Nach 18 Jahren in der Nationalmannschaft und 88 Länderspielen beendet Svenja Huth ihre Karriere beim DFB. Der Wolfsburger Allrounderin sind andere Dinge wichtiger geworden – und das, obwohl im Sommer noch die Olympischen Spiele anstehen, bei denen Interimstrainer Horst Hrubesch sie gebraucht hätte.

Ein Porträt
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Es hätte ein krönender Abschluss werden können. Mit Medaille um den Hals und Party im Olympischen Dorf in Paris. Ein guter Moment, um abzudanken. Doch Svenja Huth wollte lieber gleich aufhören. Sie hat lang genug alles gegeben, im DFB-Team seit 18 Jahren. Warum warten, wenn es auch hier und jetzt Dinge gibt, für die es sich lohnt zurückzutreten?

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"Ich bin glücklich, dass ich zum Abschluss meinen Teil dazu beitragen konnte, das Olympia-Ticket zu lösen", begründete Huth ihre Entscheidung in einem Statement. "Die Zeit war jedoch sowohl körperlich als auch mental herausfordernd sowie kräftezehrend, sodass ich für mich zu dem Entschluss gekommen bin, meine Karriere in der Nationalmannschaft zu beenden."

U20-Weltmeisterin, Europameisterin und Goldmedaillengewinnerin

Die Goldmedaille hatte Svenja Huth schon 2016 bei Olympia in Rio de Janeiro umhängen, so wie sie fast jeden erreichbaren Titel schon einmal holte. Seit 2006 spielte sie für die Nationalmannschaft, damals war das die U15, in die sie es über die Bayern-Auswahl schaffte. Und sie biss sich fest: Mit der U17 wurde sie Europameisterin, mit der U20 Weltmeisterin. Damals schon mit ihr im Team: ihre heutigen Mitspielerinnen beim DFB und beim VfL Wolfsburg, Alexandra Popp und Marina Hegering.

Huth bekam die Fritz-Walter-Medaille in Gold, wurde Europameisterin 2013, feierte den ersten Platz in Rio. Ihre Erfolge mit ihren Vereinen 1. FFC Frankfurt, Turbine Potsdam und Wolfsburg sind da noch gar nicht mit eingerechnet.

Offensivspielerin und Rechtsverteidigerin: Huth ist wandelbar auf dem Platz

Für ihre Mitspielerinnen und ihren Trainer ist Huths Rücktritt ein großer Verlust. "Mit ihrer Einstellung und ihrer Wirkung auf ihre Mitspielerinnen hat sie unserer Mannschaft viel gegeben", sagte Interimstrainer Horst Hrubesch. "Ich verliere sie ungern in unserem Kreis." Er weiß, weshalb er die 33-Jährige gern noch mit nach Paris genommen hätte, obwohl er sie zuletzt auf die Bank setzte.

"Ich haue alles rein, egal, wo ich aufgestellt werde."

Svenja Huth

Wenn man von ihr als einer Titelsammlerin spricht, wird man Huth nicht gerecht. Die gebürtige Fränkin, sie stammt aus Alzenau bei Aschaffenburg, opfert sich auf und neben dem Platz für ihre Mitspielerinnen. Aus Mangel an Alternativen setzte die damalige Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg Svenja Huth, die Offensivspielerin, vor und während der WM 2023 als Rechtsverteidigerin ein. Ihre Schnelligkeit, Variabilität und Unermüdlichkeit, den Flügel zu beackern, sprachen für die 1,63-Meter kleine Spielerin. Ihr Motto spricht Bände: "Ich haue alles rein, egal, wo ich aufgestellt werde", sagte sie im vergangenen Sommer. Offensiv sei ihr aber die liebste Ausrichtung. So interpretierte sie auch die Außenverteidigerposition.

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Eine Leaderin mit starker Meinung

Als Alexandra Popp beim EM-Finale 2022 verletzungsbedingt fehlte, führte Svenja Huth wie selbstverständlich die Mannschaft als Kapitänin aufs Feld, machte Ansagen und weinte bitter nach der Niederlage. Für ihre Mitspielerinnen ist sie immer eine zuverlässige Ansprechpartnerin. Bei der WM 2023 war sie stets eine der ersten, die sich mit um Melanie Leupolz‘ Sohn gekümmert hat und sich um ihre Mitspielerinnen kümmerte. DFB-Sportdirektorin Nia Künzer sagte zu Huths Rücktritt, es sei beeindruckend, "mit welchem Mut, Teamgeist und Engagement, aber auch unglaublicher Willenskraft und Empathie sie ihren Weg gegangen ist".

Die 33-Jährige setzt sich seit Jahren für eine Professionalisierung im Frauenfußball ein. Für eine bessere Bezahlung, gerechte Bezahlung und "dass die Spielerinnen nicht noch 40 Stunden in der Woche arbeiten müssen", sagte sie etwa 2022 vor der EM und plädierte für mehr Sichtbarkeit. "Unsere Spiele sollten zu Zeiten angestoßen werden, wo wir mehr Menschen erreichen – und nicht um 16 Uhr."

Mutterschaft mit Hürden

Inzwischen macht sie sich dafür stark, dass es für gleichgeschlechtliche Paare einfacher werden soll, ein Kind zu bekommen und gemeinsam als Eltern eingetragen zu sein. Im vergangenen September hatte Svenja Huths Ehefrau Laura den gemeinsamen Sohn des Paares zur Welt gebracht. Emil kam mithilfe der Ropa-Methode zur Welt: Huth wurde eine Eizelle entnommen, die wurde befruchtet und ihrer Partnerin eingesetzt.

Für die künstliche Befruchtung musste das Paar nach Spanien gehen. Damit beide als Eltern eingetragen sind, musste die Fußballerin den Weg der Stiefkind-Adoption gehen, den sie als frustrierend beschrieb. Der Prozess sei "sehr langwierig und wird dabei von bürokratischen Hürden und endlosem Papierkram begleitet, bei dem man sich komplett offenbaren muss", schrieb Huth im Netzwerk "LinkedIn".

Sie fordert von der Politik, den Prozess für gleichgeschlechtliche Paare zu erleichtern – und geht offen mit dem Thema um. In der Doku "Born for This" über die DFB-Frauen sprach sie bereits ausführlich darüber und trotzt allen Anfeindungen. Er sei wichtig, aufzuklären. "Es betrifft nämlich nicht nur uns, sondern viele andere Familien, denen wir so eine Stimme geben können", schrieb sie.

Mit Wolfsburg spielt Huth noch um zwei Titel

Ihre Karriere in der Nationalmannschaft hat sie beendet – auch, um mehr für ihre Familie da sein zu können. Denn mit ihrem Klub, dem VfL Wolfsburg, hat sie noch genug zu tun. Die Wölfinnen stehen vor dem wichtigen Duell am Samstag gegen den Tabellenersten FC Bayern, das vorentscheidend für Meisterschaft sein könnte.

Eine Woche später geht es um den Einzug ins Pokalfinale. Svenja Huth wird gebraucht.

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