"Transfer-Journalisten" wie Fabrizio Romano spielen im Fußball-Geschäft eine immer größere Rolle, der Einfluss ist teilweise enorm. Jüngste Enthüllungen um Romano werfen allerdings ein anderes Licht auf die Branche. Wir haben uns mit dem Medienexperten Prof. Dr. Michael Schaffrath von der Technischen Universität München über die Problematik unterhalten.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Im Moment ist es vergleichsweise ruhig. Es gibt sie, die Gerüchte-Posts, bei denen sich alles um mögliche Transfers dreht. Der echte Wahnsinn startet aber dann, wenn auch die Vereine auf dem Transfermarkt wirklich aktiv werden, wenn das Transferfenster öffnet. Dann werden die Posts nur so abgefeuert, dann geht es in den sozialen Medien rund, dann rückt der Transfer-Journalismus in den Mittelpunkt.

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Romanos Status bekam zuletzt Risse

Ein Genre, das sich in den vergangenen Jahren entwickelt und das zu bestimmten Zeiten im Jahr Hochkonjunktur hat. Superstar der Szene: Fabrizio Romano. 31 Jahre alt. Offenbar top informiert. Er gilt in der Szene als Guru.

Doch der Status hat Risse bekommen. Denn wie das dänische Magazin "Tipsbladet" zuletzt berichtete, soll den Klubs FC Kopenhagen und Valerenga Oslo eine Erwähnung in Romano-Tweets angeboten worden sein. Wie es heißt, wollte die Firma Memmo PR, mit der Romano zusammenarbeitet, im Gegenzug 1.000 Euro haben.

"Das ist völliger Unsinn": Vereinsverantwortlicher mit klarer Meinung

Die Vereine hätten dadurch eine Menge Aufmerksamkeit erfahren, lehnten aber ab. Beim FC Kopenhagen ging es um einen Romano-Auftritt in einem Video zu einem Transfer des Vereins. Im Fall von Valerenga sollte Romano einen Transfer als perfekt vermelden oder Gerüchte über zu verkaufende Spieler verbreiten.

"In meinen sieben Jahren im Spitzenfußball habe ich viele Sonderwünsche erhalten, aber noch nie so etwas. Dies soll einer der berühmtesten 'Journalisten' der Welt sein? Das ist völliger Unsinn", sagte Valerengas damaliger Marketing-Manager Mehran Amundsen-Ansari zu "Idrettspolitikk.no" aus Norwegen. Für ihn war klar: "Aus kommerzieller Sicht hätte es sicherlich mehr Follower generiert und darüber hinaus auch den Sponsoren eine höhere Sichtbarkeit verschafft. Aber ethisch wäre es falsch gewesen. Er ist immer mehr zu einem kommerziellen Akteur geworden und nicht mehr zu einem Journalisten."

"Hat mit seriösem Journalismus nichts mehr zu tun"

Das sieht auch Medienexperte Michael Schaffrath von der Technischen Universität München so. "Wenn das tatsächlich stimmen sollte, was seit Anfang März ja in verschiedenen Printmedien thematisiert worden ist, dann wäre das schon sehr bedenklich", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. "Was Romano aktuell betreibt, das hat mit Journalismus oder gar mit seriösem Journalismus nichts mehr zu tun."

Beim seriösen Journalismus gehe es um die Verbreitung von wahrheitsgemäßen, gegenrecherchierten Informationen und nicht um die Kolportage von Gerüchten oder das Verbreiten von Spekulationen, sagt der Medienexperte: "Und genau das ist hier ja das Geschäftsfeld, mit dem sich augenscheinlich auch Geld verdienen lässt und vermutlich nicht zu wenig."

Romano hat Millionen Follower auf Instagram und X

Laut "Idrettspolitikk.no" haben sowohl norwegische als auch dänische Vereine diese Angebote erhalten, konkreter wird das Portal nicht. Ob die Beispiele Einzelfälle sind oder ob weitere Ligen und Klubs betroffen sind, bleibt unklar. Fest steht, dass Romano mit seinen 20 Millionen Followern auf X, 27 Millionen auf Instagram und 17 Millionen auf Facebook der bekannteste und einflussreichste, aber längst nicht der einzige Transfer-"Influencer" ist.

"Sogenannte, oder besser selbsternannte, 'Transfer-Journalisten' spielen eine immer größere werdende Rolle im hochgradig kommerzialisierten Fußball-Geschäft", weiß Schaffrath, der betont, dass Romano und Co. bei Transfers "eine Art Opinion-Leader-Funktion oder auch Meinungsführer-Rolle zugeschrieben" wird. Was freilich auch daran liegt, dass der Inhalt der Tweets oft aufgenommen und als News weiterverbreitet wird, auch von seriösen Portalen beziehungsweise Medien.

