Schiedsrichter Sascha Stegemann gibt öffentlich seinen schweren Fehler beim Spiel der Dortmunder in Bochum zu, erhält dennoch Drohungen. Er stellt Strafanzeige. Der BVB verurteilt die Anfeindungen.
Nach seinem womöglich spielentscheidenden Fehler beim Bundesligaspiel zwischen dem VfL Bochum und Borussia Dortmund hat Fußball-Schiedsrichter Sascha Stegemann ernstzunehmende Drohungen erhalten. Ihm und seiner Familie sei "sehr konkret gedroht" worden, sagte der 38-Jährige am Sonntag im Sport1-Doppelpass, "dass ich mich leider dazu veranlasst gesehen habe, entsprechend Strafantrag zu stellen und jetzt auch zeitliche Schutzmaßnahmen im Raum stehen".
Borussia Dortmund distanzierte sich am Sonntag von ausfallenden Kommentaren. "Anfeindungen jeder Art, Verunglimpfungen oder Drohungen, sei es persönlich oder anonym über Social-Media-Kanäle, können wir - aller Enttäuschung zum Trotz - aber nicht einmal im Ansatz tolerieren", ließ BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke auf der Vereins-Internetseite verlauten.
Stegemann wolle nun "die Dinge sacken lassen" und sich "Gedanken dazu machen, ob eine Pause Sinn macht oder ob es nicht sogar besser ist, sofort weiterzumachen".
"Es kann nicht sein, dass ein Schiedsrichter und die Familie Morddrohungen bekommen und die Polizei diese ernst nehmen", sagte der Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle vom VfB Stuttgart: "Das ist einfach ein No-Go! Die Verhältnismäßigkeit passt da nicht mehr."
Stegemann fühlt sich "beschissen"
Am Samstag hatte Sascha Stegemann geknickt seinen Fehler eingestanden. Doch die entscheidende Frage blieb unbeantwortet: Was machte eigentlich der Kölner Keller, als ein ausbleibender Pfiff die Entscheidung um die deutsche Meisterschaft beeinflusste?
"Beschissen" fühlte sich der unfreiwillige Hauptdarsteller, als er nach dem 1:1 (1:1) des BVB im kleinen Revierderby beim Abstiegskandidaten VfL Bochum und einer "kurzen Nacht" einen regelrechten Medienmarathon absolvierte. Nach dem Foul von Danilo Soares an
Adeyemi habe Kontakt und Elfmeter "gesucht"
BVB-Stürmer Adeyemi habe aus seiner Sicht den Kontakt und den Elfmeter "gesucht", erklärte er bei WDR2, "deswegen habe ich auf den Strafstoßpfiff verzichtet". Der Videoassistent Robert Hartmann sei "zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich nicht um eine klare und offensichtliche Fehlentscheidung handelt", sagte Stegemann. Deshalb sei er nicht aufgefordert worden, sich die Szene noch einmal auf dem Monitor anzusehen. "Es wäre besser gewesen, noch mal einen Blick zu nehmen", gab er zu.
Genau das hatte BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl bei seinem Besuch in der Schiedsrichterkabine und nachher vor Journalisten in den Katakomben des Ruhrstadions gefordert. "Der Videoschiedsrichter muss sagen, es ist diskutabel, und dann muss er rausgehen und es sich anschauen", sagte der Ex-Nationalspieler, der seine Kritik ruhig und sachlich begann und dann demonstrativ die Lautstärke hochdrehte. Nicht auf den Videobeweis zurückzugreifen, sei "absolut fahrlässig, feige und komplett falsch". Sein Fazit: "Heute ist es nicht mit rechten Dingen zugegangen."
DFB sieht Stegemann in der Verantwortung
Die Sportliche Leitung der DFB-Schiedsrichter schob am Samstag aber Stegemann und nicht Hartmann den Schwarzen Peter zu. "Die Erwartungshaltung muss bleiben, dass solche Vorgänge vom Schiedsrichter auf dem Platz richtig entschieden werden, ohne dass eine Unterstützung durch den Video-Assistenten notwendig wird", hieß es in einer Presseerklärung. Und auch Stegemann selbst übernahm diese Wortwahl. Pikant: Vor einem halben Jahr hatte der Schiedsrichter aus Niederkassel einen Elfmeter gegen Dortmund nach einem Foul von Adeyemi nicht gepfiffen und ebenfalls nicht auf die Videobilder geschaut - der BVB siegte damals in Frankfurt 2:1.
Bei allen hitzigen Diskussionen um Stegemann und dessen Fehler - die Dortmunder hatten noch zwei weitere gesehen - ging am Freitagabend in Bochum weitgehend unter, dass der BVB nach dem frühen 0:1 durch Anthony Losilla (5.) und dem Ausgleich durch Adeyemi (7.) Chancenwucher betrieb.
Nach dem sechsten Pflichtspiel in Folge auswärts ohne Sieg - nach dem 2:2 bei Schalke 04 und dem 3:3 beim VfB Stuttgart zum dritten Mal bei einem Abstiegskandidaten - machte Dortmund die unverhoffte Gelegenheit auf den ersten Meistertitel seit elf Jahren womöglich selbst schon wieder zunichte. "Es ist für uns eine einmalige Chance", klagte Trainer Edin Terzic, "es ist vielleicht für mich eine einmalige Chance in meinem Leben, so nah an die Meisterschale zu kommen." (dpa/sid/lko)
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