Holger Badstuber hält sich nach den enttäuschenden Niederlagen gegen die Türkei und in Österreich mit seiner Kritik an der deutschen Nationalmannschaft nicht zurück. Auch für Bundestrainer Julian Nagelsmann findet Badstuber klare Worte: Dieser habe "die falschen Mechanismen in Gang gesetzt".

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Holger Badstuber dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

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Schwarz-Rot-Gold stand einmal für Qualität, Stärke, Siegeswillen und Kampfkraft. Am Ende dieses enttäuschenden Länderspieljahres 2023 - mit den Niederlagen gegen die Türkei und Österreich als negativem Höhepunkt - muss ich feststellen: Der Lack ist endgültig ab, da glänzt nichts mehr. Ich sehe nur noch Durchschnitt, Mittelmaß. Die Zukunft? Überwiegend schwarz. Wir haben in Fußball-Deutschland eine Generation von Spielern geschaffen, die es sich beim DFB bequem machen. Länderspiele sind nur noch eine Zahl auf der eigenen Visitenkarte und offenbar nichts mehr, wofür es sich zu zerreißen lohnt.


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Ganz wichtig, ich kritisiere nicht die individuellen Fähigkeiten der Spieler. Die sind teilweise überragend und mir geht das Fußball-Herz auf, wenn ich das Potenzial eines Florian Wirtz oder Jamal Musiala sehe. Es geht mir viel mehr um die Gemeinschaft als Mannschaft. Ich vermisse ein Aufbäumen, die Kultur des Gewinnens. Zudem fehlt es an spielerischer Struktur und es ärgert mich, dass wir trotz des Trainerwechsels von Hansi Flick auf Julian Nagelsmann damit nicht einen Schritt weitergekommen sind. Ein Einfluss von Nagelsmann ist nicht zu erkennen.

Übrigens, Hut ab vor der Leistung und der Entwicklung von Österreich mit Ralf Rangnick an dieser Stelle. Der Auftritt war reif, die Spielweise klar und der Sieg hochverdient.

"Überflüssige Rotation und fragwürdige Experimente"

Beim DFB-Team war 2023 eigentlich die Stärkung der Defensive angesagt. Nach jetzt insgesamt 22 Gegentoren in elf Länderspielen überrascht das auch nicht. Dabei steht ein Nagelsmann als Trainer für vieles, aber nie für Agieren ohne Risiko. Im Gegenteil: Mit überflüssiger Rotation und fragwürdigen Experimenten konnte zwischen den Spielern kein Vertrauen wachsen. Das aber ist elementar wichtig - speziell in der letzten Abwehrreihe. Es wurden wieder die falschen Mechanismen in Gang gesetzt.

Nagelsmann hat zudem die Gelegenheit verpasst, einen Mannschaftskern zu bilden. Jetzt wird er nicht mehr viel verändern können, die nächsten Länderspiele folgen im März, dann ist jeder Spieler schon auf die entscheidende Saison-Schlussphase im Verein fokussiert.

Von Favoriten weit entfernt

Uns bleibt nur die Hoffnung, dass die Heim-EM grundsätzlich ein Fußball-Fest wird. Im Optimalfall entsteht dann dadurch innerhalb der Nationalmannschaft doch noch eine Art Euphorie. Wir brauchen vor allem hungrige Spieler, denn ohne harte Arbeit wird die Gruppenphase nicht zu überstehen sein. Das sollte das primäre Ziel sein. Machen wir uns nichts vor, von den Favoriten ist diese DFB-Generation weit entfernt.

Der Weg zur Besserung wird ein langer Prozess. Die EM kann eine Möglichkeit sein, den Fans zu vermitteln, dass es wieder in die richtige Richtung geht. Denn so sehr ich mich gerade daran gewöhnt habe, dass die deutsche Nationalmannschaft im Fußball nur noch Mittelmaß ist, es gefällt mir definitiv nicht.

Bis bald
Euer Holger

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