Die Umfragewerte für die Linke sehen schlecht aus. Stand jetzt könnte die Partei an der Fünf-Prozent-Hürde krachend scheitern. Die Genossen sind trotzdem entschlossen, den Wahlkampf zu drehen.
Ines Schwerdtner geht mit energischen Schritten auf die Bühne. Die Vorsitzende der Linken lächelt, die Lippen in leuchtend rot. Es ist die Vorstellung der Wahlkampagne der Linken und Schwerdtner wirkt, als wäre sie bereit, für alles, was in den kommenden Wochen auf die Partei zukommt. Der Saal, in dem die Genossen ihre Kampagne vorstellen, ist gut gefüllt mit Presse, Mitgliedern und Unterstützenden.
An 100.000 Haustüren klopfen, das war das ausgegebene Ziel der Partei – allerdings bevor klar war, dass die Wahl früher stattfinden wird als gedacht und der Wahlkampf kürzer ist. Trotzdem: "Wir haben an über 100.000 Haustüren geklopft, mit vielen tausend Menschen gesprochen", sagt Schwerdtner.
Die Linken kämpfen, in den Umfragen sieht es schlecht aus. Gerade einmal bei drei Prozent stehen sie aktuell. Kein Wunder, dass die Partei im Wahlkampf auch auf die Direktmandate setzen möchte. Schließlich sitzen die Abgeordneten der Gruppe der Linken und des BSW auch aktuell nur dank der drei errungenen Direktmandate bei der vergangenen Bundestagswahl im Parlament.
Die Linke setzt auf schlichte Plakate mit eingängigen Slogans
Richten sollen es diesmal die drei "Silberlocken"
Auch sonst setzt die Linke auf eingängige Wahlsprüche. Insgesamt sechs Themen haben die Genossen beim Klinkenputzen identifiziert: die Teuerung, die Energiekosten, die Rente, die Mieten, das Klima und Frieden. Die Plakate sind schlicht. Weißer Grund, rote Schrift. Zu lesen ist etwa: "Ist deine Heizung zu teuer, macht jemand richtig Kohle."
Die Linke, führt Schwerdtner aus, will die Mehrheit der Gesellschaft entlasten. Und hat damit auch schon angefangen. Denn das Selbstverständnis der Partei ist konkret zu helfen, das macht auch das Spitzenkandidaten-Duo Heidi Reichinnek und Jan van Aken deutlich. "Tax the Rich" steht auf dem T-Shirt, das van Aken trägt. Eine klare Botschaft: Die Linke will an das Vermögen ran.
Und sie will wieder als die Kümmerer-Partei wahrgenommen werden, die sie vor allem in Ostdeutschland lange war. Auch aus der Opposition heraus ließe sich das Leben von Menschen konkret verbessern, merkt Reichinnek an. Ihr Spitzen-Duo-Partner zeigt sich begeistert, dass SPD und Grüne das Wahlprogramm der Linken "so genau" gelesen hätten. In den Wahlprogrammen der anderen Parteien ließen sich nämlich Forderungen finden, die die Linken in ihrem Programm stehen haben. "Ich finde es gut, dass wir endlich einen sozialen Wahlkampf bekommen", sagt er.
Konkrete Hilfe vor Ort
Am Vortag der Kampagnenvorstellung hat die Linke bereits eine Heizkosten-Aktion gestartet. So wollen die Genossen Menschen helfen, Kürzungen einzufordern, wenn die Vermietung die Heizkosten falsch abrechnet. Auch beim Thema Mieten hat die Fraktion im Bundestag mit einer eigens konzipierten App einen ersten Anlauf unternommen, Mieterinnen und Mietern konkret zu helfen. Überprüft werden soll so, ob womöglich Mietwucher vorliegt. Die Linke hilft, macht sie deutlich. Und: Die Linke will mehr.
"Alle wollen regieren, wir wollen verändern", steht auf dem großen Plakat, das die beiden Spitzenkandidierenden enthüllen. Was das bedeutet? Für den Parteivorsitzenden
Auf Frage unserer Redaktion, ob die Linke das notfalls auch in der sogenannten außerparlamentarischen Opposition – sollten sie es nicht erneut ins Parlament schaffen – umsetzen möchte, sagt er: "Wir werden auch nach der Bundestagswahl weitermachen, wenn es darum geht, einen bundesweiten Mietendeckel durchzudrücken." An ein Ausscheiden will van Aken nicht denken.
Kampfgeist und Eintracht statt Selbstgespräche
Der Kampfgeist ist den Linken anzumerken. Es herrscht eine Hauruck-Stimmung und Eintracht. Trotz Winterwahlkampf, trotz Feiertage – trotz schlechter Umfragen. Dass Plakatehängen im Jahr 2024 nicht mehr reicht, das ist Schwerdtner klar. Sie wirbt bei den anwesenden Parteimitgliedern und Unterstützenden dafür, auch die Social-Media-Beiträge der Partei zu teilen. Namentlich nennt sie "Tiktok-Queen" Heidi Reichinnek, die Abgeordnete Caren Lay, die in ihren Beiträgen rappt und den "kleinen Hype auf Gregor Gysi".
Letzteren könne Schwerdtner zwar nicht verstehen, aber: "Wenn junge Leute sagen, Gregor Gysi ist unsere Süßmaus, dann nehme ich das mit." Sie will den Rechten keinen Raum überlassen, nicht im Osten, nicht im Digitalen. "Wir müssen die Räume zurückerobern", sagt sie. Klar ist für sie aber auch: Mit Tiktok gibt man jungen Menschen keine Perspektive. Dafür brauche es eine gute Sozialpolitik.
Ob dieses konkrete Herantreten an die Menschen nach der Zeit der Selbstgespräche und internen Streitereien gerade noch rechtzeitig kommt, wird sich zeigen. Die Umfragen der vergangenen Wochen sehen die Linke konstant bei drei Prozent – und damit unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde, die für einen Einzug in den Bundestag überschritten werden muss. Auf die Direktmandate von Gysi-"Süßmaus" und die "Silberlocken" zu setzen, bleibt mindestens riskant.
Verwendete Quellen
- Besuch der Kampagnenvorstellung
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