Die türkische Nationalmannschaft, die im Achtelfinale der Gegner von Österreich sein wird, durchlebt unruhige Tage. Nationaltrainer Montella bemängelt unberechtigte Kritik und zu viel Druck für seine junge Mannschaft. Doch auch die Spieler werden ermahnt.

Mehr News zur Fußball-EM

Wo sie spielen, wird es laut. Die Nationalmannschaft der Türkei wurde auch am Mittwochabend euphorisch von ihren Fans unterstützt. Mit dem 2:1 gegen Tschechien machten sie den Einzug ins Achtelfinale perfekt. Als die Akteure nach Abpfiff ihr Ritual zelebrierten und im Mittelkreis herumhüpften, tanzte ein Großteil des Stadions mit.

"Wir haben mit Opferbereitschaft unser Ziel erreicht. Das haben sich Spieler und auch die Fans verdient", sagte der Nationaltrainer Vincenzo Montella der Presse nach dem Spiel. Nachdem die Türkei bei den vergangenen beiden Europameisterschaften als Gruppenletzter in der Vorrunde ausgeschieden war und die Europameisterschaft 2012 sogar komplett verpasst hat, ist der Einzug in das Achtelfinale ein großer Erfolg.

Trainer bemängelt "unbegründete Kritik"

Dies zeigte sich auch bei der Pressekonferenz nach dem Spiel. Kaum ein Journalist aus der Türkei stellte eine Frage, ohne dem Trainer persönlich zu gratulieren und ihm dafür zu danken, wie "stolz er die Nation" gemacht habe. Doch die Stimmung rund um die Nationalmannschaft der Türkei ist längst nicht so gut, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Montella teilte nämlich auch ordentlich aus: "Es gab zuletzt viel unbegründete Kritik. Diese wurde nur geäußert, um uns unter Druck zu setzen – nicht mich, sondern die Spieler. Es gab viel unbegründete Kritik, die wir natürlich mitbekommen."

Arda Güler wird zu einem Politikum

Hintergrund war die 0:3-Niederlage im zweiten Vorrundenspiel gegen Portugal. Der Trainer hatte den 19-jährigen Arda Güler von Real Madrid, der in der Türkei als das größte Talent seit langer Zeit gilt, über 70 Minuten auf der Bank gelassen. Medien und Fans hatten dafür wenig Verständnis und richteten ihre Kritik an den Trainer.

Mehmet Büyükeksi, der Präsident des türkischen Fußballverbandes, schaltete sich daraufhin persönlich ein, sprach von einer "böswilligen und schmutzigen Kampagne" und stärkte dem Trainer den Rücken. Gegen Tschechien stand Güler wieder in der Startelf.

Seine Leistung: Der Offensivspieler bewies seine technischen Qualitäten, unter anderem bei einem Seitfallzieher, war allerdings auch fehleranfällig. Sein Ballverlust im Mittelfeld ermöglichte Tschechien eine der besten Chancen des Spiels. Zudem ließ er in der 2. Halbzeit eine 100-prozentige Torchance ungenutzt, als er den Ball nicht richtig traf.

Montella sagte über die Leistung des Ausnahmetalents: "Ich kann sagen, dass er der Spieler ist, der die meisten Torschüsse hatte. Daher glaube ich, dass er ein gutes Spiel bestritten hat." Hätte er eine andere Antwort gegeben, wären vermutlich neue Diskussionen entstanden.

Großer Respekt vor Österreich

Er könnte auch im Achtelfinale gegen Österreich (Dienstag, 21 Uhr) in der Startelf stehen, denn mit Kapitän Hakan Calhanoglu bricht bereits ein anderer Leistungsträger aufgrund einer Gelbsperre weg. Der Respekt der türkischen Nationalmannschaft vor Österreich ist groß. Kein Wunder: Erst Ende März unterlagen sie in einem Testspiel gegen Österreich mit 1:6.

"Wir kennen Österreich, sie haben ihre Gruppe auf Platz 1 beendet. Das war die vielleicht schwerste Gruppe", sagte der Trainer. "Sie sind ein gut organisiertes und körperliches Team. Sie sind so gut eingespielt, dass es so aussieht, als wäre Österreich eine Vereinsmannschaft und keine Nationalmannschaft."

Stürmer Baris Yilmaz sieht eine "großartige Generation an Spielern"

Stürmer Baris Yilmaz glaubt gegenüber der Presse dennoch an den Erfolg seiner Mannschaft: "Wir hatten ein Ziel – und zwar wollten wir uns für das Achtelfinale qualifizieren. Jetzt kommt die nächste Hürde auf uns zu. Wir haben eine großartige Generation an Spielern, die viel Talent mitbringen."

Tatsächlich verfügt der türkische Fußball derzeit über viele Ausnahmetalente. Dazu zählt neben Güler auch der Flügelspieler Kenan Yildiz, der beim FC Bayern München ausgebildet wurde, dort allerdings bei den Profis keine Chance bekam und nach Italien zu Juventus Turin wechselte, wo der 19-Jährige immer wieder sein Potenzial beweist.

Die jungen Spieler müssen Emotionen im Griff haben

Allerdings hat die Türkei auch eine Mannschaft, die teilweise zu emotional agiert. Im Spiel gegen Tschechien gab es für die türkische Nationalmannschaft insgesamt elf Gelbe Karten. Zudem ereignete sich direkt vor dem Schlusspfiff eine Rudelbildung, an der mehrere türkische Akteure beteiligt waren.

"Wir müssen die Emotionen besser im Griff haben. Aber das hat auch damit zu tun, dass wir das jüngste Team sind, das in das Achtelfinale einzieht", sagte der Trainer. "Ich bin schon etwas älter, aber die Spieler haben unter dem Druck mehr gelitten. Der wurde von Leuten geschürt, die die Nationalmannschaft nicht lieben."

Er schob das Problem auf das Umfeld der türkischen Nationalmannschaft: "Ich glaube, es wurde viel zu viel Druck geschürt. Diese Behandlung haben wir nicht verdient, weil wir historische Leistungen vollbracht haben. Wir haben uns qualifiziert und viele junge Spieler integriert. Ich gehe davon aus, dass wir ab dem Achtelfinale die Emotionen besser im Griff haben."

Verwendete Quellen

  • Pressekonferenz nach dem Spiel Türkei gegen Tschechien
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.