Mit mehr als 24.000 Tweets hat Donald Trump die Welt in Dauer-Stress versetzt. Nun hat Joe Biden die US-Wahl gegen ihn gewonnen. Der Demokrat verspricht ein Ende von Chaos, Wut und irren Tweets.

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Joe Biden wird erst am 20. Januar als Präsident der USA vereidigt, schon bei seiner Siegesrede gibt sich der 77-Jährige aber ausgesprochen präsidial. "Ich werde genauso hart für diejenigen arbeiten, die für mich gestimmt haben, wie für diejenigen, die nicht für mich gestimmt haben", sagt der Demokrat am Samstagabend in seinem Heimatort Wilmington - kurz zuvor haben ihn US-Medien nach einem tagelangen Auszählkrimi zum Gewinner der historischen US-Wahl ausgerufen.

"Um Fortschritt zu machen, müssen wir aufhören, unsere Gegner als Feinde zu sehen." Biden legt eine Empathie an den Tag, wie sie Noch-Amtsinhaber Donald Trump - der auf Twitter Gift und Galle spuckt - in seinen knapp vier Jahren im Weißen Haus nie gezeigt hat.

Ein Präsident aller Amerikaner?

Trump selber will sich juristisch gegen die Niederlage wehren. Dass aber selbst Trumps Haussender Fox News in der Nacht zu Sonntag das Banner "Biden zum 46. Präsidenten gewählt" im laufenden Programm zeigt, lässt erahnen, wohin die Reise geht.

Biden gibt mit seinen Auftritten seit Tagen einen Vorgeschmack darauf, wie seine Amtszeit aussehen könnte. Er wolle Präsident aller Amerikaner sein, sagt der 77-Jährige. Das hat Trump (74) einst auch versprochen. Der Unterschied: Bei Biden wirkt es glaubwürdig. Der ehemalige Vize von Barack Obama sagt, nun sei es an der Zeit, "die brutale Rhetorik des Wahlkampfs hinter uns zu lassen, die Temperatur zu senken".

24.790 Trump-Tweets

Unter Trump ist die Betriebstemperatur in den USA in der Politik, aber auch in der Gesellschaft in den roten Bereich gestiegen. Alleine das Dauergewitter auf Twitter: Trump verkündete weltpolitische Entscheidungen über sein Konto @realdonaldtrump. Er feuerte Minister, er wiegelte auf und er bewegte die Märkte mit seinen nie enden wollenden Tweets.

Das Trump-Twitter-Archiv hat mitgezählt: Als Präsident hat Donald Trump über seinen (privaten) Account bislang mehr als 24.790 Botschaften abgesetzt, in den vergangenen Monaten waren es im Schnitt 43 am Tag. Mehr als 180 Menschen hat er per Tweet beleidigt ("könnte in Tennessee nicht zum Hundefänger gewählt werden"), mehrere davon öfter als einmal.

Trump und die Wahrheit

Trump kann nicht nur ausfallend werden. Kein Geheimnis ist auch, dass er ein gespaltenes Verhältnis zur Wahrheit hat. Er lügt, und zwar in einem Ausmaß, dass er die Faktenchecker der "Washington Post" in die Knie gezwungen hat. Deren Team-Mitglieder teilten am 23. Oktober mit, dass sie mit ihrer Prüfung acht Wochen hinten lägen und ihre Datenbank vor der Wahl nicht mehr aktualisieren könnten.

In den 1.316 Tagen von seiner Vereidigung bis zum Parteitag der Republikaner im August haben die Faktenchecker Trump 22.247 falsche oder irreführende Aussagen nachgewiesen. Am Ende des geprüften Zeitraums - mitten im Wahlkampf - waren es mehr als 50 am Tag.

