Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb war in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterin im Fußball, doch nach ihrem Karriereende 2020 wurde schnell deutlich: Sie war nur ein Einzelfall im deutschen Fußball. Nachfolgerinnen waren weithin erst einmal keine in Sicht. Doch es gibt nun Hoffnungsschimmer.
Seit bald 100 Jahren gibt es Frauen im Männerfußball, auf dem Feld als Spieloffizielle – Schiedsrichterinnen und -Assistentinnen. Anfangs nur wenige, aber seit gut 30 Jahren nimmt ihre Zahl stetig zu. Sie leiten im Fußball der Männer sowohl Spiele in den höchsten Ligen des Landes als auch international. Wie das möglich ist? Es ist das Schöne am Fußball: Er ist für alle gleich. Kein Problem also, dass sich Männer über Fußball der Frauen äußern oder Frauen im Profifußball der Männer mit den Spielern auf dem Platz stehen. Letzteres gilt ab nächster Saison auch für Fabienne Michel.
Ihre Schiedsrichterausbildung hat sie bereits mit 13 Jahren an ihrer Schule absolviert, dem Elisabeth-Langgässer-Gymnasium in Alzey. Der jugendlichen Fußballspielerin machte das Leiten von Spielen so viel Spaß, dass sie sehr viel Einsatz in ihr Hobby steckte. Leidenschaft und Leistung zahlten sich aus: Mittlerweile ist sie Fifa-Schiedsrichterin, leitet Spiele in der Regionalliga, der 1. Frauen-Bundesliga und zuletzt das DFB-Pokalfinale der Frauen. Nun folgt der Aufstieg in den Profifußball, nämlich in die 3. Liga im Fußball der Männer.
Fabienne Michel ist die Dritte im Bunde
Fabienne Michel ist nicht die einzige Schiedsrichterin in der 3. Liga, sondern hat mit Riem Hussein und Franziska Wildfeuer zwei Kolleginnen. Hinzu kommt Katrin Rafalski, die in der 2. Bundesliga und 3. Liga als Schiedsrichterassistentin fungiert.
Während Hussein und Rafalski bereits sieben, acht Jahre in der 3. Liga sind und mit über 40 Jahren wohl nicht mehr die 1. Bundesliga erreichen werden, sieht es für Wildfeuer und Michel vielversprechender aus: Als U30 werden sie vielleicht in Bibiana Steinhaus-Webbs Fußstapfen treten können. Steinhaus-Webb stieg zwar bereits mit 22 Jahren in die Regionalliga (die damalige dritthöchste Klasse) auf und sechs Jahre später in die 2. Bundesliga, aber es vergangen danach ganze zehn Jahre, bis der DFB sich traute, sie in die höchste Spielklasse aufsteigen zu lassen.
Die Ampel für Wildfeuer und Michel steht auf Grün. Grasgrün. Ob die Verantwortlichen beim DFB es auch bemerken?
Unnötige Sorgen und Ressentiments
Fußballhistoriker Richard Holt schrieb mit einer guten Portion Zynismus: "Wie können Männer Männer sein, wenn Frauen solche Dinge machen, durch die Männlichkeit definiert wurde?". Das Zitat bezieht sich auf Nettie Honeyball's Fußballclub Ende des 19. Jahrhunderts, doch die Aussage ist noch immer aktuell. Weiterhin gibt es einige reaktionäre, meist männliche Stimmen, die bei ihrer Liebe zum Fußball der Männer nicht mitbekommen haben, dass dieser Sport seit über hundert Jahren auch von Frauen gespielt wird. Und das erfolgreicher als die Männer. Man denke nur an die Zahl der Titel von Europa- und Weltmeisterschaften oder an die Tatsache, dass einige Frauen jeweils mehr Nationalspiele absolviert haben als ein Rekordspieler Lothar Matthäus.
Auch das deutsche Nationalteam der Männer zeigt gerade eindrucksvoll, dass weiß Gott Männer nicht immer Fußball besser verstehen oder spielen können als Frauen. Frauen haben oft ein viel höheres Spielverständnis und antizipieren besser. Fitness allein ist fürs Fußballspielen nicht ausschlaggebend, sondern nur eine von mehreren Säulen. Für Schiedsrichterinnen sind es Einfühlungsvermögen und eine gewisse Durchsetzungskraft über Kommunikation und Körpersprache. Elemente, für die sowohl eine
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Geschlechtliche Trennung im Fußball ist überholt
In der Saison 2022/23 hatte Fabienne Michel neben vier Einsätzen als Vierte Offizielle 30 Einsätze als Schiedsrichterin, davon zehn in der Regionalliga. Mit Hindernissen, die Schiedsrichterinnen im Fußball der Männer überwinden müssen, hat Michel so ihre Erfahrungen. Der Weg in die 1. Frauen-Bundesliga kann für Schiedsrichterinnen ähnlich beständig verlaufen wie für Männer Richtung 1. Bundesliga.
Als Frau werde man anders wahrgenommen, so ihre Erfahrung. Viel häufiger als ihre männlichen Kollegen musste sie deutlich sagen: Ja, ich möchte wirklich aufsteigen. Bei Männern wurde der Wille zur Karriere vorausgesetzt, bei ihr nicht. Offenbar hat nicht jeder auf dem Schirm, dass auch eine Schiedsrichterin im Fußball der Männer bei entsprechender Leistung aufsteigen möchte, ohne es wiederholt zu betonen. Dabei ist Fußball doch für alle gleich.
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