Von der 5. Liga in die Premier League: Dem englischen Fußballverein Luton Town gelang dieses Kunststück innerhalb von neun Jahren. Das Stadion hat sich über all die Jahre nicht verändert und ist eine echte Kuriosität.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Oliver Jensen sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Erling Haaland, Ilkay Gündogan und Kollegen dürften ungewohnt dreinschauen, wenn sie in der kommenden Saison ihr Auswärtsspiel bei Luton Town bestreiten. Das Stadion des Premier-League-Aufsteigers, das Kenilworth Road Stadium, erscheint wie aus einer anderen Zeit. Oder man könnte auch sagen: wie aus einer anderen Liga.

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Beim rasanten sportlichen Aufstieg von Luton Town kam die Infrastruktur nicht hinterher. Innerhalb von neun Jahren stieg der Verein von der 5. Liga in die Premier League auf. Der Erstliga-Aufstieg über die Playoffs ist das i-Tüpfelchen.

Top-Vereine wie Manchester City oder der FC Chelsea reisen daher schon bald in die 213.000-Einwohner-Stadt Luton, die eine gute Autostunde nördlich von London liegt, und treten im kleinsten Stadion der Premier-League-Geschichte an.

Eine Tribüne inmitten einer Reihenhauszeile

Die 10.226-Arena hat Kult-Charakter. Sie liegt inmitten eines Wohnbezirks und ist von Reihenhäusern umgeben. Besonders legendär ist die Tribüne namens "Oak Stand". Deren Eingang liegt inmitten einer Wohnhauszeile. Die Zuschauer kommen auf dem Weg ins Stadioninnere an den Gärten der Häuser vorbei. Theoretisch könnten sie mit einem der Hausbesitzer, der gerade die Blumen gießt, noch ein kleines Pläuschchen halten.

Das im Jahre 1905 errichtete Stadion wurde zwar gelegentlich renoviert (zuletzt im Jahre 2005), hat aber auf den ersten Blick mit Profifußball nur wenig gemein. Als Sitzgelegenheiten mischen sich Holzsitze und Plastikbänke, der Spielertunnel ist zudem sehr eng.

Zwar plant der Verein schon länger, ein neues Stadion auf dem Gelände eines ehemaligen Elektrizitätswerks zu errichten. Die Arena soll etwa 100 Millionen Pfund (etwa 116 Millionen Euro) kosten und rund 19.500 Zuschauern Platz bieten. Doch bis im "Power Court", so der Name der geplanten Arena, gespielt werden kann, dürfte noch viel Zeit vergehen.

Gary Sweet, der Geschäftsführer des Vereins, sagte gegenüber "BBC", er hoffe, dass der erste Spatenstich "Ende dieses oder Anfang des nächsten Jahres" stattfinden wird. Der mögliche Fertigstellungstermin: im Jahre 2026.

Das Stadion steht für "Old-School-Fußball"

Um bis dahin mit dem aktuellen Stadion die Auflagen der Premier League zu erfüllen, müssen rund 12 Millionen Pfund in Umbaumaßnahmen gesteckt werden. Geplant sind eine modernere Haupttribüne, neue Flutlichter, bessere Arbeitsplätze für die Medien und größere Umkleidekabinen.

An dem Gesamteindruck dürfte das allerdings wenig ändern. Sweet mag das Flair und stellte bereits klar: "Ob es ihnen gefällt oder nicht, die Kenilworth Road ist das wirkliche Leben, richtiger Old-School-Fußball."

Doch wird die Mannschaft überhaupt dazu in der Lage sein, sich in der Premier League zu etablieren?

Der Marktwert des gesamten Kaders wird von "transfermarkt.de" auf 36,08 Millionen Euro geschätzt. Zum Vergleich: Die Kader-Marktwerte von Chelsea und Manchester City belaufen sich auf geschätzte 1,03 beziehungsweise 1,05 Milliarden Euro. Den geringsten Kaderwert der Premier League hatte in der vergangenen Saison Aufsteiger AFC Bournemouth mit 244,35 Millionen Euro. Ein himmelweiter Unterschied, der Luton Town, auch wenn sicherlich noch Spieler geholt werden, auf Anhieb zum krassen Außenseiter macht.

Mit der Gründung der Premier League begann der Absturz von Luton Town

Luton Town spielte schon einmal in der 1. englischen Liga, stieg aber im Sommer 1992 und somit direkt vor der Gründung der Premier League ab. Nicht zuletzt wegen finanzieller Probleme ging es in den Jahren darauf weiter nach unten.

Der Tiefpunkt: Aufgrund illegaler Finanztransaktionen und des Verstoßes gegen die Insolvenzbedingungen gab es im Jahre 2008 ganze 30 Punkte Abzug. Dies führte zum Abstieg in die Conference National und somit in die 5. Liga. Mehrere Jahre hingen sie dort fest, ehe 2014 die sportliche Kehrtwende ihren Anfang nahm.

Nun sind sie plötzlich wieder ein Bestandteil der milliardenschweren Premier League. Es ist davon auszugehen, dass der Verein die hohen TV-Einnahmen nutzen wird, um den einen oder anderen Top-Spieler dazu zu holen. Noch allerdings gibt es keine Transfers für die kommende Saison zu vermelden.

Es würde zur Philosophie des Vereins passen, zumindest den Kern der Mannschaft beisammen zu behalten. In Mittelfeldspieler Pelly-Ruddock Mpanzu gibt es sogar einen Akteur, der seit 2013 dem Club angehört und alle Aufstiege aktiv miterlebte. "Es war ein Abenteuer", sagt er. "Es geht darum, Leute zu haben, die an dich glauben."

Der Erfolgsschlüssel: "Die richtige Transferpolitik"

Der Top-Star der Mannschaft ist Carlton Morris, der erst vor einem Jahr nach Luton kam und mit 20 Treffern der beste Torjäger der Mannschaft ist. Der 27-Jährige hatte bereits für einige andere englische Zweitligisten gespielt, schaffte aber erst jetzt seinen großen Durchbruch.

Über den Erfolgsschlüssel des Vereins sagt er: "Für mich liegt es vor allem an den Charakteren. Es gibt hier eine Transferpolitik, an die sich alle halten. Hier werden gute Spieler verpflichtet, aber vor allem auch gute Leute. Das ist etwas, was manchmal unterschätzt wird. Wenn die Zeiten schwierig werden, arbeiten wir füreinander. Wenn ich mich umschaue, sind das hier genau die Art von Menschen, mit denen ich gerne zusammenarbeite."

Mit dieser Qualität möchte Luton Town das nächste Wunder vollbringen und sich dauerhaft in der Premier League etablieren. Irgendwann dürften sich Haaland, Gündogan und Kollegen dann an die Spiele inmitten englischer Wohnhauszeilen gewöhnt haben.

Verwendete Quellen:

  • lutontown.co.uk: Carlton Morris | "It does feel like home"
  • bbc.com: Kenilworth Road: The throwback Luton Town stadium hosting the Premier League
  • sport.sky.de: Fünf Aufstiege in neun Jahren: Das Märchen von Luton Town
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