• Bürgergeld, flexibler Renteneintritt, virtuelle Verwaltungen und Adoptionsrecht für alle: In einem 75-Seiten starken Programmentwurf macht die FDP Vorschläge für eine Zukunft nach ihren Vorstellungen.
  • Die ist vor allem eins: Digital. Wir stellen das Wahlprogramm der Freien Demokraten vor – von Wirtschaft bis Klimaschutz.

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Die Bundestagswahl steht ins Haus: Im September entscheiden die Wählerinnen und Wähler Deutschlands über die Nachfolge von Angela Merkel und die Zusammensetzung des künftigen Bundestages. Die FDP geht erneut mit Spitzenkandidat und Partei-Chef Christian Lindner an den Start.

Den Einzug in den Bundestag dürfte die FDP aktuellen Umfragen zufolge locker schaffen: Die Liberalen kommen derzeit auf 10 bis 12 Prozent der Wählerstimmen. Wofür aber wollen sie gewählt werden? Ein Blick in das Wahlprogramm.

Bildung: Milliarden investieren

In ihrem Programm fordert die FDP massive Investitionen in den Bildungssektor – 2,5 Milliarden Euro. Finanziert werden soll das Ganze über einen Prozentpunkt der Mehrwertsteuereinnahmen. Schulen sollen mehr finanzielle, pädagogische und personelle Freiheiten bekommen und zusammen mit Kitas finanziell gestärkt werden – und zwar über feste Sockelbeträge, Bildungsgutscheine und Zuschüsse für Kinder mit niedrigem sozio-ökonomischem Status.

Zu den Forderungen zählen die bundesweite Einführung der Schulfächer Wirtschaft und Informatik, ein verpflichtender Deutschtest für jedes Kindes vor der Einschulung, bessere Digitalkompetenzen von Lehrern und bundesweit einheitliche Abschlussprüfungen für die Mittlere Reife und das Abitur. Außerdem plant die FDP Talentschulen in Brennpunkten und Kreativzonen an Schulen. Bafög soll elternunabhängig gezahlt werden und über einen neuen Digitalpakt in digitales Lernmaterial und Fortbildungen investiert werden.

Wirtschaft: Steuern senken

Die Schlagworte der FDP-Wirtschaftspolitik: Wettbewerb, Unternehmertum, Innovation. So wollen die Freien Demokraten besonders Mittelstand, Selbstständige und Start-Ups unterstützen und entlasten. Das funktioniert aus Sicht der FDP vor allem mit diversen Entlastungen – etwa einer Senkung der Unternehmenssteuer auf 25 Prozent und weniger Bürokratie.

Der Spitzensteuersatz soll erst später greifen, der Solidaritätszuschlag komplett abgeschafft werden und die Höhe der staatlichen Sozialausgaben auf 50 Prozent des Bundeshaushaltes gedeckelt werden. Der Staat soll weniger Nothilfen und Rettungsschirme beschließen und seine Anteile an der Deutschen Post und Telekom verkaufen. Außerdem im Programm: Flexiblere Arbeitszeiten, eine niedrigeren Abgabenquote und mehr Frauen in Führungspositionen.

Klimaschutz: Innovation als Schlüssel

Klimaschutz funktioniert für die Freien Demokraten vor allem über wirtschaftliche Anreize und Innovation. Statt Tempolimits und Fahrverboten setzt die FDP beispielsweise auf die Forschung an umwelt- und klimafreundlichen Motoren und alternativen Kraftstoffen. Außerdem will die FDP biologische Ressourcen nachhaltig und innovativ nutzen – also beispielsweise Handy-Displays aus Zucker oder Klebstoff aus Pflanzen.

In ihrem Programm fordert die Partei einen flächendeckenden Ausbau von E-Schnellladesäulen, will die Kaufprämie für E-Autos aber streichen. Auch ein europaweites Tierwohllabel soll es geben. Wasserstoff soll neben Strom die zweite Säule des künftigen Energiesystems werden, die EEG-Umlage soll abgeschafft werden und der Emissionshandel auf alle Emissionen ausgeweitet werden.

