Der RCD Mallorca hat eine beispiellose Berg- und Talfahrt hinter sich. Nach etlichen Irrungen und Wirrungen kämpfte sich der Klub von der Urlaubsinsel zurück in La Liga – dank der Unterstützung einiger Unternehmer und Dirk Nowitzkis bestem Kumpel.
Wie ungünstig kann ein Fußball-Standort sein? Auf der Insel Mallorca haben sie das beim größten Klub Real Club Deportivo jahrzehntelang erlebt und erleben es noch.
Abgeschieden vom Festland fehlt die ganz natürliche Verbindung zum Rest des Landes und was die Insulaner trotzdem mit dem spanischen Fußball verbindet, ist die Liebe zu Real Madrid und dem FC Barcelona. Auf Mallorca sind die Sympathien für die beiden größten Klubs des Landes sauber aufgeteilt.
Der ansässige Klub hat noch nicht einmal eine sportliche Heimstatt. Das Estadi de Son Moix wurde vor zwanzig Jahren lieblos aus dem Boden gestampft. Nicht für den Mallorca-Klub, der nur der Zweitverwerter ist.
Sondern für die Universiade, die Weltspiele der Studenten, welche die Tourismuszentrale und der Sportbund damals nach Mallorca lotsten. Im Son Moix sitzt man gefühlte 100 Meter vom Spielfeld entfernt, die heterogene Mischung aus "echten" Fans, solchen, die in Barca- oder Real-Trikots zuschauen und natürlich den Touristen, die sich eher zufällig zu einem der Spiele verlaufen, verhinderte oft genug jeglichen Anflug von echter Fußballstimmung in der Schüssel.
Sensationelles Playoff-Rückspiel
Mallorca gewinne seine Spiele zu Hause nur, weil die Gegner mit der Zeit einschlafen. Das ist ein geflügeltes Wort, aber es traf ganz sicher nicht zu am Abend des 23. Juni dieses Jahres.
Playoff-Rückspiel um den Aufstieg in die Primera Division, Mallorca muss gegen Deportivo La Coruna einen Zwei-Tore-Rückstand aufholen. Das Son Moix ist nicht nur brechend voll, es brodelt von der ersten Sekunde. Und nach 96 dramatischen Minuten explodiert das Stadion förmlich.
Tausende Fans fluten nach dem 3:0-Sieg den Rasen, Mallorca ist zurück in La Liga und es schließt sich - zumindest vorerst - endlich wieder der Kreis.
Der Klub von der Urlaubsinsel war auch schon mal fast ganz oben im europäischen Fußball. Nur hat das nie jemand so richtig mitbekommen.
Vor zwanzig Jahren schaffte es Mallorca mit Trainer Hector Cuper ins Finale des Europapokals der Pokalsieger, verlor im letzten Spiel des Wettbewerbs überhaupt - der Pokalsieger-Europapokal wurde danach ersatzlos abgeschafft - gegen Lazio mit 1:2.
Zwei Jahre später landeten die Mallorquiner in der Liga vor dem übergroßen FC Barcelona auf Platz drei, zogen direkt in die Champions League ein. Am ersten Spieltag schlug Mallorca dann den FC Arsenal, nur rauschte das quasi komplett an der Weltöffentlichkeit vorbei: Es war der 11. September 2001, wenige Stunden davor war in New York das World Trade Center eingestürzt.
"Der Klempner" bleibt ein Geist
Es folgten die dürren Jahre, Hunderte Spieler kamen und gingen, 22 Trainer wurden verschlissen. Einziger Lichtblick der frühen Nullerjahre blieb der Gewinn der Copa del Rey, unter anderem mit Walter Pandiani und Samuel Eto‘o im Sturm und Miguel Angel Nadal in der Abwehr, der Onkel von Rafael Nadal.
2008 stieg dann ein dubioser Engländer als Investor ein. Von Paul Davidson ist nicht besonders viel bekannt, nur dass er mit Pipelines ein Vermögen gemacht haben soll und deshalb auf den ulkigen Spitznamen "The Plumber" hört, der Klempner.
