Niemand kann voraussagen, wie ernst Lars Windhorst sein Engagement bei Hertha BSC nimmt. Zu oft hat die Bundesliga Raubritter erlebt, die mit Getöse beim Klub ihres Herzens einmarschierten und mit geknickter Rose am Revers wieder wegschlichen.
Was man bisher weiß: 125 Mio. Euro steckt das frühere Wunderkind der deutschen Wirtschaft -
Der größte Deal der Bundesliga-Geschichte
Der Spiegel, der die Story gestern veröffentlicht hat, schreibt von einem der “größten Deals der Bundesliga-Geschichte”. Für dieses Urteil müsste man die strategischen Partnerschaften beim FC Bayern oder den Börsengang des BVB ignorieren.
Aber das ist auch nicht so wichtig. Fest steht jedenfalls: Die Finanzspritze des Investors wirkt bei der ergrauten Hertha wie eine Frischzellenkur. Plötzlich kann sich der Verein Spieler leisten, die vorher unerreichbar schienen, und eine attraktivere Spielweise ankündigen.
Hertha BSC soll ein "Big City Club" werden
Das Timing könnte nicht besser sein. Mit seinem ersten Aufstieg in die Bundesliga hat der Stadtrivale Union Berlin gerade eine Leidenschaft für den Fußball entwickelt, die Hertha BSC in ihrer überdimensionierten und kalten Stadionschüssel zu verlieren drohte. Investor Windhorst hält jetzt das Schlagwort “Big City Club” entgegen und verspricht damit Großes. Plakative Parolen aber provozieren naturgemäß Abwehrkräfte im eigenen Anhang, der die Gemengelage gerne etwas übersichtlicher gestaltet haben will.
Man könnte tatsächlich in die Versuchung geraten und die neue Allianz zwischen Verein und Geldgeber als erneute Wiederbelebung auf Zeit einstufen. Es ist ja nicht lange her, dass Hertha Geld von Heuschrecken wollte und nicht vom Fleck kam. So ein Hauptstadtverein ist halt verlockend für Leute mit Geld und gilt wie so viele andere Vereine, die nicht in der Provinz angesiedelt sind, als schlafender Riese. Man kann es auch nicht anders sagen: Hertha müsste ein nationales Anliegen sein.
Spanien, England, Frankreich und mit Abstrichen Italien haben bedeutende Fußballklubs in ihren Hauptstädten. Nur Deutschland nicht. Hertha blieb unter seinem umtriebigen Manager Michael Preetz wie unter dessen Vorgänger Dieter Hoeneß klein.
Hertha: Kapitalanlage statt Vereinsliebe
Was das neue Projekt mit Lars Windhorst von einem kläglichen wie bei 1860 München unterscheidet, sind zwei Dinge. Erstens: Die Hertha-Führung unter Präsident Gegenbauer geht sorgsam mit der 50+1-Regelung um, wonach der Verein immer die Mehrheit behauptet.
Man hätte in der Konstellation, wie sie Hertha aufweist, mehr als die Hälfte an der getrennten Profi-Abteilung verhökern können und dürfen. Das aber hätte ohne Not einen empfindlichen Nerv in der ohnehin gestressten Anhängerschaft getroffen. Zweitens beweist Hertha damit eine Ehrlichkeit. Windhorst heuchelt nicht kühne-haftig falsche Vereinsliebe vor, sondern sagt unumwunden: “Wir wollen Geld verdienen. Das muss bei all unseren Investitionsentscheidungen der Hauptgrund sein.”
Da weiß man wenigstens, woran man ist, und kann von den Vereinsbossen erwarten, dass sie auf die Unwägbarkeiten, die ihrem Investor in einer Bundesliga-Saison Spieltag für Spieltag begegnen, vorbereitet sind. So viel Vertrauen hat die Hertha-Vereinsführung verdient.

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