Hansi Flicks öffentliche Kritik an Niklas Süle zieht weite Kreise. Dahinter steckt jede Menge Kalkül des Bundestrainers.

Mehr News zu Borussia Dortmund

Heute Abend bestreitet die deutsche Nationalmannschaft das 1000. Länderspiel ihrer Geschichte. Das ist eine historische Marke, mit dem extra dafür ausgesuchten Gegner Ukraine soll es ein kleines Fußballfest werden in Bremen. Ein Spektakel für die ganze Familie mit der sehr kinderfreundlichen Anstoßzeit um 18 Uhr.

Es wird ein in jeder Hinsicht besonderer Abend, den Niklas Süle aber nicht als Teil der Inszenierung vorsieht. Dortmunds Innenverteidiger, in der deutschen Nationalmannschaft eigentlich gesetzt, hat keine Einladung bekommen zu den drei letzten Testspielen der Saison gegen die Ukraine und wenige Tage später in Polen und gegen Kolumbien.

Das hat viele Beobachter dann doch überrascht; auch Süles Abwehrkollege Antonio Rüdiger verlieh auf einer Pressekonferenz vergangene Woche seiner "Verwunderung" Ausdruck, dass Süle dieses Mal nicht dabei sein darf.

Flick will Süle ein wenig kitzeln

Nun wäre das keine große Sache, hätte der verantwortliche Trainer nicht neulich in einem Interview ein paar Takte an den ausgebooteten Spieler gerichtet und damit eine Debatte angestoßen, die seither beständig ihre Kreise zieht.

"Für mich könnte Niki einer der besten Innenverteidiger sein, die es gibt. Sein Potenzial ist riesig", sagte Bundestrainer Hansi Flick laut dpa. "Aber ich finde, er lässt noch einiges liegen. Ich will, dass er von seiner Einstellung, von seiner Mentalität einen Schritt nach vorne macht."

Statt Süle, der bei den drei zuletzt unbefriedigend verlaufenen Turnieren der WM 2018 in Russland, der EM 2021 und zuletzt auch bei der WM in Katar als Stammkraft dabei war, hatte Flick Nachwuchshoffnung Malik Thiaw vom AC Milan nominiert. Auch zwischen den Zeilen hat er durchschimmern lassen, dass zumindest das letzte Großereignis auch für und wegen Süle nicht eben nach Wunsch verlaufen ist.

In Katar, wo Süle in allen drei Spielen bis zum Vorrunden-Aus in der Startelf stand, war Flick mit dem Abwehrspieler "zu 90 Prozent zufrieden. Aber die zehn Prozent, die fehlen, die machen es eben aus. Um die geht’s mir", sagte der Bundestrainer.

Flick muss den Druck erhöhen

Vor allem aber geht es Flick, der Süle schon zu seiner Zeit beim FC Bayern sehr erfolgreich trainierte, nun um eine andere - auch öffentliche - Ansprache an seine Spieler. Nach den Casting-Wochen im März, als der Bundestrainer bei den letzten Länderspielen viele neue Spieler ausprobiert hat, beginnt nun mit den drei Testspielen in Folge die EM-Saison.

Die Stimmung im Land und rund um die deutsche Nationalmannschaft ist noch sehr weit weg von dem, was in etwa einem Jahr los sein soll, wenn Deutschland die Europameisterschaft ausrichten darf und auf eine Wiederholung des märchenhaften Sommers von 2006 hofft.

Flick dürfte den Druck spätestens ab jetzt auch selbst deutlich spüren und leitet einiges davon an seine etablierten Spieler ab. Der Bundestrainer muss die Zügel nun deutlich anziehen, das Bewusstsein schärfen und vielleicht auch das eine oder andere Exempel statuieren: Mit seinen Nominierungen, entsprechenden Maßnahmen bei den Treffen der Nationalmannschaft oder eben dem einen oder anderen ganz bewusst gesetzten Interview. Jetzt hat es eben Niklas Süle getroffen.

Der dürfte aber Profi genug sein, die richtigen Schlüsse aus der öffentlich geäußerten Kritik zu ziehen. "Jetzt liegt es an Niklas, ganz klar", sagte DFB-Sportdirektor Rudi Völler laut dpa am Freitag und pflichtete natürlich seinem Bundestrainer bei. Die konzertierte Aktion zeigt ganz gut, worauf die Beteiligten abzielen: Die Europameisterschaft beginnt für die deutsche Nationalmannschaft im Grunde genau jetzt. Das muss ab sofort auch jedem Spieler klar sein.

Verwendete Quellen:

  • dpa
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.