- Sarah Zadrazil vom FC Bayern München erklärt im Interview mit unserer Redaktion, warum sie ihren Vertrag am Campus verlängert hat und was zur Spitze Europas noch fehlt.
- Darüber hinaus erzählt sie, was der Aufschwung im Fußball der Frauen für sie persönlich und die nächste Generation bedeutet.
Die Vize-Kapitänin erweiterte ihr Arbeitspapier beim FC Bayern jüngst bis 2026. Was das Team vom FC Barcelona lernen kann und warum diese beiden Spiele weit über die aktuelle sportliche Bedeutung hinaus sehr wichtig sind, erzählt die Nationalspielerin Österreichs im Interview mit unserer Redaktion.
Außerdem spricht sie über den neuen Trainer, die WM in Katar und zieht ein Fazit nach einem Jahr voller Highlights.
Frau Zadrazil, auf einer Pressekonferenz haben Sie Georgia Stanway als Kämpferbiene bezeichnet. Wie würden Sie sich selbst als Spielerin beschreiben?
Sarah Zadrazil: Ähnlich. Ich glaube, ich bin auch ein Arbeitstier im Mittelfeld. Ich versuche, vor der Abwehr abzuräumen und in der Spielgestaltung sind im zentralen Mittelfeld dann andere gefragt. Ich schaue, dass ich denen den Rücken freihalte. Mit der Rolle fühle ich mich auch super wohl.
Sie haben jüngst Ihren Vertrag beim FC Bayern bis 2026 verlängert. Eine im Fußball der Frauen eher ungewöhnlich lange Laufzeit. Was waren die wichtigsten Faktoren für Ihre Entscheidung?
Einerseits glaube ich, dass der Verein noch sehr viel Potenzial hat und ich mich mit der Mannschaft noch weiterentwickeln möchte. Andererseits ist München zu einer zweiten Heimat für mich geworden – die Mannschaft ist super, der Verein ist toll, man hat hier Top-Bedingungen und die Nähe zur Heimat in Österreich ist ein Bonus. Ich kann jederzeit meine Familie besuchen. Von daher fühle ich mich in München sehr wohl. Außerdem haben wir uns sportlich noch ein paar Ziele gesetzt und da bin ich sehr zuversichtlich, dass wir die in den nächsten drei Jahren erreichen können.
Vor allem nach dem ersten Lockdown 2020 hatte man das Gefühl, dass dieses Team sehr stark zusammengewachsen ist. Sie sind seit Sommer 2020 Teil des FC Bayern. Wie würden Sie die Entwicklung in der Teamdynamik seitdem beschreiben und trifft die alte Fußballphrase der elf Freundinnen in diesem Fall zu?
Wir haben schon etwas ganz Besonderes. In dieser Art und Weise kannte ich das bisher noch nicht, dass wir sehr eng miteinander sind – nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz. Ich würde echt sagen, dass ich mit allen sehr gut befreundet bin und jederzeit außerhalb des Platzes mit ihnen etwas unternehmen könnte. Das macht einen großen Unterschied, weil sich alle sehr wohl bei uns fühlen und wir eine sehr harmonische Mannschaft haben. Dementsprechend ist es auch auf dem Platz super und ich bin froh, dass ich ein Teil davon sein kann.
In der vergangenen Saison gab es in der Gruppenphase der Champions League einen 1:0-Sieg gegen Olympique Lyon. Ansonsten gab es gegen die Großen international meist Niederlagen. Was fehlt den Bayern noch, um zur Spitze Europas zu gehören?
Wir haben jetzt gegen Barcelona gesehen, was für eine Top-Mannschaft das ist und uns da aktuell vielleicht noch das eine oder andere fehlt. In der Breite sind Mannschaften wie Barcelona oder Lyon extrem gut aufgestellt. In englischen Wochen oder bei Champions-League-Belastung ist das sehr wichtig. Aber wir sind auf einem guten Weg. Wir haben eine tolle Mannschaft mit vielen Nationalspielerinnen, nur das eine oder andere muss sich eben noch verbessern, damit man mit Barcelona und Lyon mithalten kann. Aber man hat letztes Jahr gesehen, dass wir an einem guten Tag auch solche Mannschaften schlagen können.
