ideen er statt auf der kommunalen Ebene besser im Bundestag umsetzen könnte, kann er seine berufliche Expertise ausspielen: "Ich bin dichter an den Steuergesetzen dran, das ist mein Metier", sagt Günther.

In der Kommunalpolitik habe er viel mit Bauanträgen und dem Baugesetzbuch zu tun, "bei dessen Reformierung würde ich mich gerne einbringen", sagt Günther. Ebenso aus Berlin voranbringen will er den Radverkehr und eine "echte Steuerreform". "Also nicht nur eine Umgestaltung auf dem Bierdeckel, sondern rangehen ans Einkommens- und ans Umsatzsteuergesetz", erläutert Günther.

Merkels Netzwerke zunutze machen

Bei einer möglichen Umsetzung nach seiner Wahl würde Günther wohl von Merkel und ihren Netzwerken aus der Region in die Hauptstadt profitieren. "Dass Angela Merkel als Bundestagsabgeordnete hier dreißig Jahre vor Ort gewirkt hat, das wird immer wieder unterschätzt. Gerade die kommunalen Vertreter, die Bürgermeister loben mir gegenüber den guten Draht nach Berlin – und diese Vernetzungen sind natürlich auch für mich da."

Allzu großartig wirbt Günther dennoch nicht mit der Kanzlerin. Anfang des Monats verabschiedete sich Merkel von ihrem Wahlkreis. Auch Günther war dabei, logisch. Doch in der heißen Phase des Wahlkampfs unterstützen ihn andere: Etwa Harry Glawe, "dem Landtags-Urgestein hier vor Ort", wie Günther sagt, Wolfgang Bosbach war auch schon da, und natürlich leisten die lokalen und regionalen CDU-Mandatsträger Schützenhilfe.

"All diese Leute helfen mir", sagt Günther. Er unterstreicht im Gespräch immer wieder: "Ich bin Georg Günther und ich mache meinen eigenen Wahlkampf. Rat und Tat sind gut, ich mache aber gerne auch meine eigenen Erfahrungen." Gerne ohne Angela Merkel. Ihre Nummer hat er trotzdem im Handy.

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