Die DFL und die 36 Klubs der 1. und 2. Bundesliga hoffen auf eine Fortsetzung der Wettbewerbe trotz Coronakrise. Eine Entscheidung wird am Mittwoch, nach der Beratung der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten, erwartet. Was für und was gegen die Wiederaufnahme des Spielbetriebs spricht.

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Der deutsche Profifußball blickt gespannt auf diesen Mittwoch. Dann beraten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten erneut über mögliche Lockerungen in der Coronakrise.

Trotz der am Montag bekanntgewordenen zehn Corona-Fälle in den 36 Klubs der 1. und 2. Bundesliga erhoffen sich die Verantwortlichen eine positive Entscheidung für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs ohne Zuschauer. Aber es gibt weiterhin Gegner dieses Geisterspiel-Szenarios. Argumente haben beide Seiten:

Das spricht für eine Bundesliga-Fortsetzung

Existenzsicherung: Für die Vereine geht es um viel Geld. Wird die Saison abgebrochen, würden dem Vernehmen nach bis zu 750 Millionen Euro fehlen. Mehrere Klubs wären akut von der Insolvenz bedroht. Betroffen wären nicht nur die 25 bis 30 Profis pro Verein, sondern etliche weitere Mitarbeiter. Die DFL rechnete vor, dass durch den Fußball gut 56.000 Menschen beschäftigt sind. "Wir wollen keine Extrawurst, das ziemt sich auch nicht in diesen Zeiten. Aber wir sind ein Wirtschaftsunternehmen wie viele andere", sagte DFL-Chef Christian Seifert.

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Versuchskaninchen: Der Sportmediziner Fritz Sörgel sieht im Spielbetrieb die Chance, eine bislang so nicht mögliche Studie über das Coronavirus anfertigen zu können. "Macht man sich frei davon, dass da ein sportlicher Wettkampf stattfindet, erfüllen diese Geisterspiele im Ansatz die Kriterien für eine wissenschaftliche Studie", schrieb Sörgel im "Tagesspiegel". Nach dem Plan der DFL würden etwa 1.500 relativ junge Menschen in einem räumlich festgelegten Umfeld regelmäßig aufeinandertreffen. "Wo gibt es eine Studie, die an 18 Spielplätzen über das Land verstreut je 300 Beteiligte und ihr direktes Umfeld so genau untersucht?"

Krisenmanagement: Zwar sind auch hierzulande mehr als 160.000 Infektionen registriert worden. Es mangelt aber nicht an der medizinischen Versorgung, die Kapazität der Tests wird immer weiter erhöht. Deshalb könnte es sich der Staat einigen Experten zufolge leisten, die Fußball-Profis engmaschig zu kontrollieren. Die DFL betonte zudem: "Sollte es durch künftige Entwicklungen - zum Beispiel eine zweite Corona-Infektionswelle - tatsächlich Engpässe geben, wird die DFL die Versorgung der Bevölkerung selbstverständlich nicht beeinträchtigen."

Normalität: Die Zugkraft des Fußballs ist nicht zu unterschätzen. In Zeiten weltweit bedrohlicher Nachrichten könnte der Sport beruhigend wirken und ein Stück des Alltags wiederbringen - auch wenn die Bilder der Geisterspiele vielleicht skurril anmuten würden. Der Fußball, meinte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, könne "viel dazu beitragen, durch diese schwierige Zeit zu kommen".

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Coronakrise: Das spricht gegen die Wiederaufnahme

Infektionsgefahr: Der Fußball bleibt ein Vollkontaktsport. Trotz aller Vorbereitung und Hygiene-Vorgaben reicht ein Spieler oder ein Betreuer, der sich mit dem Virus infiziert, um den Spielbetrieb wieder zum Erliegen zu bringen. Am Montag meldete die DFL, dass in den 36 Klubs der 1. und 2. Liga im Rahmen der ersten Testreihe zehn Personen positiv auf das Virus getestet worden sind. Neben Spielern wurden auch der Trainerstab und Physiotherapeuten der Klubs untersucht. Insgesamt zehn von 1.724 Corona-Tests fielen positiv aus.

Spielersorgen: Nach den Infektionsfällen beim 1. FC Köln sprach Mittelfeldspieler Birger Verstraete offen über seine Sorgen. Die Gesundheit seiner Familie und seiner Freundin seien für ihn "von größter Bedeutung". Dies würden auch viele andere Profis so sehen. Kurz darauf rief der FC ihn zur Ordnung und relativierte seine Aussagen. Der Belgier dürfte aber nicht der einzige Profi sein, der sich Gedanken macht. Auch der Argentinier Sergio Agüero von Manchester City hatte sich skeptisch geäußert, was eine mögliche Fortsetzung der Saison in England angeht.

Krisensituation: Millionen Menschen in Deutschland leiden unter der Krise, entweder als direkt Betroffene, wirtschaftlich oder wegen des stark eingeschränkten Alltags. Zahlreiche Betriebe haben Kurzarbeit angemeldet. Da ist es schwer zu vermitteln, warum für die Fortsetzung der Bundesliga auch öffentlich derart gekämpft wird.

Fans: Für wen wird denn gespielt? Aus den Reihen der Fans gibt es Stimmen, dass die unbedingte Fortsetzung des Spielbetriebs überhaupt nicht im Vordergrund stehe. "Wir möchten nicht mehr über Symptome diskutieren, sondern endlich über die Krankheit und die Wege zur Gesundung des Fußballs sprechen", fordert die Organisation "Unsere Kurve". Es scheint nicht so, als würden Millionen Menschen auf den Neustart hinfiebern. (lh/dpa)

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