• Der Ball ist rund. Ein Spiel dauert 90 Minuten. Wer mehr Tore schießt, gewinnt. Und das sind am Ende immer die Deutschen. Ist doch logisch, oder?
  • Nein, nicht immer ist alles so klar, wie es erzählt wird. Denn häufig mischen sich Fakten und Fiktion in der Fußballgeschichte.
  • Es sind zahlreiche Legenden entstanden, aber auch viel Wissen über die frühen Jahrzehnte ist verloren gegangen. Da gilt es, Licht ins Dunkel zu bringen. Hier sind fünf Mythen der Fußballgeschichte.

Mehr Fußballthemen finden Sie hier

Nummer 1: Konrad Koch brachte das Fußballspiel nach Deutschland: falsch

Die deutsche Fußballgeschichte wird immer wieder mit Konrad Koch in Braunschweig begonnen. Dabei ist dies lediglich ein Mythos. Ein Mythos, der sich allzu leicht verbreitet hat. Nicht zuletzt durch einen Kinofilm über Konrad Koch mit Daniel Brühl oder über eine erst vor wenigen Jahren ausgestrahlte TV-Dokumentation.

Es sind sogar noch die Regeln erhalten, nach denen Koch seinen Schülern am Braunschweiger Martino-Katharineum das Spiel beibrachte. Schaut man in das kleine Büchlein, wird schon bei der Zeichnung des Rasenfeldes klar: Das ist kein Fußball, dafür aber sehr ähnlich dem Rugby.

Richtig wäre: Engländer brachten das Fußballspiel nach Deutschland. Oder: Konrad Koch brachte Rugby nach Deutschland.

Wie kam es zu dem Mythos? Bis in die 1880er Jahre war "Football" ein Sammelbegriff für verschiedene Spielarten, darunter Rugby und Fußball/association football ("soccer"), denn es gab noch keine so deutliche Unterscheidung. Alle Spielarten hießen Football, auch die rugbyähnliche Spielart, die Konrad Koch nach Deutschland brachte. In den FA Rules gab es zuvor den Fair Catch oder auch mal den Touchdown, um unentschiedene Spiele zu entscheiden.

Das erste dokumentierte Fußballspiel (= ohne erlaubtes Handspiel) fand übrigens im September 1875 in Lüneburg statt. Mitgebracht haben es englische Händler und Urlauber, die in Parks miteinander kickten und das Interesse auf sich zogen. So kam Fußball wirklich nach Deutschland.

Nummer 2: In den ersten deutschen Regeln ("Jenaer Regeln", 1896) steht: "Der Platz muss frei von Bäumen und Sträuchern sein": falsch

Und zwar dreimal falsch: Die Jenaer Regeln wurden bereits 1893 veröffentlicht und sind nicht die ersten deutschen Regeln. Die bislang ältesten bekannten deutschen Fußballregeln sind die Spielregeln des Bundes deutscher Fußball-Spieler von 1890, einem Verband Berliner Fußballclubs mit nationaler Ausrichtung. Außerdem galten die Jenaer Regeln nicht für ganz Deutschland (und waren auch nicht so gedacht), sondern nur für den Jenaer Fußballverein.

Das größte Missverständnis ist aber, dass die Regeln besagen, der Platz solle frei von Bäumen und Sträuchern sein, denn hier passierte ein Lesefehler: Die Sträucher sind in Wirklichkeit Steine. Zugegeben, auch Sträucher sind auf einem Fußballfeld hinderlich, aber sie sind meistens recht biegsam und verursachen keinen allzu deutlichen Richtungswechsel wie Steine.

Richtig wäre: In den ersten Regeln des Jenaer Fußballvereins ("Jenaer Regeln, 1893) steht: "Der Platz muss frei von Bäumen und Steinen" sein.

Wie kam es zu dem Mythos? Hier liegt schlicht ein Lesefehler vor, denn die Jenaer Regeln sind in der alten deutschen Schrift verfasst worden. Bei der Jahreszahl gab es eventuell eine Verwechslung. Kurz gesagt: Hier hat jemand unbewusst etwas Falsches weitergegeben und es wird ohne weitere Prüfung kopiert.

