• Bei der CDU-Mitgliederbefragung haben sich 62,1 Prozent der Teilnehmer für Friedrich Merz als neuen Parteivorsitzenden entschieden.
  • Merz setzte sich damit schon im ersten Wahlgang gegen Norbert Röttgen und Helge Braun durch.
  • Der Politikwissenschaftler Uwe Jun erklärt im Interview, was auf den neuen Parteichef zukommt: "Es hängt jetzt sehr viel von seinem strategischen und kommunikativen Geschick ab."
Ein Interview

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Herr Jun, Friedrich Merz hat schon im ersten Wahlgang der CDU-Mitgliederbefragung 62,1 Prozent der Stimmen bekommen. Hat Sie das Ergebnis überrascht?

Uwe Jun: Friedrich Merz ist schon als Favorit ins Rennen gegangen. Viele, die die CDU gut kennen, haben mit so einem Ergebnis gerechnet, weil die Basis seit einiger Zeit unzufrieden mit der Parteispitze ist. Merz kommt bei den Mitgliedern gut an und galt schon bei den vorigen beiden Wahlen als Favorit der Basis. Dass er es jetzt schon im ersten Wahlgang geschafft hat, überrascht mich nicht.

Was sagt sein Sieg über die CDU?

Die Partei hat einen Neuanfang gesucht. Die Mitglieder haben deutlich gemacht, wo sie diesen Neuanfang sehen: bei konservativeren Positionen. Die Basis hat mit Wucht zu erkennen gegeben, dass sie mit Entscheidungen der Parteiführung im Laufe dieses Jahres nicht zufrieden war.

Mit welchen Entscheidungen zum Beispiel?

Insbesondere die Art und Weise, wie die Frage der Kanzlerkandidatur entschieden wurde, hat die Basis verärgert. Viele an der Basis sahen Armin Laschet nicht als besten Kandidaten. Das Rumoren reicht aber weiter zurück. Das hat schon mit der Migrationspolitik 2015 und 2016 angefangen. Seitdem stellen wir immer wieder fest, dass eine gewisse Unzufriedenheit unter den Mitgliedern herrscht. Sie gipfelte dann in der Wahlniederlage im vergangenen September.

Auffällig war, dass der Noch-Parteivorsitzende Armin Laschet nicht dabei war, als die CDU das Ergebnis verkündet hat.

In der Tat ist das erstaunlich. Er ist ja noch Vorsitzender, bis Herr Merz auf dem Parteitag im Januar endgültig gewählt wird. Es wäre kein schlechtes Zeichen gewesen, wenn er die Amtsübergabe an Friedrich Merz auch heute aktiv mitgestaltet hätte.

Helge Braun ist mit 12,1 Prozent nur auf dem dritten Platz gelandet. Ist das auch eine Abrechnung der Partei mit Angela Merkel? Schließlich war Braun ihr Kanzleramtsminister.

Ich würde eher sagen: Die Partei wollte einen Neuanfang. Braun stand noch zu sehr in der Tradition Merkels, das hat sich am Ende nicht als Vorteil für ihn erwiesen. Braun ist in der Partei allerdings auch wenig verankert. Bis zur Corona-Pandemie haben ihn viele Mitglieder kaum gekannt. Er hat auch seitdem keine große Verankerung in der Partei gesucht.

Friedrich Merz war in den vergangenen Wochen sichtbar bemüht, das Image des konservativen, marktliberalen Hardliners abzustreifen. Ist ihm das gelungen?

Er muss jetzt auf jeden Fall dafür sorgen, dass sich die Partei wieder beruhigt. Dazu muss er die unterschiedlichen Gruppen in der CDU zusammenführen. Er kann sich als Vorsitzender nicht nur auf diejenigen besinnen, die ihn unterstützt haben. Er muss auf die anderen Teile zugehen und die CDU wieder mehrheitsfähig machen. Das wird ihm nicht gelingen, wenn er sich nur auf konservative und wirtschaftsliberale Werte stützt. Er scheint dies zu erkennen, denn im Vorfeld dieser Wahl hat er sich moderater und pragmatischer als bei den vorangegangenen Wahlen präsentiert.

Wird das auch für die Aufstellung der Union in der Opposition gelten? Oder haben die Ampel-Parteien jetzt eine harte Konfrontation mit der CDU zu erwarten?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Merz Fundamentalopposition betreiben wird. Er muss die Union in der Mitte halten, auch mit Blick auf die anderen beiden Oppositionsfraktionen AfD und Linke. Ich denke, dass er der Ampel-Koalition eher konstruktiv-kritisch gegenübertritt.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hat bereits gesagt, dass er sich über Merz als CDU-Chef freuen würde – weil es der SPD leichtfallen dürfte, sich von ihm abzugrenzen.

Sicherlich ist die Wahl von Herrn Merz erstmal keine schlechte Nachricht für die SPD. Man muss aber abwarten, ob er nicht doch auch wandlungsfähig ist, ohne seine jetzigen Unterstützer zu verprellen.

Und die FDP?

Die FDP hat weiterhin die Chance, in der Ampel-Koalition als bürgerlich-liberales Korrektiv von Rot-Grün zu wirken. Damit könnte sie sich stärker in der politischen Mitte verankern – das wäre noch einfacher, wenn es Merz eben nicht gelingt, die CDU in der Mitte zu halten. Es hängt jetzt sehr viel von seinem strategischen und kommunikativen Geschick ab.

Über den Experten: Uwe Jun ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Trier und beschäftigt sich vor allem mit Parteienforschung. 2020 war er Mit-Herausgeber des Sammelbands "Die Parteien nach der Bundestagswahl 2017 - Aktuelle Entwicklungen des Parteienwettbewerbs in Deutschland".
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