Der FC Bayern München kassierte beim 0:1 gegen Aston Villa die erste Niederlage unter Vincent Kompany. Die Engländer nutzten die Schwachstellen im Spielsystem des Trainers. Kompany möchte an der riskanten Ausrichtung allerdings nichts ändern.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Oliver Jensen sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es war eine ungewohnte Situation für Vincent Kompany. Erstmals saß er als Trainer des FC Bayern München bei einer Pressekonferenz und musste eine Niederlage erklären. "Wir haben große Chancen, die wir nicht genutzt haben. Und die (Aston Villa, Anm. d. Red.) hatten einen Moment. Das gehört im Fußball dazu", sagte er nach der 0:1-Niederlage in der Champions League bei Aston Villa.

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Tatsächlich hatte der FC Bayern viele gute Chancen, zum Beispiel in der Nachspielzeit durch Harry Kane. Mittelfeldspieler Joshua Kimmich haderte mit der mangelnden Effektivität: "Es waren ein paar Dinger dabei, die durchaus hätten zu Toren führen können."

Ballack kritisiert FC Bayern: "Man war unkonzentriert"

Dennoch war die Niederlage nicht völlig unverdient. DAZN-Experte Michael Ballack fand kritische Worte: "Es gab immer wieder Phasen, wo sie zu viele einfache Ballverluste hatten und Villa immer wieder (zu Gegenangriffen, Anm. d. Red.) eingeladen hat. Gerade am Anfang der 2. Halbzeit waren einige sehr gute Umschaltmöglichkeiten für Villa da, weil man leichtfertig im Mittelfeld den Ball verloren hat. Man war unkonzentriert heute."

Nachdem der FC Bayern zuletzt für einige torreiche Siege bejubelt wurde, lieferte die Niederlage in England wichtige Erkenntnisse dazu, wo noch die Schwachstellen des deutschen Rekordmeisters liegen. Ein Problem ist, dass der FC Bayern die spielerische Dominanz gegen Top-Gegner nicht unbedingt in Tore und Siege ummünzen kann.

Dies war bereits am vergangenen Samstag der Fall, als der FC Bayern im Top-Spiel gegen Bayer Leverkusen 69 Prozent Ballbesitz und ein Torschussverhältnis von 18:3 hatte, trotzdem allerdings nicht über ein 1:1 hinauskam. Gegen Aston Villa waren es nun 70 Prozent Ballbesitz und ein Torschussverhältnis von 17:5. Trotzdem ging das Spiel verloren.

Harry Kane von den Gegnern aus dem Spiel genommen

Der FC Bayern bekam es in beiden Spielen nicht hin, Top-Stürmer Harry Kane in Szene zu setzen. Gegen Leverkusen bekam der Torjäger bis zu seiner Auswechslung in der 86. Minute keinen einzigen Torschuss zustande. Auch gegen Villa hatte Kane innerhalb der regulären Spielzeit von 90 Minuten keinen Abschluss – erst in der Nachspielzeit kam er zu einer guten Kopfballgelegenheit.

Ballack erklärte das Dilemma von Kane: "Es ist schwer für ihn ins Spiel zu finden, wenn eine Mannschaft tief steht und er nicht gefüttert wird." Kompany nahm seinen Stürmer in Schutz: "Er hat schon elf Tore geschossen in dieser Saison, glaube ich (es sind zehn, Anm. d. Red.). Es gibt manchmal solche Momente. Er wird auch ganz schnell wieder Tore schießen."

Hochstehende Verteidigung ist riskant

Gelingen vorne keine Treffer, muss zumindest die Abwehr sicher stehen. Tatsächlich allerdings zeigte die Niederlage gegen Aston Villa, dass das Spielsystem von Kompany auch Schwachstellen hat. Die gesamte Mannschaft soll nach vorne verteidigen. Auch die beiden Innenverteidiger Dayot Upamecano sowie Min-jae Kim verteidigen weit vor dem eigenen Tor. Dadurch ist die Hintermannschaft des FC Bayern anfällig für lange Bälle.

Aston Villa hat dies mehrfach genutzt. Upamecano hatte mit seinem Gegenspieler Ollie Watkins größte Mühe, weil dieser immer wieder von seinen Mitspielern in die Tiefe geschickt wurde. In der 16. Minute konnte Upamecano den Stürmer lediglich mit viel Körpereinsatz stoppen. Glück für den FC Bayern: Dies hätte durchaus als Notbremse gewertet und mit einem Platzverweis bestraft werden können.

Auch der Gegentreffer resultierte aus einem langen Ball, bei dem der weit aufgerückte Upamecano überlistet wurde. Jhon Duran bekam ein langes Zuspiel von Pau in den Lauf gespielt und zog direkt ab. Ballack kritisierte völlig zu Recht, dass Upamecano beim Gegentor "einen Schritt zu spät" und "nicht in einer optimalen Position" gewesen sei.

Torwartfehler von Neuer? "Das ist unser Spiel"

Auch Torwart Manuel Neuer war beim Gegentreffer so weit aufgerückt, dass er den Schuss nicht parieren konnte. Ein Stellungsfehler sei das allerdings nicht gewesen, wie Neuer später klarstellte: "Ich glaube, wer alle Spiele von uns bisher gesehen hat, der weiß genau, dass ich bei jedem Spiel so gespielt habe. Das ist unser Spiel. Ich glaube, dass er ihn sehr gut getroffen hat. Vielleicht kann ich zwei Meter weiter hinten stehen. Aber es wäre ungewiss gewesen, ob ich ihn bekomme."

Kompany deutete an, an seinem Spielsystem mit der hochstehenden Verteidigung nichts ändern zu wollen: "Wir müssen objektiv bleiben. Wir haben in den letzten drei, vier Spielen vielleicht acht Gegenchancen bekommen. Das heißt, dass die Jungs es gut machen. Sonst gäbe es mehr Gegenchancen."

Böse Erinnerungen an Eintracht Frankfurt

Dem FC Bayern steht bereits am Sonntag um 17:30 Uhr das nächste Top-Spiel bevor, wenn der Tabellenführer beim Tabellenzweiten Eintracht Frankfurt zu Gast sein wird. Schwächen im Abwehrverhalten sollte sich der FC Bayern dort besser nicht leisten. Das letzte Auswärtsspiel in Frankfurt endete mit einem 1:5.

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