Mit seinen 31 Siegen als Profiboxer gehört Henry Maske zu den größten Sportidolen, die Deutschland jemals hervorgebracht hat. An diesem Samstag feiert der "Gentleman" des Boxsports seinen 60. Geburtstag. Unsere Redaktion hat bei dem früheren Weltmeister im Halbschwergewicht nachgefragt, mit welchen Gefühlen er auf seinen runden Ehrentag blickt, wie er sich heute fit hält und warum Deutschland aktuell keine große Boxnation mehr ist.

Ein Interview

Herr Maske, zunächst einmal wünsche ich Ihnen ein frohes und vor allem gesundes neues Jahr 2024! Sind Sie denn gut reingekommen?

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Henry Maske: Vielen Dank, das wünsche ich Ihnen ebenso. Ja, wir sind sehr gut reingekommen. So wie man es sich vorstellt: mit netten Leuten, einem Glas Champagner und der einen oder anderen Rakete um einen herum. Irgendwann geht man dann sukzessive der Ruhe entgegen, denn jeder von uns hat früher oder später eine Nacht verdient (lacht).

Sie feiern an diesem Samstag runden Geburtstag, werden 60 Jahre alt. Fühlen Sie sich denn wie ein Mann, der in den Sechzigern ankommt?

Ich kann nach wie vor nicht behaupten, dass ich meine Lebenszeit spüre. Natürlich bin ich keine 20 oder 30 mehr. Aber ich fühle mich nicht so, wie ich es mir als 30-Jähriger ausgemalt hatte, wenn ich damals an einen 60-Jährigen gedacht habe.

Henry Maske: "Ich bin aktiv und tue für mich und meinen Körper einiges"

Woran kann das liegen? Ernähren Sie sich besonders gesund, treiben Sie nach wie vor viel Sport oder haben Sie sich lediglich einen positiven Blick auf das Leben bewahrt?

Von all den Dingen, die Sie aufgezählt haben, würde ich nichts verneinen. Ich habe die Gewohnheit, dass ich mich nicht spartanisch, aber schon gesund ernähre. Das heißt aber auch, dass ich in Maßen Nahrungsmittel zu mir nehme, die ich mag, die aber nach Ansicht des einen oder anderen Ernährungsberaters vielleicht nicht ganz die optimale Wahl sein mögen. Ich fühle mich in meiner Vorgehensweise aber bestätigt, weil ich mit meiner Leistungsfähigkeit nach wie vor zufrieden bin. Ich bin aktiv und tue für mich und meinen Körper einiges – aber alles in einem aus meiner Sicht homogenen Maße.

Hängt in Ihrem Keller noch ein Boxsack?

Nein. Wenn man einmal Spitzensportler war und irgendwann erkennt, dass man aufgrund bestimmter körperlicher Voraussetzungen die Karriere beenden muss, verabschiedet man sich in der Regel in Gänze davon. Fast jedem geht es so, das ist nichts Ungewöhnliches. Wovon ich mich wiederum nicht verabschiedet habe, sind die Dinge, die mich auch in der Vergangenheit als Sportler angetrieben haben – zum Beispiel Laufen und Krafttraining. Im Prinzip all das, was dazu beiträgt, eine gewisse konditionelle Qualität zu behalten. Es geht mir um eine Fitness, die mir dabei hilft, mich in meinem Alter immer noch gut und entspannt bewegen zu können.

Von McDonalds zu Mikrobewegungen

Was machen Sie heute beruflich? Das Thema Franchise gehört der Vergangenheit an, richtig?

Ja, die Franchise-Geschichte habe ich Ende 2019 beendet. Zuvor war ich viele Jahre Franchise-Nehmer von McDonalds. Seit 2020 beschäftige ich mich mit einer Technologie, die uns in die Lage versetzt, Mikrobewegungen auf unkomplizierte Art und Weise zu messen – und zwar so präzise, wie es bisher nicht der Fall ist. Mehr kann ich dazu momentan leider noch nicht sagen. Aber es geht um etwas, von dem die Öffentlichkeit in gewisser Zeit erfahren wird, weil es spektakulär und sogar revolutionär ist.

Blicken Sie noch häufig und gerne auf Ihre glorreiche Karriere als Profiboxer zurück?

Nicht so intensiv, wie man sich das vielleicht vorstellen mag. Natürlich war und ist meine sportliche Karriere etwas essenziell Wichtiges für mich. Diese Zeit hat mich geprägt und letztlich zu dem gemacht, der ich heute bin. Ich bin dafür unglaublich dankbar. Aber ich lebe im Heute, bin interessiert und neugierig geblieben. Wie viele andere Menschen habe aber auch ich gewisse Trägheiten in mir – bezogen auf die Dinge, mit denen ich mich nicht so gerne beschäftigen möchte.

