Borussia Dortmund mauert sich in Leverkusen zum Remis, der Trainer schlüpft dabei gleich doppelt in die Mourinho-Rolle. Der Zweck heiligt beim BVB derzeit die Mittel – aber zu welchem Preis?

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Man hat Edin Terzic selten so reden hören wie am Sonntagabend in der BayArena in Leverkusen. Borussia Dortmunds Trainer wählte im Nachgang des Remis seiner Mannschaft gegen Spitzenreiter Bayer 04 die Abteilung Attacke, redete sich ordentlich in Rage.

Terzic fühlte sich vom Schiedsrichter benachteiligt und erkannte dabei sogar ein Muster bei Entscheidungen, die seinen Spieler Karim Adeyemi konsequent benachteiligen würden. Terzic ging sogar kurz in den verbalen Infight mit "Dazn"-Experte Michael Ballack, der einen etwas anderen Blick auf ein, zwei Spielszenen hatte.

Es war ein ziemlich ungewöhnlicher Auftritt von Terzic, den man in der Form und Schärfe so gar nicht kennt vom ansonsten sehr aufgeräumten und eloquenten Dortmunder Trainer. Der aber in gewisser Weise auch zu dem passte, wie Terzic seine Mannschaft im Spitzenspiel beim Tabellenführer ins Rennen geschickt hatte.

Lehrstück in Sachen Pragmatismus

Borussia Dortmunds Plan war es, der spielstärksten Mannschaft der Liga die Tiefe in deren Spiel zu nehmen, indem sich der BVB teilweise tief in der eigenen Spielhälfte und mit einer Sechser- und einer Dreierkette davor am eigenen Strafraum verschanzte.

Zwar wollte die Borussia auch "unsere eigenen Stärken im Ballbesitz auf den Platz bekommen. Damit sie auch mal verteidigen, auch mal hinterherlaufen müssen, auch mal Körner lassen müssen", wie Terzic vor dem Spiel bei "Dazn" noch erklärte. Davon war aber über weite Strecken der Partie rein gar nichts zu sehen.

Nun ist es müßig darüber zu spekulieren, wie sehr der frühe Führungstreffer der Borussia mit dem einzigen vernünftigen Angriff der ersten Halbzeit diesen Plan noch befeuerte. Der ultra-defensive Dortmunder Ansatz war ein Lehrstück in Sachen Pragmatismus einer Mannschaft, die sich fußballerisch dem Gegner klar unterlegen wähnte und auch aufgrund der angespannten Personalsituation kaum eine andere Lösung für sich definieren konnte, als so tief und zentrumskompakt wie möglich zu verteidigen.

Parallelen zu Mourinho

Manch einer mochte sich an große Spiele von Mourinho-Mannschaften erinnert gefühlt haben. Dazu passte dann auch der Furor des Trainers nach dem Spiel gegen die Leistung des Schiedsrichters – und wie Terzic von der Analyse des eigentlichen Spiels ablenkte. Für den BVB, der auch das zweite schwere Auswärtsspiel in Folge zumindest teilweise erfolgreich bestreiten und gegen das Team der Stunde in der Bundesliga einen Punkt einfahren konnte, war das aber für dieses eine Spiel ein recht griffiger Ansatz.

Dortmund beraubte die Gastgeber einer ihrer größten Qualitäten, kaum einmal kam Bayer in den Rücken der gegnerischen Abwehr. Und im Gegenzug schaffte es Terzic so, auch passende Rollen für seine wichtigsten Defensivspieler im Zentrum zu finden: Für Emre Can, der immer wieder Leverkusens Spielmacher Florian Wirtz verfolgte, oder Mats Hummels, der wie schon in Mailand in einem tiefen Block seine immer noch herausragenden Fähigkeiten im Herausrücken und in der Endverteidigung demonstrieren konnte.

Was die Partie in Leverkusen, wie auch schon jene gegen die anderen Spitzenteams aus München und Stuttgart, ebenfalls zeigte: Der BVB ist derzeit ein großes Stück davon entfernt, offensiv ähnlich flüssig und einem klaren Plan folgend Fußball zu spielen.

Es zählen nur die Ergebnisse

Eine gewisse Unterlegenheit war in Terzic‘ Plan eingepreist und es war in der Torverteidigung ja auch ein klarer Fortschritt zu erkennen gegenüber den Spielen gegen die Bayern und den VfB, in denen der Gegner problemlos auch fünf oder sechs Tore hätte erzielen können. Leverkusen dagegen hatte nur wenige wirklich klare Torchancen - aber eben auch fast 90 Minuten lang die Kontrolle.

Der BVB hatte gleich am Anfang Julian Ryersons Tor und in der Nachspielzeit noch eine sehr gute Chance von Niclas Füllkrug - und dazwischen bis auf die vermeintliche Elfmeterszene mit Adeyemi nichts. Die Zahlen belegen die drückende Überlegenheit der Gastgeber und Dortmunds offensive Verlegenheit: 23 zu sechs Torschüsse, 16 zu eins Ecken, 31 zu sechs Flanken, mehr als doppelt so viele gespielte Pässe und 68 Prozent Ballbesitz sind für Leverkusen notiert.

In dieser krassen Ausprägung sicherlich eine einmalige Sache, aber die Tendenz ist nach drei Spielen gegen Mannschaften auf oder über Augenhöhe doch deutlich erkennbar. In der aktuellen Lage, mit vielen schweren Spielen in kurzer Folge, bei immer noch zehn Punkten Rückstand auf die Spitze und der realen Gefahr, einen Champions-League-Platz zu verpassen, regiert das Diktat des Ergebnisfußballs.

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Weit entfernt vom Markenkern

Die Mannschaft hat sich selbst in diese Lage manövriert, ihr Trainer wählt nun den nüchternsten aller Ansätze. Das ist legitim, für die Zukunft aber womöglich nicht ausreichend. Die Borussia kann nicht immer davon ausgehen, (früh) das erste Tor des Spiels selbst zu erzielen. Vielleicht gibt auch der Kader aktuell nicht mehr her. Dass sich die Mannschaft in ihrem Spielstil aber so weit von ihrem eigentlichen Markenkern entfernt, ist zumindest bemerkenswert.

Umso spannender wird es zu beobachten sein, welchen Ansatz Terzic im nächsten Spiel wählt. Schon am Mittwoch treffen sich Stuttgarter und Dortmunder wieder, dann wird es im DFB-Pokal-Achtelfinale einen Sieger geben müssen. Es ist mit einer eher defensiven Dortmunder Ausrichtung zu rechnen gegen eine Mannschaft, die derzeit schlicht den deutlich besseren Fußball spielt. Es muss deshalb aber nicht jedes Mal der Mourinho-Catenaccio sein.

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