Borussia Dortmund hat Jude Bellingham verpflichtet und macht ihn zu einem der teuersten U18-Spieler der Welt. Rund 23 Millionen Euro erhält Birmingham City offenbar für den 17-Jährigen, der in England gerne mit Frank Lampard verglichen wird. Und das aus gutem Grund.

Eine Analyse

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Erinnern Sie sich noch an Alexandre Rodrigues da Silva, kurz Pato genannt? Als er 2007 für 24 Millionen Euro mit zarten 17 Jahren zum AC Mailand wechselte, avancierte der Brasilianer zum teuersten U18-Spieler aller Zeiten. Diesen Titel trägt Pato bis heute. Es gibt jedoch einen, der ihm den Thron zumindest ein bisschen streitig macht.

Rund 23 Millionen Euro soll der BVB für Jude Bellingham gen Birmingham City überwiesen haben. Mit Bonizahlungen könnte die Summe auf 26 Millionen Euro ansteigen. Ein mehr als stolzer Betrag für einen 17-Jährigen und für eine Zeit, in der ein Virus die Transferpolitik der Fußball-Klubs diktiert.

Zorc über Bellingham: "Er hat enormes Potenzial"

"Jude Bellingham hat sich voller Überzeugung für den BVB entschieden und dabei selbstverständlich in erster Linie die sportliche Perspektive, die wir ihm aufgezeigt haben, im Blick gehabt", wird Sportdirektor Michael Zorc in der Vollzugsmeldung des BVB zitiert: "Er hat ein enormes Potenzial, das wir gemeinsam mit ihm in den kommenden Jahren weiterentwickeln wollen."

Wer also ist das Talent, für dessen Verpflichtung sich der BVB derart ins Zeug gelegt hat und das laut Borussia Dortmund trotz seines zarten Alters sofort für den Profi-Kader eingeplant ist?

Jude Bellingham verzaubert Birmingham - und wechselt zum BVB

Stellen Sie sich folgende Szenerie vor: Bellingham im Vollsprint, stoppt plötzlich ab, legt sich den Ball mit der Hacke hinter dem Standbein vorbei in die entgegengesetzte Richtung - und schon ist der Gegner genarrt. Eine Szene, die man von Ikonen wie Zinédine Zidane kennt. In Birmingham kennt man sie von Bellingham. Und die Fußball-Ikone, mit der man den heute 17-Jährigen auf der Insel gerne vergleicht, heißt Frank Lampard und nicht Zidane.

Ein Vergleich, der keinesfalls zu hoch gegriffen ist. Denn wer mit 16 Jahren bei einem englischen Zweitligisten debütiert und gleich in der ersten Saison zum absoluten Fixpunkt aufsteigt, ist vieles, nur nicht gewöhnlich. 36 Mal läuft Bellingham in der Championship auf, in der U17 Englands trägt er längst die Kapitänsbinde.

Bayern, Manchester United, Juventus Turin - sie alle lockten den Allrounder mit viel Geld. Am Ende setzte sich der BVB durch. Doch der Reihe nach.

Rascher Aufstieg: "Ein 16-Jähriger sollte nicht das tun, was er tut"

Bellingham, geboren 2003, wächst im beschaulichen Ort Stourbridge auf, rund zehn Kilometer westlich vom Stadtzentrum Birminghams. Mit acht Jahren wechselt er in die Jugend von Birmingham City, mit 13 entdeckt ihn Verbandsscout Daniel Dodds. Für Dodds ist Bellingham ein Spieler, der "einfach alles hat", wie er gegenüber "The Athletic" schwärmt.

Der Sprung zu den Profis war für ihn obligatorisch, denn: "Die Art, wie er sich bewegt, seine technischen Fähigkeiten. Er hat eine unglaubliche Spielintelligenz, sein taktisches Wissen ist herausragend. Er ist mindestens so gut wie alles, was ich bisher je gesehen habe."