Nummer 3: 2020 feierten wir 50 Jahre Frauenfußball in Deutschland: falsch

Frauenfußball wurde in Deutschland bereits vor 1970 gespielt, und das so erfolgreich, dass viele andere nationale und internationale Verbände sich angesichts des drohenden Machtverlustes nicht anders zu helfen wussten, als den Frauenfußball zu erlauben. Sie erhofften sich, ihn besser in ihrem Sinne kleinhalten zu können, wenn sie Teil des Verbandes sind.

Richtig wäre: Es gibt seit 100 Jahren Frauenfußball in Deutschland. Und: Nach der WM 1954 wollten so viele Frauen Fußball spielen, dass ihnen der DFB verbot, auf Plätzen seiner Mitglieder zu spielen.

Wie kam es zu dem Mythos? Mara Pfeiffer hat hier die Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland in der vergangenen Woche schon tiefgründig beleuchtet.

Und wichtig ist zu erwähnen, dass das Verbot keineswegs für ganz Deutschland galt, sondern nur für die Mitglieder des DFB, das heißt nur in der Bundesrepublik Deutschland. In der DDR war Frauenfußball nie verboten, wurde aber auch nicht wirklich gefördert.

Nummer 4: Die Schutzhand ist kein strafbares Handspiel: falsch

Selbst in den Schiedsrichterzeitungen von 1929 und 1930 wird darauf hingewiesen, wenngleich sich der Begriff "Schutzhand" noch nicht etabliert hatte. Hier wurde noch "Reflexhandlungen" oder "Reflexbewegungen" benutzt: Wer die Hand oder die Hände so schützend vor das Gesicht hält, riskiert ein absichtliches Handspiel, denn man hätte sich auch wegdrehen oder ducken können.

Richtig wäre: Es gibt keine Schutzhand. Es gibt sie nicht und es gab sie nicht.

Wie kam es zu dem Mythos? Erstmals wird in der DFB-Schiedsrichter-Zeitung 1931 der Begriff Schutzhand verwendet, wenngleich der damalige Nationalmannschaftstrainer und Verfasser des Beitrags, Otto Nerz, diese Bezeichnung nur zitiert und offensichtlich vorher nicht kannte.

Er beschreibt einen Fall, in dem ein deutscher Schiedsrichter namens Weingärtner bei einem Länderspiel zwischen Schweden und Norwegen auf Schutzhand entschied und im Nachhinein im Interview erklärte, das dies in Deutschland so üblich sei (Spoiler: War es nicht.)

Nerz stellte klar, dass es in den Regeln den Begriff Schutzhand nicht gäbe. Er erklärte aber dann im Widerspruch zu Berichten in den Schiedsrichterzeitungen von 1929 und 1930, dass der Schiedsrichter auf Schutzhand entscheiden könne, wenn er sich 100 Prozent sicher sei, dass keine Absicht vorliege. Und auf diese Weise manifestierte er – vielleicht prominenter als das Interview Weingärtners im schwedischen Idrottsbladet – den Mythos, dass ein unabsichtliches Hochnehmen der Hände vors Gesicht nicht als absichtliches Handspiel gewertet werden sollte, sondern als Schutzhand.

Nummer 5: Die gelbe und rote Karte wurde bei der WM 1970 eingeführt: falsch

Verwarnungen und Platzverweise wurden mündlich ausgesprochen. Dies war bei internationalen Spielen aufgrund von Sprachbarrieren nicht immer einfach. So kam der englische Schiedsrichter Ken Aston nach einem Vorfall bei der WM 1966 auf die Idee, für Verwarnung und Platzverweis bestimmte Signale einzuführen: eine gelbe und eine rote Karte. Den Einfall hatte er nach eigener Aussage an einer Ampel.

Die Fifa war schnell begeistert und so wurde Astons Idee nicht nur bei der WM 1970 in Mexiko, sondern bereits beim Olympischen Fußballturnier 1968 (ebenfalls in Mexiko) getestet und anschließend als Empfehlung freigegeben.

Richtig wäre: Die gelben und roten Karten wurden zur Saison 1970/71 eingeführt. Zuvor wurden sie beim Olympischen Fußballturnier 1968 und bei der WM 1970 getestet.

Wie kam es zu dem Mythos? Offensichtlich ein Missverständnis, weil bereits bei der WM 1970 Karten gezeigt wurden.

Verwendete Quellen:

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.