Soziales: Liberales Bürgergeld

Höhere Freibeträge für Familien und Alleinerziehende, ein Kinderchancengeld und bessere Hinzuverdienstregeln beim ALG II – das sind Forderungen der Freien Demokraten. Die Liberalen treten außerdem für ein Bürgergeld ein, welches steuerfinanzierte Sozialleistungen – also zum Beispiel Arbeitslosengeld II und die Grundsicherung im Alter – an einer staatlichen Stelle zusammenfasst.

Mehrelternschaften will die FDP ebenso ermöglichen wie die Eizellspende, die Adoption für unverheiratete Paare und gesetzlich verankerte Verantwortungsgemeinschaften neben der Ehe. Teil des Wahlprogramms sind auch eine Ausweitung des Schonvermögens in der Grundsicherung, ein flexibler Renteneintritt und eine gesetzliche Aktienrente.

Migration und EU: Kanada als Vorbild

Die FDP bekennt sich klar zur Europäischen Union, fordert eine gemeinsame Verfassung der EU als Bundesstaat sowie eine Europäische Armee. Geht es nach der FDP, soll die EU eine offene strategische Souveränität anstreben, beispielsweise bei der Energieversorgung. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sollen beendet werden. Für Migration nach Deutschland soll es klare Regeln geben, gebündelt in einem Einwanderungsgesetzbuch. Für die Einwanderung in den Arbeitsmarkt fordert die FDP ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild, wobei Kriterien wie Bildungsgrad, Deutschkenntnisse, Alter und Berufserfahrung eine Rolle spielen.

Flucht und Einwanderung will die FDP klar unterscheiden, ebenso politisch Verfolgte, Kriegsflüchtlinge und dauerhafte Einwanderer. Schutzsuchende sollen in der EU verbindlich verteilt werden, die EU-Grenzschutzagentur Frontex ausgebaut werden. Asylanträge will die FDP schon in EU-Botschaften möglich machen, um lebensgefährlichen Reisen entgegenzuwirken.

Digitalisierung: KI im Klassenzimmer

In allen Politikfeldern fordern die freien Demokraten mehr Digitalisierung. Das heißt: Es soll ein eigenes Ministerium für Digitale Transformation geben, jedes andere Ministerium soll bis 2025 zehn konkrete Anwendungsfälle für Künstliche Intelligenz (KI) identifizieren und umsetzen.

Im Klassenzimmer soll KI Lernprozesse analysieren und unterstützen, im Gesundheitsbereich soll die Medikamentenausgabe automatisiert erfolgen und Verwaltungen sollen virtuell werden. Großes Potential sieht die FDP auch im autonomen Fahren, bei Drohnen und Flugtaxis. Gleichzeitig soll die Mobilfunkabdeckung verbessert werden, Cybersicherheit gestärkt und ein Recht auf Verschlüsselung eingeführt werden.

Gesundheit: Corona als Lehrstunde

Die Pandemie ist für die Liberalen eine Lehrstunde in Sachen mangelnder Digitalisierung gewesen. Deshalb will sie digitale Defizite ausgleichen und bürokratische Vorgaben minimieren. Die Corona-Schulden sollen so schnell wie möglich abgebaut werden und der Staat soll sich für den Fall der Fälle bei Wirtschaftshilfen und Hilfen für Selbstständige in Zukunft besser rüsten.

Im Bereich Gesundheit fordert die FDP außerdem, die Arzneimittelherstellung wieder nach Deutschland oder in die EU zu verlagern, ein liberales Sterbehilfegesetz und die kontrollierte Freigabe von Cannabis.

Sonstiges: Wählen schon ab 16

Zu den weiteren Forderungen der FDP zählen eine Amtszeitbegrenzung für Bundeskanzler auf 10 Jahre oder zwei Legislaturperioden, welche die FDP auf fünf Jahre verlängern möchte. Wahlrecht und Begleitetes Fahren fordern die Liberalen schon ab 16, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen sie verschlanken und E-Sport als Sportart anerkennen.

Im Programm sind auch die Abschaffung des Mietendeckels und des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG). Was noch? Die Polizei soll besser ausgestattet werden und manche Aufgaben an andere Behörden abgeben – etwa bei Ruhestörungen oder Verkehrsunfällen ohne Verletzte. Die föderalistische Sicherheitsarchitektur plant die FDP zu reformieren.

Verwendete Quellen:

  • Programmentwurf der FDP: Nie gab es mehr zu tun.
  • Wahlrecht.de: Sonntagsfrage.
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