• Sportlich kann Sebastian Vettel in seinen letzten Formel-1-Rennen kaum noch Akzente setzen.
  • Verbal ist der Deutsche aber weiterhin in Hochform.
  • In Monza kritisiert der 35-Jährige den italienischen Staatspräsidenten und die Formel 1 mit deutlichen Worten.

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Sebastian Vettel war bedient. Mal wieder. Sportlich ist die Abschiedstour des 35-Jährigen in der Formel 1 ein echtes Trauerspiel. Beim 16. Saisonrennen in Monza schied der Heppenheimer wegen eines Problems an seinem Aston Martin vorzeitig aus. Der AMR22 sei sowieso "sehr langsam" gewesen, sagte Vettel. "Und wenn du langsam bist, ist es immer schwierig. Die Strecke", so Vettel weiter, "war einfach nicht unser Ding" und es sei "nicht unser Wochenende" gewesen. "Wir waren weit weg von den Punkten. Das ist hart für uns."

So hart wie der ganze Abschied zu werden droht, denn echte Glanzlichter setzt der viermalige Weltmeister nicht mehr. Was keine große Überraschung ist, doch die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Magischer Ort wird zur Enttäuschung

Doch selbst der magische Ort Monza wird für Vettel zur Enttäuschung. Dort, wo er 2008 im unterlegenen Toro Rosso sensationell seinen ersten Sieg in der Königsklasse holte, verabschiedet er sich sportlich still und heimlich. "Es ist noch immer ein besonderer Ort", sagte Vettel, "aber den heutigen Tag werde ich nicht in Erinnerung behalten".

Die Luft scheint raus zu sein auf der Zielgeraden seiner Formel-1-Karriere – aus sportlicher Sicht. Verbal ist Vettel allerdings immer noch in Topform.

Vettel-Forderung: Mit den Überflügen aufhören

Vor allem dann, wenn es um seine Lieblingsthemen wie Umwelt und Nachhaltigkeit geht. Dann braucht Vettel nur ein Stichwort, und er legt los. Diesmal war es die Frage, ob der Italien-GP erhalten bleiben sollte. "Ja, das hoffe ich", sagte er, "und ich hoffe, dass sie mit den Überflügen aufhören." Überflügen? Vettel meinte die Flugshow der "Frecce Tricolori", der Kunstflugstaffel der italienischen Luftwaffe.

Was in der Vergangenheit oft zum Bild eines Formel-1-Rennens gehörte, sollte 2022 genau das tun: der Vergangenheit angehören. Die Verantwortlichen der Königsklasse hatten angekündigt, dass die Shows nicht mehr stattfinden sollen. Doch offenbar hält sich nicht jeder Veranstalter an diese Vorgabe.

Vettel bringt das auf die Palme. Dabei nahm er sich sogar den italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella vor, der in Monza vor Ort war und schoss bei seinen Ausführungen über das Ziel hinaus. "Ich habe gehört, dass der Präsident – wer auch immer der Präsident war, ich weiß nicht, war es der Präsident von Italien? Er bestand darauf, den Überflug zu machen. Er ist ungefähr 100 Jahre alt, also ist es schwierig für ihn, diese Art von Ego-Dingen loszulassen", sagte Vettel in Monza in einer Medienrunde.

Kritik am italienischen Staatspräsidenten

Für Vettel ist diese Show ein Unding, vor allem, weil sich die Formel 1 dem Ziel verschrieben hat, bis 2030 CO2-neutral zu werden und immer wieder betont, nachhaltiger werden zu wollen. "Uns wurde versprochen, dass die Überflüge aufhören", betonte Vettel. "Und es scheint, dass der Präsident einfach seine Meinung ändern muss und die Formel 1 nachgibt, trotz der Schilder an der Strecke, die von bestimmten Zielen sprechen, wenn es darum geht, die Welt zu verbessern." Auf diesen Schildern wird mit Nachhaltigkeit, Kohlenstoff-Neutralität und sauberen Hybridmotoren geworben.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Formel 1 von Vettel ihr Fett wegbekommt. Auch jetzt nimmt er kein Blatt vor den Mund. "Wenn man ein Ziel hat, sollte man es nicht so machen wie alle anderen Länder und einfach die Tatsache ignorieren, dass man es nicht erreichen wird. Man sollte sich an die Welt halten, die man sich vornimmt", sagte Vettel. Die Kritik auf die Kritik ließ allerdings nicht lange auf sich warten.

Präsident des Automobilclubs Mailand: Vettel soll sich entschuldigen

Geronimo La Russa, der Präsident des Automobilclubs Mailand, bezeichnete Vettels Aussagen gegen den – tatsächlich 81 Jahre alten - Präsidenten in der Gazzetta dello Sport als "hässlichen Stilbruch", er betonte, die Flieger hätten 25 Prozent Biokraftstoff an Bord gehabt, "ein wichtiges Experiment auch für die zivile Luftfahrt", so La Russa, "und ein italienischer Stolz". Es sei schade, dass ein Weltmeister, der seinen ersten GP in Monza gewonnen habe, in eine ebenso nutzlose wie fadenscheinige Kontroverse abgerutscht sei, sagte La Russa: "Es bleibt ihm nur noch, sich bei Präsident Mattarella und allen Italienern zu entschuldigen".

Ob Vettel das tun wird, ist offen. Fest steht: Er würde auch gerne auf der Strecke endlich mal wieder Gas geben und nicht nur verbal. Vielleicht ja Anfang Oktober in Singapur? Dort feierte er 2019 seinen letzten Sieg in der Formel 1. "Wir waren jetzt lange nicht mehr da und die Strecke liegt mir", sagt Vettel. "Ich denke, schlechter als hier kann es nicht werden." Die Hoffnung, sie stirbt bekanntlich zuletzt.

Verwendete Quellen:

  • Gazzetta.it: Vettel attacca Mattarella sulle Frecce Tricolori a Monza: "Non coglie le esigenze ecologiste"
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