Nach einem nie gefährdeten Derbysieg gegen einen harmlosen FC Schalke 04 stellt sich die Frage, was Borussia Dortmund aus diesem Erfolgserlebnis mitnehmen kann.

Christopher Giogios
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Christopher Giogios dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Derby ohne Derbyatmosphäre

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Der 5. Spieltag hielt für den BVB bereits das zweite Corona-Derby ohne Zuschauer gegen den FC Schalke 04 bereit. Korrigiere: 299 Schwarz-Gelbe und ein verirrter Schalker Anhänger (der nach 60 Minuten das Stadion verließ) durften sich dann doch auf den Rängen einfinden.

Trotz sporadischer Anfeuerungsversuche lässt sich nicht von Derbyatmosphäre sprechen. Böse Zungen behaupten, dass das eher den Borussen zu Gute kam, hat man doch in der Vergangenheit häufig schlecht gegen Schalker Mannschaften ausgesehen, die über Kampf, körperbetontes Spiel und eben die Unterstützung von den Tribünen den Qualitätsunterschied zunichte machen konnten.

Ein Spiel auf Augenhöhe? Fehlanzeige

So lief am Samstagabend aus Dortmunder Sicht aber alles nach Plan: Zwar gingen die Schalker durchaus grob zu Werke, allerdings konnten sie nicht verhindern, dass der BVB fußballerisch auf allen Ebenen die dominierende Mannschaft war und einen ungefährdeten 3:0-Sieg einfahren konnte.

Schon in der ersten Hälfte ließen die Borussen dem Rivalen kaum Luft zum Atmen, eine wirkliche Torchance für die Blau-Weißen auszumachen fällt rückblickend schwer. Stattdessen ließ der BVB offensiv den Ball (und Schalke hinter ihm her) laufen, sodass es nur eine Frage der Zeit war, bis es in der zweiten Hälfte im Kasten klingelte.

Die Dortmunder Verteidiger, die defensiv ohnehin nicht übermäßig beansprucht wurden, machten sich stattdessen im Angriff nützlich: so trugen sich Manuel Akanji (55.) und Mats Hummels (78.) neben Erling Haaland (61.) in die Torschützenliste ein

Vor allem für Akanji konnte man sich wirklich freuen - der Schweizer scheint seit längerem seiner Bestform hinterherzulaufen und fiel kürzlich zu allem Überfluss auch noch wegen eines positiven Corona-Tests aus. So wurde das zweite sehr einseitige Derby in diesem Kalenderjahr folgerichtig pünktlich nach 90 Minuten abgepfiffen.

Dortmunder Problemzonen werden überdeckt

Der Sieg schmeckt aus zwei Gründen aber nicht so süß wie unter anderen Umständen. Erstens: Ohne Fans auf den Rängen verliert ein Derby einfach massiv an Reiz. Zweitens: Schalke ist derzeit sportlich schlicht kein Gegner auf Augenhöhe.

Dennoch geraten die bekannten Reizthemen vorerst ein wenig in den Hintergrund. Vor der Begegnung wurden Sportdirektor Michael Zorc und Trainer Lucien Favre zum wiederholten Male auf die eigenartige Torwartsituation beim BVB angesprochen. So ganz durchdringen kann man momentan nicht, ob Roman Bürki nur verletzungsbedingt eine längere Pause gewährt wurde. Möglicherweise kann sich Marwin Hitz als eigentlicher Ersatztorhüter zukünftig Hoffnungen auf weitere Einsätze machen.

Auch die bekannte Frage nach der Dreier- oder Viererkette wurde wieder aktuell, als Favre seine Abwehr seit langem mal wieder in seiner bevorzugten Vierer-Formation (bestehend aus Thomas Meunier, Manuel Akanji, Mats Hummels und Raphaël Gueirrero) auf den Platz schickte. Gegen eine offensiv nicht existente Schalker Mannschaft war das rückblickend wohl eine gute Gelegenheit, um dieses System unter Wettkampfbedingungen wieder einzuführen. Ob man der Mannschaft zutraut, auch gegen beschlagene Teams in dieser Variante zu verteidigen, bleibt abzuwarten.

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Die wirklichen sportlichen Herausforderungen stehen noch bevor

Auch bleibt die alte Frage nach der Dortmunder Gewinnermentalität vorerst offen. Die Partie bei Lazio Rom, als man chancenlos 1:3 unterging, ist trotz Derbysieg noch in allen Köpfen. So sehr die Spieler am Samstag verstanden hatten, dass sie Wiedergutmachung zu leisten hatten – die bekannten Zweifel an der Dortmunder Mentalität in großen Spielen bestehen weiterhin.

Die Mannschaft ist immer noch den Beweis schuldig, ob sie auch ohne qualitative Überlegenheit bestehen kann. Die Spielfreude und der ein oder andere sehenswerte Hackentrick der Youngster beim Stand von 3:0 sind schön und gut, gegen erfahrene und clevere Gegner braucht es aber ganz andere Qualitäten.

Schon sehr bald wird es genügend Gelegenheiten geben, um diesen Beweis zu erbringen: in den nächsten zwei Wochen geht es in der Champions League gegen Zenit St. Petersburg und den FC Brügge. Dann kommt es zum ultimativen Härtetest: am 7. November steht das Duell gegen den FC Bayern München an.

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