Bei seiner Vorstellung als BVB-Coach kultivierte Niko Kovac förmlich sein eigenes Image. Mit einem klaren Fokus auf die Grundtugenden des Fußballs will der 53-Jährige die Borussia wieder nach oben führen - allein damit dürfte es bei dieser Mannschaft aber nicht getan sein.
Bei der Vorstellung von Borussia Dortmunds neuem Trainer Niko Kovac am Dienstagnachmittag fiel ein Begriff bemerkenswert oft: "Selbstvertrauen" brauche diese, seine Mannschaft jetzt, betonte
Viele Dinge im Fußball würden schließlich im Kopf entschieden. Und nun, in der Kürze der Zeit, bliebe kaum eine andere Wahl, als über viele Gespräche und dann möglichst viele Siege das Selbstvertrauen jedes einzelnen Spielers wiederaufzubauen.
Das war eine von Kovac' Kernthesen, der offiziell seit Sonntag Cheftrainer von Borussia Dortmund ist und nun seine erste komplette Trainingswoche mit seiner neuen Mannschaft absolvieren wird. Dabei könnte es für den einen oder anderen Spieler ein wenig ungewohnt werden, wenn Kovac seinen Worten Taten folgen lassen wird.
"Disziplin, Ordnung, Leidenschaft, Aggressivität, Intensität", zählte Kovac bei seiner Vorstellung die grundlegenden Tugenden auf, die fortan im Mittelpunkt stehen sollen. Denn: "Nur wer arbeitet, kann auch etwas kriegen! Ich fordere von jedem Einzelnen Hingabe und Leidenschaft!"
Harter Hund versus Wohlfühloase
Niko Kovac, 53, eilt in der Bundesliga nach diversen Stationen der Ruf voraus, ein "harter Hund" zu sein, der Wert auf eine hohe Arbeitsmoral und eine gewisse Strenge legt. Alles im Rahmen, seiner Ansicht nach, und vor allen Dingen das tägliche Brot seines Fußballprofis.
"Wer mit wenig zufrieden ist, für den ist alles, was ich anders mache, zu viel. Für die anderen ist das relativ überschaubar", sagte Kovac und relativierte - zumindest aus seiner Sicht - damit ein wenig sein eigenes Image. Er fordere lediglich die Grundtugenden ein. In der gerne als Wohlfühloase deklarierten Dortmunder Mannschaft könnte das aber durchaus zu einem kleinen Kulturschock für den einen oder anderen Spieler werden.
Diese durchaus begabte Mannschaft hat in den letzten Wochen und Monaten jedenfalls nicht in jedem Detail das abgerufen, was der Neue als Basis definiert. Schlampige Genies tummeln sich im Kader und Spieler mit weniger Widerstandskraft, als es einer selbsterklärten Nummer zwei des deutschen Fußballs zuträglich wäre.
Probleme gelöst oder doch nur kaschiert?
Einige Probleme der Mannschaft konnte Übergangslösung Mike Tullberg zuletzt einigermaßen kaschieren, der besonders leidenschaftliche Däne gab zumindest verbal eine harte Linie vor, ließ seine Mannschaft laufen und kämpfen und zur Not, wie zuletzt in Heidenheim, auch kratzen und beißen. So ein bisschen kündigte sich da die Rückkehr des viel zitierten Malocher-Fußballs an und es scheint fast so, als wolle Kovac mit seinen Ideen nahtlos an die kurze Tullberg-Phase anknüpfen.
Die war nach nur zwei Siegen aus den zehn Spielen davor unter Ex-Trainer
Insofern scheint der BVB mit einem neuen Trainer und dem Rückenwind einer kleinen Erfolgsserie gut gewappnet für den Rest der Saison. Die ist nämlich - trotz des Abrutschens in der Liga auf Rang elf und dem frühen Aus im DFB-Pokal - für alle Beteiligten noch lange nicht zu Ende.
Geschäftsführer Lars Ricken und Sportdirektor Sebastian Kehl flankierten Kovac bei seiner Antrittsrede und wurden nicht müde zu betonen, dass der BVB in dieser Spielzeit noch einiges gewinnen kann. Konkret lauten die Saisonziele nun: Platz vier in der Liga zu erobern und in der Königsklasse im günstigsten Fall besser abzuschneiden als vergangene Saison.
Eine "Mammutaufgabe" nannte Ricken die Aufholjagd in der Liga und selbiges dürfte auch für die Champions League gelten, immerhin schaffte es der BVB im letzten Juni ja bis ins Finale von London.
Ricken glaubt an die "Aufholjagd"
So ganz abwegig ist das Unternehmen speziell in der Bundesliga aber gar nicht. Natürlich müsste die Borussia noch sieben andere Klubs überholen, der Rückstand auf Rang vier und RB Leipzig beträgt allerdings auch nur vier Punkte. In 14 noch ausstehenden Spielen ist da noch alles drin. "Wir haben einen tiefen Glauben und die Überzeugung, unsere Aufholjagd fortzusetzen", sagte Ricken deshalb, was auch als klarer Auftrag an Kovac gedeutet werden kann.
Der hat den kleinen Nachteil, dass seine Vorgänger die direkte Qualifikation fürs Achtelfinale der Champions League verpasst hatten und nun die doppelte Zusatzschicht mit zwei Spielen gegen Sporting ins Haus steht. Kovac startet seine Mission mit zwei englischen Wochen und fünf Spielen in 14 Tagen.
Das ist ungünstig, da die Mannschaft wohl noch ein bisschen mehr bräuchte als Selbstvertrauen, Disziplin, Ordnung, Leidenschaft, Aggressivität und Intensität. Nämlich einen klaren und umsetzbaren fußballerischen Plan.
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Sahin versuchte sich daran ein halbes Jahr lang vergeblich, mehr als Versatzstücke waren der Mannschaft offenbar nicht zu vermitteln. Kovac' eigentliche Aufgabe wird es mittelfristig sein, der Truppe das handwerkliche Rüstzeug über die Grundtugenden hinaus an die Hand zu geben, die besten Rollen für einzelne Spieler zu finden und mehr aus der Mannschaft herauszukitzeln als ihre individuelle Qualität.
Das war das eigentliche Problem der kurzen Sahin-Zeit, der oft zitierte Prozess stockte immer wieder und kam am Ende fast vollends zum Erliegen. Nur mit Kämpfer-Fußball und der guten Hoffnung auf genug Selbstvertrauen für jeden Einzelnen wird die Aufholjagd nicht zum Erfolg führen. Dafür braucht es schon auch eine gute Portion Fußball. Besonders viel Zeit bleibt Niko Kovac dafür nicht.
Verwendete Quellen
- youtube.com: Vorstellung von Niko Kovac
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