Die Wahlbenachrichtigung war schon im Briefkasten, Wahlplakate säumen die Straßen. Nicht mehr lang hin bis zur Europawahl am 9. Juni. Worüber wird an diesem Tag abgestimmt und was bewirkt meine Stimme?

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Vom 6. bis 9. Juni findet die Europawahl statt. Vier Tage lang? Ja, vier Tage lang – so ist das eben bei der EU. Weil die Interessen von 27 verschiedenen Staaten aufeinandertreffen, sind die Dinge zuweilen ein wenig kompliziert.

Beim Wahltermin für die Europawahl 2024 wird Rücksicht auf die Gewohnheiten der einzelnen Länder genommen. In Tschechien zum Beispiel werden Wahlen traditionell an zwei Tagen abgehalten, freitags und samstags. Wir Deutschen sind am Sonntag zur Wahl aufgerufen, genau wie üblich also.

Europäisches Parlament: Kein anderes Land stellt so viele Abgeordnete wie Deutschland

Gewählt wird das Europäische Parlament. Es ist eine der vier zentralen Institutionen der EU, neben der Europäischen Kommission, dem Rat der EU (auch Ministerrat genannt) und dem Europäischen Rat. Das Parlament besteht aus 720 Abgeordneten. Deutschland stellt als bevölkerungsreichstes Land der EU die meisten Abgeordneten, 96 an der Zahl.

Von welchen Parteien diese Abgeordneten kommen und welche Positionen sie vertreten, hat entscheidenden Einfluss auf neue EU-Gesetze. Nachdem die EU-Kommission ein Gesetz vorgeschlagen hat, sind es der Ministerrat und das Parlament, die die Gesetze aushandeln. Auch bei der Verteilung von Geldern, wie beispielsweise der milliardenschweren EU-Agrarförderung, hat das Parlament ein entscheidendes Wort mitzureden.

Das Parlament ist nicht nur eines der beiden gesetzgebenden Gremien der Europäischen Union, es verabschiedet auch den Haushalt und hat eine wichtige Kontrollfunktion. © dpa/dpa-infografik GmbH

Viele politische Entscheidungen fallen nicht in Berlin, sondern in Brüssel. Während zum Beispiel Bildungs- und Gesundheitspolitik Sache der Nationalstaaten ist, gibt es Bereiche, in denen sämtliche Vorschriften auf EU-Ebene getroffen werden, etwa bei Zollfragen und Währungspolitik. In vielen Bereichen teilen sich die EU und die Nationalstaaten die Zuständigkeit. Beispiele sind die Landwirtschafts- und Migrationspolitik, wobei laut Bundeszentrale für politische Bildung in diesen beiden Bereichen über die Hälfte der Bundesgesetze auf EU-Entscheidungen basieren.

Ladekabel und Plastikmüll: EU-Entscheidungen reichen in unseren Alltag

Was in Brüssel entschieden wird, reicht oft ganz konkret in unseren Alltag hinein. Drei Beispiele aus der zu Ende gehenden Legislaturperiode:

  • Schluss mit Kabel-Chaos: Ab 2025 müssen alle elektronische Kleingeräte wie Smartphones, Tablets, tragbare Spielekonsolen und Navigationsgeräte EU-weit mit dem gleichen Ladekabel verkauft werden, dem USB-C-Kabel. Ab 2026 gilt das auch für Laptops.
  • Besser geschützt im Netz: Der "Digital Service Act" erleichtert es Internetnutzern, sich gegen Onlineplattformen zu wehren, die strittige Inhalte einfach löschen oder gerade nicht löschen. Behörden können jetzt gegen Verstöße von Onlineplattformen vorgehen und Bußgelder verhängen.
  • Kampf gegen Plastikmüll: Viele Gegenstände aus Einwegplastik sind in der EU seit 2021 verboten, darunter Trinkhalme und Plastikbesteck. Bis 2030 müssen mit wenigen Ausnahmen alle Verpackungen ohne Plastik auskommen, also auch das Obst im Supermarkt und das Ketchup an der Pommesbude.

Die wohl größten Themen auf EU-Ebene lauten derzeit Verteidigung, Migration und Klimaschutz. Muss Europa mehr Geld ausgeben, um sich auch ohne massive Hilfe der USA gegen Aggressoren wie Russland verteidigen zu können? Wie könnte eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik aussehen, bei der nicht länger jedes Land allein Waffen beschafft und allein seine Soldaten trainiert? Bewähren sich die neuen Regeln in der Asylpolitik? Erreicht die EU ihre Etappenziele auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050? Bleibt es beim Verbrenner aus, sprich der Entscheidung, dass ab 2035 nur noch CO₂-frei fahrende Neuwagen zugelassen werden? Wer am 9. Juni zur Wahl geht, entscheidet über diese großen Fragen mit.

Scholz vor der Europawahl 2024: Europa sichert unseren Wohlstand

Das EU-Parlament hat auch Einfluss auf die Besetzung der EU-Kommission, die durch das Recht, Gesetze vorzuschlagen, viel gestalten kann. Zwar ist es zunächst Aufgabe der Staats- und Regierungschefs, einen Vorschlag für die Präsidentin beziehungsweise den Präsidenten der Kommission zu machen. Das Parlament kann diesen aber ablehnen. Und: In der Regel hat der Kandidat aus der stärksten Fraktion im Parlament die besten Chancen auf den Posten. Klare Favoritin ist deshalb in diesem Jahr Amtsinhaberin Ursula von der Leyen. Sie ist Spitzenkandidatin der konservativen Fraktion EVP, die Umfragen zufolge als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgehen wird.

Viele Menschen empfinden EU-Politik als kompliziert und weit weg vom eigenen Leben, doch: Sie zählt! Das unterstreicht auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), wenn er laut dpa in einer Anfang Mai veröffentlichten Videobotschaft mit Blick auf die Europawahl sagt: "Meine Bitte auch an Sie und Euch: 'Macht mit!'" Ein vereintes Europa sichere den Wohlstand und die Zukunft für Deutschland, betont der Kanzler. Jeder vierte Arbeitsplatz hänge am Export. Ohne die EU hätten die Menschen weniger Geld – rund 68 Milliarden, hat die Bundesregierung ausgerechnet, wäre Deutschland ohne die EU jährlich ärmer. Außerdem habe die EU mit ihren 450 Millionen Bürgerinnen und Bürgern politisch ein ganz anderes Gewicht als ein einzelnes Land, sagt Scholz. "Das ist entscheidend in unsicheren Zeiten wie diesen."

Verwendete Quellen

  • Seminar des deutschen Verbindungsbüros des EU-Parlaments zur Europawahl am 8. April 2024 in München
  • bundesregierung.de: "Du sorgst für mehr Wohlergehen und Wohlstand"
  • Mit Material der dpa

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