Die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Großen Koalition gehen auf die Zielgerade. Doch einige strittige Themen müssen am Wochenende noch verhandelt werden. Wo herrscht Einigkeit? Welche Punkte sind noch offen? Ein Überblick.
Deutschland wartet seit mehr als vier Monaten auf eine neue Regierung. Bis Sonntag sollen die Verhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD nzum Abschluss kommen.
Am Freitagnachmittag kommen erstmals alle 91 Unterhändler von Union und SPD zu einem gemeinsamen Treffen zusammen.
Der Plan: Die 18 Arbeitsgruppen präsentieren in der SPD-Zentrale ihre schon erzielten Ergebnisse.
Es liegen laut CSU-Generalsekretär
Die Kompromisse der GroKo-Partner
So soll das Rentenniveau bis 2025 nicht unter 48 Prozent fallen und der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. Die Parteien einigten sich darauf, dass Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt werden.
Ferner sollen schnellstmöglich 8.000 neue Pflegekräfte in Arbeit kommen, unter anderem durch die Erhöhung der Löhne.
Auch beim zunächst gescheiterten Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit gab es eine Einigung.
In der Bildungspolitik sind rund sechs Milliarden Euro für Kitas, Ganztagsschulen, berufliche Bildung und Hochschulen vorgesehen.
Einer der größten Streitpunkte war der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz, der bis zum 31. Juli 2018 ausgesetzt bleibt.
Danach will die Regierung subsidiär Schutzberechtigten erlauben, wieder Angehörige nach Deutschland zu holen. Allerdings nur 1.000 Menschen pro Monat plus Härtefälle.
Der Familiennachzug zählt zu den drei Zusatzforderungen für den Koalitionsvertrag, die auf dem SPD-Parteitag vor zwei Wochen in den Leitantrag aufgenommen wurden.
Die anderen beiden Punkte - Gesundheitspolitik und befristete Arbeitsverhältnisse - sind nach wie vor nicht geklärt.
Ebenfalls gibt es noch Dissens bei den Themen Obergrenze und Mieten sowie bei der Frage der Finanzierung der Ausgabenwünsche.
Streitpunkt 1: Bürgerversicherung
In der Gesundheitspolitik fordert die SPD das Ende der Zwei-Klassen-Medizin. Die Sozialdemokraten wollen eine gerechtere Honorarordnung für Ärzte, was gleichbedeutend mit dem Einstieg in die Bürgerversicherung wäre.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kämpft seit 15 Jahren gegen die Ungleichbehandlung von Kassen- und Privatpatienten. Die Union will zwar Probleme wie lange Wartezeiten und Ärztemangel auf dem Land beseitigen, gleichzeitig am jetzigen System festhalten.
"Eine komplett einheitliche Honorarabrechnung für gesetzlich Versicherte und privat Versicherte ist nichts anderes als die Bürgerversicherung ohne diesen Namen. Das wird es mit der Union nicht geben", sagte die saarländische Ministerpräsidentin
Auch CSU-Chef Horst Seehofer hatte sich klar gegen die Überlegungen ausgesprochen.
Streitpunkt 2: Sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen
Die SPD steckt seit der Agenda 2010 und den damit verbundenen Hartz-IV-Reformen unter Kanzler Gerhard Schröder in einer Glaubwürdigkeitskrise.
Mit der Agenda hat sie die Gewerkschaften und einen Teil ihrer Stammwählerschaft verprellt - und die Gründung der Linkspartei begünstigt.
Mit der Forderung nach dem Ende der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen will die SPD ihr soziales Profil schärfen. Sachgrundlos befristete Arbeitsverträge dürfen bisher nicht länger als zwei Jahre laufen - als einzige Bedingung.
Die Gewerkschaften lehnen diese Regelung ab. Die Arbeitnehmervertreter, die eher der Union nahe stehen, haben sich gegen die Abschaffung ausgesprochen.
Sie wollen an der flexiblen Vertragsgestaltung festhalten. CDU-Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer hat an diesem Punkt wenig Kompromissbereitschaft in Aussicht gestellt. Der SPD wird das nicht gefallen, denn sie muss den Koalitionsvertrag am Ende von ihren Mitgliedern abnicken lassen.
Streitpunkt 3: Obergrenze
Union und SPD gehen mit einem gravierenden Dissens über die Auslegung der erwarteten Zuwanderungszahlen in die Schlussphase ihrer Koalitionsverhandlungen.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur verlangt die SPD eine Änderung am gemeinsamen Sondierungspapier. Im Koalitionsvertrag soll demnach die Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 Zuwanderern als Beschreibung und nicht als Obergrenze definiert werden.
Die Union geht hingegen von einem Zielkorridor aus, der nicht überschritten werden soll.
Im von allen Seiten abgesegneten Sondierungspapier hieß es, man stelle fest, dass die Zuwanderungszahlen "die Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 nicht übersteigen werden".
Die SPD will nun die Formulierung einfügen, man stelle fest, "dass beim jetzigen Kenntnisstand zu erwarten ist, dass die Zuwanderungszahlen (...) für die nächsten Jahre bei jährlich insgesamt ca. 180.000 bis 220.000 liegen werden".
Streitpunkt 4: Mieten
Laut "Spiegel Online" hat die Arbeitsgruppe "Wohnungsbau, Mieten, Stadtentwicklung" bei ihren Gesprächen bisher keine Lösung erzielt.
Hintergrund sollen demnach unüberbrückbare Differenzen mit Blick auf die Verbesserung des sozialen Mietrechts sein.
Bei den Gesprächen stehen unter anderem die Mietpreisbremse, eine neue Regelung für die Erstellung von Mietpreisspiegeln und die sogenannte Modernisierungsumlage im Mittelpunkt.
Streitpunkt 5: Steuermehreinnahmen
Laut Bundesregierung wächst die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr statt 1,9 ganze 2,4 Prozentpunkte. Das führt zu höheren Steuereinnahmen.
Bis 2021 planen die Koalitionspartner mit einem zusätzlichen Finanzspielraum von 46 Milliarden Euro.
Allerdings gab es Kritik von Wirtschaftsvertretern und aus der Union, dass davon nur zwei zusätzliche Milliarden für die Sicherheits- und Entwicklungshilfe vorgesehen sind. Außerdem müsste mehr Geld für zukunftsgerichtete Investitionen umgeschichtet werden.
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte am Freitagmorgen, bei der Ausgabenplanung müsse noch "nachgearbeitet" werden. Er wünscht sich neben Geld für Bildung und Forschung finanzielle Nachbesserungen - für Bundeswehr und Entwicklungshilfe.
Scheuer pocht darüber hinaus auf Haushaltsdisziplin. Ein Vorwurf an die SPD, die sich aus Sicht vieler Unionspolitiker zu sehr mit der Verteilung der Zusatzeinnahmen beschäftigt.
Ein weiterer Streitpunkt ist die SPD-Forderung nach einer höheren Steuerlast für hohe Einkommen. Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) erklärte vor drei Wochen der "Passauer Neuen Presse": "Es kann in Zeiten von Rekordüberschüssen keine Steuererhöhungen geben."
Nach einem Bericht von "Focus Online" soll als Reaktion auf die US-Steuerreform in Deutschland die Unternehmenssteuer geprüft werden.
Bis Sonntag wird mit weiteren harten Verhandlungen gerechnet. Wenn die Zeit nicht ausreicht, ist eine Verlängerung bis Dienstag möglich.
Am Ende müssen die Parteichefs dann die strittigen Punkte lösen.
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