Wenige Stunden nach der Demission von Dietmar Beiersdorfer in Hamburg setzt auch der VfL Wolfsburg seinen einst starken Mann vor die Tür. Warum knallt es so im Norden? Und was müssen beide Klubs jetzt schleunigst besser machen?
Im Bremer Weserstadion jubelte der Stadionsprecher vor einer Woche fast überschwänglich ins Mikrofon: "Werder ist die beste Mannschaft im Norden!"
Einige Fans jubelten. Und die wenigen, die das tatsächlich für eine tolle Nachricht hielten, mussten bei genauerer Betrachtung der Tabelle dann doch ein wenig schlucken.
Werder Bremen ist bester Nordklub, das ist richtig. Aber Werder ist auch eine Woche und einen Sieg in Berlin später immer noch nur Vierzehnter. Im Norden ist es nicht mehr weit her mit den großen Erfolgen, da freut man sich offenbar schon über einen Zwischenrang knapp oberhalb des Relegationsplatzes.
Die beiden "abgeschlagenen" Klubs aus Wolfsburg und Hamburg haben nun ihre höchsten Instanzen entlassen. Wenige Stunden nach der Demission von Dietmar Beiersdorfer beim HSV hat es in Wolfsburg Klaus Allofs erwischt. Der eine war Vorstandsvorsitzender und Sportdirektor in Personalunion, der andere Geschäftsführer Sport.
Das Beben in der Bundesliga hatte sich angedeutet, zu schlecht waren beide Klubs sportlich unterwegs und zu waghalsig waren einige Manöver der beiden Entscheider auf unterschiedlichen Ebenen.
Beiersdorfer hat in zweieinhalb Jahren Amtszeit vier Trainer verschlissen und erst vor einigen Wochen mit Markus Gisdol Nummer fünf einberufen. Dazu gab es noch einen geschassten Sportdirektor, einen zurückgetreten Pressesprecher und zwei Aufsichtsräte, die nicht mehr wollten oder durften.
Klaus Allofs machte nicht nur einen Fehler
In Wolfsburg stolperte Allofs seit der Vizemeisterschaft und dem Pokalsieg im Sommer 2015 in einige Fettnäpfe. In der unwürdigen Posse um Julian Draxler wurde er für seine rigorose Haltung erst gefeiert, im Laufe der erfolglosen Wochen aber immer mehr kritisiert.
Längst musste Allofs Trainer Dieter Hecking entlassen, die Abgas-Affäre des Mutterkonzerns Volkswagen deutete zudem massive Einschnitte im Etat an.
Dass er an U23-Trainer Valerien Ismael festhielt, obwohl der erkennbar kaum Bundesligaformat hat und mittlerweile mit vier Punkten aus sieben Spielen sogar noch schlechter abschneidet als Vorgänger Hecking, machte ihn angreifbar. Ebenso wie sein Verhältnis zu Berater Giacomo Petralito.
Im Herbst hatte das allmächtige VW-Vorstandsmitglied Francisco Garcia Sanz Allofs in der pikanten Angelegenheit mit dem Berater noch gestützt, Anfang November verkündete der VfL dann plötzlich, ab sofort nicht mehr mit Petralito zusammenarbeiten zu wollen.
In Wolfsburg steht ein Paradigmenwechsel an, weg vom Powershopper auf dem Transfermarkt und hin zum Klub, der verstärkt auf die Ausbildung und Integration eigener Talente bei den Profis setzt. Das wäre auf Dauer kostensparender. Aber offenbar war das nicht mehr mit Allofs zu bewerkstelligen, der sich schon in Bremen als guter Einkäufer in guten (Champions-League)-Zeiten erwiesen hat, beim alternativen Sparmodell dann aber auch einigermaßen ratlos erschien und flugs nach Wolfsburg wechselte.
Verbrannte Erde auch in Hamburg
Auch Beiersdorfer hat in Hamburg viel verbrannte Erde hinterlassen, die Nachfolger Heribert Bruchhagen erstmal aufräumen muss. Die dringlichste Aufgabe wird die Suche nach einem neuen Sportdirektor sein. Beiersdorfer hatte sich dazu nicht durchringen können und die Aufgabe selbst übernommen - und sich dabei deutlich übernommen, wie man im Nachhinein konstatieren muss.
"Eine seiner ersten Aufgaben wird es sein, einen Sportdirektor an Bord zu holen, der in enger Zusammenarbeit mit Gisdol die Mannschaft weiter voranbringt", formuliert es Aufsichtsratschef Karl Gernandt. Denn, so das ziemlich vernichtende Urteil des Chefaufpassers: "Die HSV Fußball AG hat leider nicht in genügendem Maße Erfolg und Stabilität im sportlichen Kerngeschäft entwickeln können."
Es bleiben andere Fragen: Was passiert mit Bernhard Peters, dem Geschäftsführer Sport und einer klar dem Beiersdorfer-Lager zuzuordnenden Person? Der ehemalige Hockey-Nationaltrainer hat seine Fürsprecher in den Gremien jedenfalls verloren.
Wer wird ab sofort den Klub bei den anstehenden Verhandlungen mit Spielern und Beratern nach außen vertreten? So lange kein Sportdirektor an Bord ist, dürfte diese Aufgabe an Bruchhagen hängen bleiben. Warum der beim notorisch klammen HSV kolportierte 1,8 Millionen Euro verdienen soll, wäre eine weitere gewichtige Frage.
Plötzlich sind Hamburg und Wolfsburg jedenfalls nicht nur in der Tabelle, sondern auch hinter den Kulissen Konkurrenten. Der zeitliche Ablauf wollte es so, dass beide gleichzeitig auf der Suche nach einem Sportdirektor sind. Die wenigen Kandidaten wird es freuen.
Wann sonst bieten sich so kurz vor Weihnachten zwei lukrative Möglichkeiten, wieder in den Bundesligakreislauf zu gelangen?
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