Nur ein Punkt hat gefehlt, und Trainer-Nobody Edin Terzic hätte aus Borussia Dortmund noch den Vizemeister gemacht. Terzic hat dem BVB mit dem Pokalsieg und dem letztlich souveränen Einzug in die Champions League die Saison gerettet. Trotzdem tritt der einstige Assistent Lucien Favres zurück ins zweite Glied. Um in Dortmund an der Seite Marco Roses zu arbeiten, schlug Terzic zuletzt ein Angebot von Eintracht Frankfurt aus. Für den BVB entsteht so eine Win-win-Situation.

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"Heute habe ich nur den Pokal in der Hand", antwortete ein glücklicher, aber müder Edin Terzic nach dem Pokalsieg in Berlin auf die wohl hundertste Frage nach seiner Zukunft bei Borussia Dortmund.

Vorausgegangen war eine Bemerkung seines Chefs, Hans-Joachim Watzke. Dieser bekräftigte die Absicht eines Verbleibs von Terzic, räumte aber gleichzeitig ein, dass man dem BVB-Trainer bei einem ausdrücklichen Wechselwunsch keine Steine in den Weg legen würde. Terzic habe alle Schlüssel selbst in der Hand.

Dabei mutet es fast merkwürdig an, dass eine eigentlich komfortable Situation zu solch großen Diskussionen führt. Fassen wir zusammen: Als Terzic die Mannschaft im Dezember übernahm, tat er dies ohne jegliche Erfahrung als Chefcoach im Profibereich. Bereits in dieser Zeit war der Name von Marco Rose deutlich im Umfeld der Borussia zu vernehmen, sodass die offizielle Bekanntgabe im Februar keine allzu große Überraschung mehr war.

Man sollte sich in Erinnerung rufen, dass der BVB seinerzeit von allen Seiten für die Verpflichtung beglückwünscht wurde, da man mit Rose einen der talentiertesten Trainer in Deutschland unter Vertrag nehmen konnte. Dass nach dem Ablauf der Saison 2020/2021 das Narrativ nun lautet, Dortmund habe mit der Verpflichtung einen Fehler begangen, ist natürlich mit dem restlichen Saisonverlauf zu erklären. Während Terzic in Dortmund den DFB-Pokal gewann, brach Gladbach völlig ein und verpasste sogar das internationale Geschäft.

Rose und/oder Terzic? Die Borussia hat ein Luxusproblem

Die Entscheidung für Rose deshalb als Fehlentscheidung zu bewerten, greift zu kurz und ist vor allem dem Eindruck der letzten Wochen geschuldet. Tatsächlich ist der BVB in einer beneidenswerten Position.

Mit Rose hat der Klub einen Trainer verpflichtet, der in Salzburg und am Niederrhein gezeigt hat, dass er auch auf internationalem Niveau erfolgreich coachen kann.

Schließlich zogen die Gladbacher unter Rose zum ersten Mal seit den glorreichen 1970er Jahren wieder in das Champions-League-Achtelfinale ein. RB Salzburgs Stärke unter Rose haben die Dortmunder am eigenen Leib auf dem europäischen Parkett erlebt: 2018 schieden die Schwarz-Gelben ohne wirkliche Chance in der Europa League gegen den österreichischen Red-Bull-Ableger aus.

Neben Ex-Nationalspieler Alexander Zickler und Taktik-Experte René Maric wird Terzic das Trainergespann komplettieren. Man möchte anhand der durchweg negativen Berichterstattung fragen: Wieso wird diese Konstellation nicht als großer Vorteil begriffen? Mit Rose und seinen Co-Trainern kommt ein taktisch versiertes und modernes Trio nach Dortmund. Und mit Terzic bleibt der Trainer, der aus einer Gruppe hochtalentierter Spieler eine Mannschaft formte, welche die BVB-Grundtugenden verkörpert.

Der Weg von Terzic führte immer zurück nach Dortmund

Es spricht also gar nichts dagegen, dass sich der Trainerstab gegenseitig bereichert. Rose kann auf die Fähigkeit Terzics als Motivator, Teambuilder und BVB-Intimus zurückgreifen (bereits unter Favre war Terzic derjenige, der mit den Spielern im engen Austausch war). Terzic wiederum kann sich von Rose den ein oder anderen taktischen Kniff abschauen.

Dieses Szenario ist alles andere als unrealistisch. Weder Rose und erst recht nicht Terzic sind in der Vergangenheit mit übermäßig großem Ego aufgefallen. Vor allem Terzic, der Cheftrainer bei Eintracht Frankfurt hätte werden können, aber nicht werden wollte, versicherte glaubhaft, dass er nicht zwingend Cheftrainer sein muss, um dem Verein zu helfen. Wem würde man das eher abnehmen als Terzic, der Dortmunder Pokalsiege einst in der Fankurve feierte?

Terzics Bindung an den BVB ist augenfällig. Bereits in der Vergangenheit hat er Angebote anderer Vereine angenommen, als er Co-Trainer von Slaven Bilic bei Besiktas Istanbul und West Ham United wurde. Am Ende führte ihn sein Weg aber stets zurück nach Dortmund.

Rose hingegen ist eher ein Trainer, dessen bisherige Stationen (zwei Jahre in Salzburg, zwei Jahre in Mönchengladbach) einem Karriereplan entsprechen. Man könnte in Zweifel ziehen, ob er ein jahrelanges Engagement in Dortmund beabsichtigt oder vielmehr der Sprung in eine ausländische Liga sein mittelfristiges Ziel ist. Das macht die Terzic-Situation eher einfacher: Selbst wenn dieser kurzfristig doch zu einem anderen Verein wechseln würde, wäre die Rückkehr zu seinem BVB auf kurz oder lang möglich.

Intern sind die Voraussetzungen folglich vielversprechend. Die mediale Berichterstattung und etwaige Unruhe im Umfeld wird der BVB hingegen nicht kontrollieren können. Klar ist: Wenn die Mannschaft eine schlechte Phase erleben sollte, werden mit Sicherheit Stimmen laut, die Terzic als Cheftrainer fordern. Die Harmonie innerhalb des Vereins wird massiv davon abhängen, wie man diese Nebengeräusche moderieren können wird.

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