Berichterstattung über Gerüchte spielt mittlerweile eine große Rolle

Denn das Internet und vor allem Social Media haben den Journalismus und die Form der Berichterstattung stark verändert. Höher, schneller, weiter, immer auf der Jagd nach Nutzern und Klicks: Gerüchte, ob nun was dran ist oder nicht, sind in der Regel immer ein Quotenbringer.

Verbunden mit dem immer größer werdenden Aktualitätsdruck findet eine Veröffentlichung dann auch oft ohne Gegenrecherche statt. "Und stellt sich dann manches als falsch heraus, hat man sich zum publizistischen Handlanger solcher Portale gemacht. Aber das ist ein veritables und immer größer werdendes Dilemma für klassische Verlage und Rundfunkanstalten aus meiner Sicht", sagt Schaffrath.

Gleichzeitig haben diese Gerüchte durch die enorme Reichweite von Romano und Co. einen großen Einfluss auf die Transfer-Aktivitäten der Klubs. Hinzu kommt, dass vor allem Romano ein Spezialwissen mit vermeintlichem Wahrheitsanspruch attestiert wird. Auch dann noch, wenn sich das Gerücht später nur als pure Spekulation entpuppt, die sich auf dem umkämpften Milliarden-Markt Fußball aber als recht preistreibend ausgewirkt haben könnte. "Daraus allein ergibt sich schon ein hohes Einflusspotential, weil darunter auch sehr viele Fußballfans sind, die ihrerseits wieder Stimmung im Kontext von Transferabwicklungen machen können", sagt Schaffrath.

Fabrizio Romano: Hohe Trefferquote, viel Hintergrundwissen

Man muss aber dazu sagen: Romanos Trefferquote war in der Vergangenheit enorm, sein Netzwerk und seine Quellen funktionieren ganz offensichtlich. Der 31-Jährige hat sich seinen Status durch ein nicht von der Hand zu weisendes Hintergrund- und Insiderwissen erarbeitet. Er genießt bei vielen Fans Kultstatus. Enthüllungen wie Anfang des Jahres erschüttern trotzdem seine Reputation.

Denn natürlich stellt sich auch die Frage, wie viel Steuerung umgekehrt hinter den Kulissen, zum Beispiel auch durch Berater, hinter dieser Form von Berichterstattung steckt. Das bleibt Spekulation, ist aber eine realistische Möglichkeit.

Tipsbladet-Journalist Bager Thogersen, der sich seit über 15 Jahren mit dem Transfermarkt und seinen Schattenseiten beschäftigt, erklärte: "Ich weiß, dass Fabrizio Romano da draußen vergöttert wird. Aber ich muss sagen, dass er oft den Agenten in die Hände spielt und seine Informationen von dort bezieht", sagte er. Für ihn ist das "kein Journalismus, sondern ein Geschäft".

Auch Schaffrath erscheint es "plausibel zu vermuten, dass hier ein ziemlich großes Instrumentalisierungspotential bestehen kann, nach dem Motto: 'Streuen wir einmal ein Transfergerücht über den einen oder einen anderen der sogenannten Transferjournalisten und schauen einfach mal, wie der Markt darauf reagiert'". Romano selbst hatte in der Vergangenheit erklärt, dass er keine Fake News verkaufen wolle, das sei nicht seine Mentalität.

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Grenze zu Fake News fließend

Doch die Grenze zu Fake News ist hier in manchen Fällen möglicherweise fließend. Ein zusätzliches Problem für den Journalismus, betont Schaffrath. "Wenn das tatsächlich so sein sollte, dann schadet das dem Journalismus extrem, weil damit die eigenen ethischen Berufsmaximen konterkariert würden."

Denn nach Ziffer 15 des Kodex des Deutschen Presserats ist "die Annahme von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion zu beeinträchtigen, mit dem Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse unvereinbar. Wer sich für die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten bestechen lässt, handelt unehrenhaft und berufswidrig."

Und als vertrauensbildende Maßnahmen eines seriösen Journalismus werde man solche Praktiken sicher nicht bezeichnen können, so Schaffrath. Der Transfer-Journalismus wird aber ein wichtiger Bestandteil des Geschäfts bleiben, dafür ist zu viel Geld im Spiel. Im Moment mag es zwar noch vergleichsweise beschaulich zugehen. Doch das ist nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm. Beziehungsweise Transferfenster.

Über den Gesprächspartner

  • Prof. Dr. Michael Schaffrath leitet den Arbeitsbereich für Medien und Kommunikation am Department Health and Sport Sciences der Technischen Universität München. Die Forschungsschwerpunkte des Kommunikationswissenschaftlers sind Sportjournalismus, Sport-PR, Sport im Radio, Sportkommentierung im Fernsehen sowie Journalismus und Doping.

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