Der CDU-Politiker Jürgen Hardt beobachtet vor Ort den Parteitag der US-Demokraten in Chicago. Im Interview sagt er: Deutschland müsse sich dringend auf das nächste Staatsoberhaupt der USA vorbereiten egal ob Kamala Harris oder Donald Trump die Wahl gewinnt.

Ein Interview

Chicago steht in dieser Woche im Zeichen eines Parteitags: Die US-Demokraten küren dort Vizepräsidentin Kamala Harris formal zu ihrer Kandidatin für die Präsidentschaftswahl am 5. November.

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Parteitage in den USA sind vor allem große Show-Veranstaltungen. Vor Ort ist aus Deutschland unter anderem Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Beim Gang durch die Stadt schildert er am Telefon seine Eindrücke.

Herr Hardt, Parteitage in den USA sind große Inszenierungen. Hat Sie das Kamala-Harris-Fieber schon gepackt?

CDU-Politiker Jürgen Hardt. © dpa/Hendrik Schmidt

Jürgen Hardt: Es ist schon bewundernswert. Seit Joe Biden gesagt hat, dass er nicht mehr kandidiert, ist erst ein Monat vergangen. Die Demokraten haben es aber in so kurzer Zeit geschafft, den Eindruck zu erwecken, Kamala Harris sei schon immer ihre Kandidatin gewesen. Der Parteitag ist ein großes Signal der Geschlossenheit – und das wirkt auch glaubwürdig.

Inwiefern?

Die demokratische Partei in ihrer ganzen Breite steht hinter Harris: vom linken Flügel, der sich für Frauen- und Gewerkschaftsrechte einsetzt, bis zu den wirtschaftsnahen Demokraten. In Amerika sind gute Inszenierungen etwas wert, denn die Leute lassen sich davon wirklich beeindrucken. Schon der erste Tag war eine ziemlich perfekte Inszenierung. Mit dem Rückenwind des Parteitags haben die Demokraten eine ernsthafte Chance, das Blatt zu wenden.

Vor einigen Wochen schien Donald Trump in der Tat noch wie der sichere Sieger. Aber wäre es nicht auch naiv, jetzt schon von einem sicheren Sieg von Kamala Harris auszugehen? In einem Wahlkampf kann in zwei Monaten noch viel passieren.

Falls Informationen auftauchen, die die Integrität von Harris beschädigen, würde ihr das sicherlich schaden. Danach sieht es bisher aber nicht aus. Joe Biden und Kamala Harris haben eine gute Bilanz. Die Arbeitsmarktzahlen sind gut, und es ist nicht zu erwarten, dass in den nächsten Wochen die Wirtschaft einbricht. Auch in der Außen- und Sicherheitspolitik haben die beiden Erfolge zu verzeichnen.

Vor dem Parteitag gibt es allerdings auch propalästinensische Demonstrationen. Den Teilnehmern ist der Kurs der US-Regierung im Gaza-Krieg zu israelfreundlich.

Joe Biden kann aber auf den Friedensplan verweisen, den er geschrieben hat. Das hat er auch den Demonstranten vor der Eingangstür gesagt, die übrigens nicht Tausende waren – eher Hunderte.

"Viele schauen überrascht auf Deutschland und fragen uns: Was läuft da schief?"

Jürgen Hardt, CDU

Worüber wollen die Menschen auf dem Parteitag mit Ihnen als deutschem Abgeordneten sprechen?

Neben mir sind noch andere Bundestagsabgeordnete vor Ort. Wir sprechen hier nicht nur mit US-Amerikanern, sondern auch mit Politikern und Diplomaten aus anderen Staaten. Viele schauen überrascht auf Deutschland und fragen uns: Was läuft da schief? Die Amerikaner verstehen nicht, warum die Wirtschaft bei uns so schwächelt. Die Wirtschaftsentwicklung in den USA, China und sogar Indien ist besser. Wir haben uns abhängen lassen – das ist der Eindruck.

Und in der Außen- und Sicherheitspolitik?

Auch da fehlt es an klaren Ansagen aus Deutschland. Viele hier verstehen nicht, warum Deutschland seiner europäischen Führungsrolle nicht gerecht wird. Ich werde gefragt: Wie lange schaut ihr euch das noch an? Warum gibt es keinen Regierungswechsel?

Was antworten Sie darauf?

Unser politisches System ist nicht auf Regierungswechsel in der Wahlperiode ausgelegt. Der Kanzler ist für vier Jahre gewählt. Er kann nur gestürzt werden, wenn es eine andere Mehrheit gibt.

Was kommt auf Deutschland zu, wenn das neue Staatsoberhaupt in den USA gewählt ist?

Es wird kritische Fragen an uns geben – egal, wer gewinnt. Das wird auf jeden Fall passieren, wenn Donald Trump gewählt wird, und auch wenn seine Republikaner die Mehrheit in den Kongresskammern bekommen. Was unternehmen wir für unsere eigene Verteidigung in Europa? Wie gehen wir mit China um? Dazu haben wir bisher zu wenig Antworten gegeben. Wir sind schlecht vorbereitet auf die nächsten Jahre.

Aber wäre mit Kamala Harris als Präsidentin alles leichter für Europa?

Sie wird rationaler und freundlicher auftreten, der Ton wird ein anderer sein als bei Trump. Man wird besser nachvollziehen können, was sie macht – und warum sie das macht. Aber sie wird die gleichen kritischen Fragen an uns stellen.

Über den Gesprächspartner

  • Jürgen Hardt wurde 1963 in Hofheim am Taunus geboren. Der Diplom-Volkswirt arbeitete unter anderem in der CDU-Bundesgeschäftsstelle, für die Unions-Bundestagsfraktion sowie für die Unternehmensgruppe Vorwerk. Seit 2009 ist er Mitglied des Deutschen Bundestags und seit 2015 außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. 2014 bis 2018 war er auch Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung.
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