Boris Becker hat Tennis in Deutschland groß gemacht, Michael Schumacher die Formel 1 und Sie den Boxsport. Fehlt es uns heute an Sportlern, die zu Ikonen taugen?

Ich glaube, dass sich die Art und Weise, wo und wie sich Ikonen entwickeln können, verändert hat. Im Sport ist – und das meine ich nicht vorwurfsvoll – ein sehr lang anhaltender Prozess vonnöten, damit irgendwann möglicherweise Erfolg produziert wird. Natürlich gibt es diese überraschenden Erfolge, die sozusagen aus dem Nichts entstehen. Doch um über eine lange Distanz erfolgreich zu sein, bedarf es auch im Vorfeld eines langen Prozesses. Diese Ausdauer, diese Energie und diese Qualität der Begleitung liegt vielleicht nicht mehr so im Fokus wie eigentlich nötig.

Maske bemängelt Nachhaltigkeit im Boxsport

Ist das eine Entwicklung, die Sie vor allem im Boxsport beobachten?

Auch. Im Boxsport glauben nicht wenige, dass man mit einer harten Hand mal eben schnell alles erreichen kann. So funktioniert das aber nicht. Selbst ein Mike Tyson war nicht ausschließlich mit einer harten Hand erfolgreich, sondern hat dafür über eine sehr lange Distanz sehr viel mehr getan. Diese Nachhaltigkeit fehlt heute vielleicht.

Sie haben 31 Profikämpfe gewonnen, lediglich Ihren letzten Kampf 1996 gegen Virgil Hill nach Punkten verloren. Wiegen Niederlagen im Boxen schwerer als in anderen Sportarten, weil man diese nicht eine Woche später wieder korrigieren kann?

Das stimmt schon. Da ich nur den Boxsport betrieben habe, kann ich schwerlich über andere Sportarten reden. Aber: Eine Niederlage im Boxen ist immer etwas sehr Persönliches. Man geht nicht für einen Verein oder ein Land, sondern immer vor allem als Person in den Ring. Das ist ein Unterschied. Hinzu kommen die Folgen, die aus einer Niederlage resultieren: Man wird in Zukunft nämlich ganz anders positioniert, da es im Profiboxsport keine Turniere gibt, für die man sich wieder neu qualifizieren kann. Wenn man als Boxer kein gutes Management hat, ist man nach einer Niederlage raus aus dem Geschäft. Sie wirkt viel intensiver als etwa ein Tennismatch. Jeder Kampf ist mit einer großen Bedeutung versehen.

Sie gelten als der "Gentleman" des Boxsports. War dieser Begriff für Sie Fluch und Segen zugleich? Denn als "Gentleman" kann man sich nicht allzu viel erlauben …

Sie haben völlig recht: Man kann sich nicht viel erlauben. Aber glauben Sie mir eines: Wenn man in etwas erfolgreich sein will, sind die Möglichkeiten in dem, was man tut, ohnehin überschaubar. Man muss sehr fokussiert sein. Da ich das immer war, hatte ich zum Glück mehr Erfolg als Misserfolg.

"Möchte auf keinen Fall mehr Trainer werden"

Viele Fans würden sich wünschen, dass eine Legende wie Sie ihren Namen und ihre Expertise noch stärker einbringen würde, um den Boxsport in Deutschland wieder voranzutreiben. Können Sie sich vorstellen, sich stärker zu engagieren?

Ich habe seinerzeit als DDR-Sportler studiert und wollte Trainer werden. Dann kamen die Wende und die Chance, mich als Profi noch einmal zu bewähren. Glücklicherweise ist mir das gelungen. Im Zuge der Entwicklung habe ich aber bemerkt, dass sich viele Sachen wahnsinnig verändert haben, die zum Teil mit meinen Vorstellungen nicht übereinstimmen. Daher bin ich irgendwann zu der Überzeugung gelangt, dass ich auf keinen Fall mehr Trainer werden möchte. Diese Haltung hat sich bis heute nicht verändert, die Umstände im Übrigen ebenso wenig.

Wären die Umstände andere, wären Sie also im Boot?

Grundsätzlich würde ich gerne helfen und mit dafür sorgen, dass man in Zukunft über den Boxsport in Deutschland so spricht, wie es früher der Fall war. Aus deutscher Sicht haben wir heute nur noch ein paar Ausnahmen, über die wir uns freuen können. Aber es sind leider deutlich zu wenige, um behaupten zu können, dass wir noch eine große Boxnation sind. Ich sehe mich nach wie vor jedoch nicht in der Situation, an irgendwelchen Ketten zu ziehen, die eigentlich andere bewegen müssten, um im Ring wieder erfolgreich zu sein.

Abschließend: Wie und wo werden Sie Ihren 60. Geburtstag feiern?

Wir sind aktuell auf Rügen und werden hier eine Feier machen – aber eine deutlich kleinere als zu meinem 50. Geburtstag vor zehn Jahren.

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