Der italienische Fußball scheint in den letzten Jahren auferstanden zu sein: Die Halbfinals und Finals der europäischen Wettbewerbe wurden wieder zum Territorium der Serie-A-Klubs. Doch damit könnte schon bald Schluss sein.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Eike Alsleben sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Glanzzeiten des italienischen Fußballs lagen weit zurück. Der letzte Triumph in der Champions League für die AC Milan datiert aus dem Jahr 2007, während Inter Mailand unter José Mourinho in der Saison 2009/10 seinen glorreichen Moment erlebte. Doch danach verlor der italienische Fußball international spürbar an Bedeutung. Juventus Turin dominierte die Serie A ab der Saison 2011/12, sicherte sich neun Scudetti in Folge und stand sogar zweimal im Champions-League-Finale, verlor jedoch beide Male.

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Auch die Zuschauerzahlen lagen lange weit unter dem Durchschnitt von Bundesliga, Premier League und LaLiga.

Wiedererstarkung des Calcio

Seit 2019 erlebt der italienische Fußball jedoch eine bemerkenswerte Renaissance, die ihren bisherigen Höhepunkt in der Saison 2022/23 erreichte: Fünf italienische Mannschaften standen in den Halbfinals der europäischen Wettbewerbe - so viele wie in den vergangenen sieben Jahren zusammen. Das legendäre Mailänder Derby fand im Halbfinale der Champions League statt, während Juventus Turin und die AS Rom die Halbfinals der Europa League erreichten und Fiorentina in der Conference League vertreten war. Ein weiterer Meilenstein war der Gewinn der Conference League durch die AS Rom, womit der Klub seinen ersten europäischen Titel seit 61 Jahren holte.

Auch an den Zuschauerzahlen lässt sich das gestiegene Interesse an der italienischen Liga ablesen. Im europäischen Vergleich liegt die Serie A mittlerweile auf Platz drei. Durchschnittlich 30.576 Menschen kommen zu jedem Spiel ins Stadion. In dieser Statistik sind die beiden Mailänder Klubs ganz vorne mit dabei und liegen sogar im europäischen Vergleich auf Rang drei und vier.

Der EM-Titel der Squadra Azzuri im Jahr 2021 trug ebenfalls zum Hype bei. Der Triumph im Elfmeterschießen gegen England wurde im ganzen Land euphorisch gefeiert und schürte die Hoffnungen auf eine neue Ära des italienischen Fußballs.

Steuervergünstigungen als Schlüssel zum Erfolg

Ein entscheidender Faktor für die gestiegene Wettbewerbsfähigkeit der Serie A war das "Decreto Crescita", welches 2019 eingeführt wurde. Dabei handelt es sich um eine Steuererleichterung in Italien, die es den Klubs ermöglicht, weniger Steuern für die Gehälter von Spielern zu zahlen, die aus dem Ausland kommen.

Nach der Einführung des Decreto Crescita erholte sich der italienische Fußball auf internationaler Ebene, wie sich auch an den Koeffizientenpunkten der Uefa zeigt. Von 2015 bis 2019 lag der Durchschnitt für italienische Vereine bei 12.759 Punkten, während er von 2019 bis 2023 auf 17.321 stieg. In der letzten Saison erreichte er sogar 22.357 Punkte.

Italien schießt sich selbst ins Bein

Nun weigerte sich die Regierung jedoch, das Decreto Crescita, welches auf fünf Jahre angelegt war, zu verlängern. Vereine und Klubbesitzer protestieren vehement gegen diese Entscheidung, unter anderem erklärte Lazio-Präsident Claudio Lotito laut "football-italia.net": "Ich möchte sehen, wer jetzt noch aus dem Ausland hierherkommen will. Und auch der Staat wird verlieren, weil er weniger Einnahmen haben wird." Milan-Chef Giorgio Furlani meinte sogar, der Wegfall des Decreto würde "den italienischen Fußball zerstören."

Mit schwindenden TV-Einnahmen und noch immer fehlenden modernen Stadien, war das Decreto die einzige Stärke, über die die italienischen Vereine auf dem Transfermarkt verfügten. Die Auswirkungen des Wegfalls dieser Steuervergünstigungen könnten verheerend sein und den aufstrebenden Calcio erneut destabilisieren.

Italienischer Fußball vor Herausforderungen

Lotito hat die Verantwortlichen für das Desaster bereits ausgemacht: Laut ihm habe die italienische Spielervereinigung AIC dazu beigetragen, das Decreto abzuschaffen. Diese argumentieren, dass es junge italienische Spieler benachteilige, weil es Spieler aus dem Ausland bevorzuge.

Laut transfermarkt.de war zwar seit 2019 ein deutlicher Anstieg des Ausländeranteils in der Serie A zu beobachten, jedoch argumentieren Befürworter der Regelung, dass es italienische Talente dennoch an die Spitze schaffen würden, wenn sie gut genug seien. Und große Namen sorgten nun mal für höhere Zuschauerzahlen.

Der italienische Fußball steht vor großen Herausforderungen. Aber er hat auch gezeigt, dass er wieder konkurrenzfähig ist. Es bleibt abzuwarten, wie die Vereine und die Regierung auf diese Entwicklungen reagieren und ob die italienischen Klubs den Aufwärtstrend fortsetzen können.

Verwendete Quellen

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