Biden verglich Trump im Wahlkampf mit Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels. "Er ist so in etwa wie Goebbels", sagte Biden dem Sender MSNBC. "Man erzählt eine Lüge lange genug, wiederholt sie, wiederholt sie, wiederholt sie - und sie gilt als Allgemeinwissen." Ähnlich verfährt Trump jetzt wieder: Gebetsmühlenartig wiederholt er, nur Wahlbetrug habe ihn um den verdienten Sieg gebracht. Wie üblich legt er für seine kruden Behauptungen keine Beweise vor.

Keine Atempause unter Trump

Unter Trump kamen nicht nur die USA fast vier Jahre lang nicht zum Durchatmen, sondern die ganze Welt. Nur ein kleiner Ausschnitt seiner außenpolitischen Volten: Trump löste einseitig das internationale Atomabkommen mit dem Iran auf, Jerusalem erkannte er als Hauptstadt Israels an. Er drohte mit dem Austritt aus der NATO, und weil er die deutschen Verteidigungsausgaben für zu gering hielt, kündigte er den Abzug von rund einem Drittel der US-Soldaten aus der Bundesrepublik an. Den "kleinen Raketenmann" Kim Jong Un warnte Trump, er werde "Feuer und Zorn" über Nordkorea bringen. Später - nachdem er Kim getroffen hatte - sagte er: "Wir haben uns verliebt."

Immer gibt es noch einen Tweet, noch eine Behauptung, noch eine Äußerung Trumps, die wieder die Nachrichten dominiert und die öffentliche Diskussion bestimmt. Der US-Präsident hat Themen gesetzt, von denen man gar nicht ahnte, dass sie welche sein könnten: Etwa, als er den Dänen im vergangenen Jahr Grönland abkaufen wollte (und dann einen Besuch in Kopenhagen pikiert absagte, als die erstaunten Grönländer und Dänen abwinkten).

Ende der Dunkelheit?

Im Wahlkampf versprach Biden, die USA nach vier Jahren Trump aus der "Zeit der Dunkelheit" zu führen. "Wir sind fertig mit dem Chaos, den Tweets, der Wut, dem Hass, dem Versagen, der Weigerung, jegliche Verantwortung zu übernehmen", sagte er. "Jeder weiß, wer Donald Trump ist. Lasst uns zeigen, wer wir sind." Obwohl inzwischen wirklich jeder weiß, wer Donald Trump ist und für was er steht, stimmte allerdings immer noch fast jeder zweite Wähler für ihn.

Die Gräben in der Gesellschaft

Die Frage, ob man für oder gegen Trump ist, hat Familien gespalten und Freundschaften zerbrechen lassen, das erzählen Amerikaner immer wieder. Das war nicht immer so. Gräben gab es in den USA auch vor Trump, unbestritten ist aber, dass sie in seiner Amtszeit tiefer geworden sind.

Die Überwindung dieser Spaltung dürfte eine der größten Herausforderungen für Biden werden. Der langjährige Senator trat im Wahlkampf mit diesem Versprechen an: "Das ist unsere Gelegenheit, die dunkle, wütende Politik der letzten vier Jahre hinter uns zu lassen und Hoffnung statt Angst, Einheit statt Spaltung, Wissenschaft statt Fiktion zu wählen."

Obamas Versprechen

Trump-Vorgänger Obama hatte sich im Wahlkampf für seinen früheren Stellvertreter und dessen Vize-Kandidatin Kamala Harris ins Zeug gelegt. Bei einem Auftritt in Philadelphia versprach Obama den Wählern eine Verschnaufpause nach den wüsten Trump-Jahren. "Mit Joe und Kamala an der Spitze werden Sie nicht mehr jeden Tag über die verrückten Dinge nachdenken müssen, die sie gesagt haben, und das ist viel wert."

Das Duo werde "einfach nicht mehr so anstrengend" sein. Und für das traditionell im Kreis der Familie gefeierte Erntedankfest in knapp drei Wochen stellte Obama seinen Landsleuten in Aussicht: "Womöglich könnten Sie ein Thanksgiving-Dinner haben, ohne zu streiten." (dpa/mbo)

Joe Biden

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