Vom Fußball verstand Davidson nichts, versprach aber alsbald den Gewinn der Champions League. Nach nur wenigen Monaten war Davidson aber so schnell wieder verschwunden, wie er aufgetaucht war. Was blieb, waren die rund 50 Millionen Euro Schulden.
Der deutsche Unternehmer Utz Claassen, dem damals ein Ruf wie Donnerhall vorauseilte, stieg kurz darauf als Anteilseigner ein. Claassen, Spitzname "Rambo", hat in Deutschland mehrere große Firmen saniert und auf eigene Beine gestellt. Er erkannte ein enormes Potenzial im Klub auf der Insel:
Die hervorragende Flug-Anbindung an damals allein 15 deutsche Städte, die Millionen von Touristen nicht nur als potenzielle Stadionbesucher, sondern als Multiplikatoren in deren Heimatländern, die Aussicht auf Trikotverkäufe und natürlich das Alleinstellungsmerkmal auf der Insel: Der einzige ernstzunehmende Kontrahent Atlético Baleares kickte in der dritten Liga.
Dritte Kraft? Abstieg in die dritte Liga!
Zur dritten Kraft hinter Real und Barca wollte Claassen den Klub aufbauen. Zwei Jahre später fand sich RCD erstmals nach 16 Jahren im Oberhaus aber plötzlich in der Segunda Division wieder.
Es folgte der komplette Ausverkauf, drei Jahre konnte sich der Klub gerade noch so vor dem totalen Fiasko retten. Zur 100-Jahrfeier 2017 war es dann aber so weit: Mal wieder war die Rückkehr in La Liga als Saisonziel ausgegeben worden. Stattdessen erlebte der Klub eine Horror-Saison – Platz 20, Abstieg in die dritte Liga.
Die Rettung kam aus den fernen USA. Der Immobilien-Mogul Robert Sarver hatte zuvor schon die Phoenix Suns in der NBA zusammen mit Ex-Profi Steve Kerr gekauft und dafür 400 Millionen Dollar auf den Tisch gelegt.
Sein erster Versuch, auch auf dem europäischen Markt in der dort populärsten Sportart Fuß zu fassen, war noch gescheitert. In zwei Bieterrunden konnte sich Sarver die Glasgow Rangers nicht einverleiben. Also stieg er kurzerhand beim RCD Mallorca ein - und schaffte mit dem Klub binnen kürzester Zeit den kompletten Turnaround.
Nowitzki-Kumpel hilft beim Märchen
Sarver hatte mit dem früheren Tennisprofi Andy Kohlberg und
Kohlberg ist Vizepräsident, Nash sitzt im Aufsichtsrat. Zusammen mit Claassen, der immer noch die restlichen 20 Prozent der Anteile hält, schaffte Mallorca erst den Wiederaufstieg in die 2. Liga und vollendete dann das Märchen gegen La Coruna vor wenigen Wochen - obwohl Mallorca als lediglich Fünfter der Abschlusstabelle der Segunda kaum Chancen in den Playoffs eingeräumt worden waren.
Nun also schließt sich der Kreis, die Gegner heißen nicht mehr La Nucia oder CF Orihuela, sondern Real Madrid und FC Barcelona. Der Start ins neue, alte Abenteuer ist durchaus geglückt.
Zwar verlor Mallorca zuletzt gegen Real Sociedad durch ein spätes Gegentor von Martin Ödegaard. Das erste La-Liga-Heimspiel nach sieben Jahren Unterbrechung wurde aber zelebriert wie eine Wiederauferstehung: Mit klassischem Underdog-Fußball rang Mallorca den Gast aus Eibar nieder, das Stadion war zwar nicht ausverkauft – aber am Ende bebte es.
Verwendete Quelle:
Spox.com: Interview mit Utz Claassen: "Die Welt hat ein Auge auf das Projekt"
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