An diesem BVB scheiden sich die Geister: In Unterzahl zeigt Edin Terzic' Mannschaft, dass sie mehr als mithalten kann - wenn sie nur will und darf. Auf der anderen Seite steht eine miserable Bilanz, die Sorge bereitet.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Was überwiegt denn nun nach so einem Spiel: Der Frust über eine erneute Niederlage, dazu noch gegen einen direkten Kontrahenten im Kampf um die Champions-League-Plätze? Oder der zumindest kleine Wohlgefallen an einer in allen Bereichen verbesserten Leistung?

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Weder die Verantwortlichen von Borussia Dortmund noch ihre Fans konnten sich nach dem 2:3 gegen RB Leipzig auf ein einhelliges Urteil einlassen. Der BVB mäandert weiter durch die Saison. Das Topspiel gegen Leipzig bot dabei alle Facetten der Dortmunder Leistungsskala, von ganz schwach bis überzeugend.

Zarte Malaga-Vibes

Die Reaktion auf das sportliche Desaster von Stuttgart im Achtelfinale des DFB-Pokals fiel in einigen Disziplinen des Spiels sehr gut aus. Jedenfalls mussten sich die Borussen nach der Partie nicht den Vorwurf gefallen lassen, zu wenig gearbeitet, gerannt und gekämpft zu haben. Der Dortmunder Widerstand in der fast 90-minütigen Unterzahl war enorm, die Chance auf ein Comeback in den letzten Sequenzen des Spiels groß.

Ein bisschen verströmte der BVB in den Schlussakkorden ein paar Malaga-Vibes: Nach dem dritten Gegentreffer leerten sich die Reihen im Stadion rapide, ein paar Momente später drängelten jene Fans plötzlich wieder zurück in den Signal Iduna Park. Die Südtribüne peitschte die Mannschaft nach vorne, der Gegner wackelte, und die Borussia war drauf und dran, ein ähnliches Wunder zu vollführen wie vor elf Jahren.

Die Mannschaft hatte zwei sehr starke Phasen, jeweils zum Ende beider Halbzeiten. Als das Unterfangen aussichtslos schien, als gegen Spielende die Risikobereitschaft alle Fesseln löste, der Verzweiflungsfußball beinahe noch zum guten Ende führte und alle taktischen Vorgaben aufgelöst waren.

Die Dortmunder Moral war gegen Leipzig völlig intakt. Und auch der Dortmunder Fußball war zumindest dergestalt, dass man auch spielerisch bisweilen auf Augenhöhe war mit dem Gegner. Allerdings, und das ist die Kehrseite: Leipzig war selbst ein gutes Stück entfernt vom eigenen Maximum. Und der BVB hat das Spiel am Ende verloren.

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Gefahr des Selbstbetrugs

Und so bleiben außer ein paar netten Worten nach dem Abpfiff und einer kleinen Versöhnung mit den Fans die massiven Probleme weiter bestehen. Wieder einmal zeigte die Mannschaft in Phasen der Partie jenes schlampige Passspiel, das immer wieder zu brenzligen Situationen führt oder vielversprechende Angriffe zerstört. Offenbarten einige Spieler teilweise eklatante technische Mängel, die gegen einen aggressiven und wachen Gegner sofort ins Gewicht fallen.

Davon war in den eher positiv gestimmten Analysen der Verantwortlichen nach der Partie allerdings wenig zu hören, vielmehr stellten Trainer Edin Terzic und Sportchef Sebastian Kehl die positiven Aspekte heraus und verwiesen quasi unisono auf Mats Hummels‘ Platzverweis als Knackpunkt. Diese Einschätzung ist bestimmt nicht falsch, sie wurde im Nachgang aber eine Spur zu prominent als alleinige Ausrede platziert.

In den letzten Wochen waren ähnliche Einschätzungen schon zu oft zu hören. Die Gefahr, sich selbst in die Tasche zu lügen, hat sich seit Hans-Joachim Watzkes Spitze gegen "die Medien" jedenfalls potenziert - und auch das Leipzig-Spiel hat sie nicht gebannt.

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Weiter viele Probleme beim BVB

Der BVB ist mittlerweile exakt wieder dort angekommen, wo er vor einem Jahr schon stand. Nach 14 Spieltagen stehen wie in der abgelaufenen Saison 25 Punkte und ein Platz außerhalb der Champions-League-Ränge. Nur ist die Tabellenspitze dieses Mal so weit enteilt, dass eine erneute Aufholjagd wie im Frühjahr undenkbar erscheint.

Elf Punkte fehlen auf Tabellenführer Bayer Leverkusen, vor einem Jahr waren es "nur" sechs auf die Bayern. Das aktuelle Torverhältnis von 28:23 deutet ein veritables Defensivproblem an - trotz der zuletzt teilweise massiv defensiven Ausrichtung der Mannschaft. Gegen die vier vor dem BVB platzierten Mannschaften hat Terzic' Team einen einzigen Zähler eingefahren bei einem Torverhältnis von 4:10.

Die Doppel-Belastung hinterlässt Spuren

Und wo sich im Herbst noch zwei komplette Mannschaften auf dem Trainingsgelände tummelten, dünnt der Kader nun in den letzten Zügen der Hinserie schon wieder bedenklich aus. Der eng getaktete Spielplan fordert seine Opfer, der BVB wird sich "auf der letzten Rille", wie zuletzt immer wieder zu hören war, ins Ziel schleppen müssen.

Die schwankenden Leistungen der Mannschaft werden bis zur Winterpause wohl kaum mehr zu lösen sein, der nötige Gegenschub in den Spielen gegen tief stehende Gegner wie Augsburg und Mainz in den letzten Ligaspielen nicht zu leicht zu vollführen. Dann muss der BVB wieder selbst das Spiel machen, rennen, kämpfen, gegenhalten dürften da nicht reichen. Aktuell ist nicht ganz klar, ob die Mannschaft dazu in der Lage sein wird.

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