Als Bellingham im letzten Quartal 2019 anfängt, Birmingham zu verzaubern, weiß Dodds nicht, wohin mit seinen Emotionen: "Ein 16-Jähriger sollte nicht das tun, was er tut. Nämlich Woche für Woche in der Meisterschaft spielen und so gut sein. Immer wenn ich ihn sehe, dominiert er."

Ein 17-Jähriger mit dem Geist eines 25-Jährigen

Dass es so schnell gehen würde, hatten sie allerdings selbst in Birmingham nicht gedacht. Kristjaan Speakman, Leiter der Birmingham-Akademie, sieht zu, wie Bellingham bei seinem zweiten Ligaeinsatz als Joker zum 2:1 gegen Stoke City trifft und im darauffolgenden Spiel gegen Charlton Athletic in der Startelf steht. Bellingham trifft wieder, Birmingham siegt 1:0. "Wenn man mich vorher gefragt hätte: 'Wird er bei seinem Debüt treffen?' Ich hätte gesagt: 'Ja, sehr wahrscheinlich', denn das sind die Dinge, die er macht", erklärt Speakman im Anschluss. Dinge, die er auch macht, sind 35-Meter-Tore, etwa gegen die U16 von Manchester United. Oder aber sich sozial engagieren im "Mustard Seed Project", das Kindern in Kenia den Zugang zu Bildung und Nahrung ermöglicht. "Es ist etwas, für das ich eine große Leidenschaft entwickelt habe", betont Bellingham im Interview mit "League Football Education".

Bellingham ist gerade mal 17, doch sein Verhalten auf und neben dem Platz lassen anderes vermuten. "Sein Geist arbeitet wie der eines 25-Jährigen. Er ist sehr reif für sein Alter, sehr zugänglich, höflich. Einfach ein netter Kerl, der alles mitbringt, um es bis ganz nach oben zu schaffen", ist sich Birminghams Keeper David Stockdale sicher.

England-Experte gerät ins Schwärmen

Worauf darf sich der BVB also freuen? Bellingham ist ein Alles-Könner. Für Birmingham spielte er im zentralen, linken, rechten und offensiven Mittelfeld, ja sogar als Mittelstürmer. "Er spielt einen modernen Fußball, weshalb er jede Position rund ums Zentrum spielen kann", schwärmt Birmingham-Trainer Josep Clotet Ruiz.

Dort sieht ihn auch England-Experte Chris McCarthy (90PLUS, 11Freunde, Reviersport), der auf Anfrage erklärt: "Bellingham entwickelt sich zu einem klassischen Box-to-Box-Spieler, entweder auf der Doppelsechs oder auf der Acht. Er ist sehr dynamisch, für sein Alter körperlich sehr weit und robust." Am beeindruckendsten findet McCarthy jedoch "seine fortgeschrittene Spielintelligenz sowie die taktische Reife". "Er erkennt schnell Gefahr, hat ein Riecher für den gegnerischen Pass."

Das "schnelle und zielorientierte Offensivspiel" beim BVB wird Bellingham entgegenkommen, ist sich McCarthy sicher.

Beispiel Sancho oder Pato? Bellingham spielt "mit der Freiheit eines Kindes"

In Dortmund freilich erhoffen sie sich ähnliche Entwicklungsschritte wie bei Jadon Sancho und Erling Haaland. Umgekehrt gilt das Beispiel Sancho gemeinhin als Hauptgrund, warum sich Bellingham für den BVB und gegen die Manchesters und Madrids dieser Welt entschieden hat.

Eine Negativ-Entwicklung wie bei Pato - der spielt mittlerweile wieder in Brasilien - käme überraschend. Ex-Kollege Stockdale weiß auch den Grund: "Er spielt mit der Freiheit eines Kindes. Lang möge es so weitergehen."

Verwendete Quellen:

  • Theguardian.com: Why Jude Bellingham is already on the radar of football's powerhouses
  • League Football Education: Bellingham Eyes Legacy Off The Pitch
  • Bbc.com: Jude Bellingham: Who is Birmingham City teenager linked with Borussia Dortmund?
  • Gespräch mit Chris McCarthy, Chefredakteur 90PLUS und Autor bei 11Freunde und Reviersport
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