Ist Kontinuität durch langfristige Verlängerungen wie von Lea Schüller oder Ihnen ein Aspekt, der bei dieser Entwicklung hilft? Oder anders gefragt: Fehlte das dem FC Bayern in den Jahren zuvor?
Wenn man einen Prozess hat und sich etwas aufbauen will, dann ist Kontinuität wichtig. Es freut mich extrem, dass
Gegen den FC Barcelona gab es eine recht deutliche Niederlage, bei der Sie vor allem in der ersten Halbzeit gut verteidigt haben. Was bedeutet dieses Spiel für die weitere Entwicklung des Teams?
Es ist wichtig, dass wir gegen solche Teams spielen und uns mit ihnen messen können. Wir haben zwar wöchentlich Bundesliga-Spiele, aber das war dann doch noch mal ein anderes Niveau. Ich glaube, aus solchen Spielen lernen wir sehr viel. Klar, es ist eine Niederlage, aber es ist auch die Gruppenphase und da kann das noch passieren. Wir haben noch ein Rückspiel, wo wir es besser machen wollen. Phasenweise haben wir es gut gemacht, und ich freue mich auf das Rückspiel, weil das wieder eine Möglichkeit ist, Dinge zu verbessern und zu verändern. Hoffentlich nehmen wir dann Punkte mit.
Was muss das Team im Vergleich zum Hinspiel besser machen, um vielleicht die Chance auf einen Punkt oder gar drei zu wahren?
Es waren unter anderem individuelle Fehler bei den Gegentoren. Wir haben in der ersten Halbzeit richtig gut verteidigt und dürfen uns gegen so eine Mannschaft keine Fehler erlauben. Wenn dann ein oder zwei Fehler passieren, nutzen sie das und machen Tore. Im Rückspiel wird es wichtig sein, kompakt zu sein und taktisch diszipliniert zu stehen. Was man aber auch gesehen hat: Wir hatten Chancen in der Umschaltphase. Wenn wir es nach Ballgewinnen besser ausspielen, bessere Konter fahren und der letzte Pass ankommt, haben wir auch gegen Barcelona Chancen, ein Tor zu erzielen.
Carolin Simon schrieb auf Instagram, man habe gesehen, wo man hinwill. Ist der FC Barcelona so etwas wie ein Vorbild für Bayern – auch und gerade vom Spielstil her?
Ja, das ist der Maßstab. Barcelona spielt Ballbesitzfußball, was wir eigentlich auch wollen. Sie sind auf jeder Position top besetzt und die Spitze im europäischen Frauenfußball. Man muss sich Ziele setzen und das ist eine Mannschaft, wo man hinschauen kann, Dinge mitnehmen und lernen kann. Es ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen passieren wird, aber das langfristige Ziel ist es, auf diesem Niveau Fußball zu spielen und zu Europas Spitze zu gehören.
Am 7. Dezember treffen Sie erneut auf Barça, dann aber in der Allianz Arena. Sie kennen das bereits aus dem März, als es gegen Paris ging. Mal abgesehen vom Ergebnis: Welche Erinnerungen haben Sie an dieses Arena-Debüt und was war für Sie besonders einprägsam?
Es ist für uns eine Ehre, dass wir in der Allianz Arena spielen, weil es ein unglaublich tolles Stadion und eine coole Bühne für den Frauenfußball ist. Es freut mich, dass wir wieder die Chance haben. Cool ist, dass wir unseren eigenen Zuschauerrekord brechen werden – jeder, der kommt, wird eine Extraportion Motivation. Über den Sommer ist ein Hype entstanden, was den Frauenfußball betrifft und es ist toll, dass sich das auch bei diesem Spiel in München bemerkbar macht. In Erinnerung ist mir vom ersten Spiel in der Arena vor allem die Atmosphäre geblieben. Dass man in der Allianz Arena auf dem Rasen steht, solche Bedingungen hat und Champions League auf dem höchsten Niveau in einem solchen Stadion spielen darf – das ist schon etwas Besonderes.
Am Wochenende steht ein richtungsweisender Spieltag in der Bundesliga an. Bayern spielt am Freitag gegen Hoffenheim, am Tag danach treffen Wolfsburg und Frankfurt aufeinander. Was für ein Spiel erwarten Sie gegen die TSG und wünschen Sie sich am Samstag dann ein Unentschieden?
Wir können eh nur beeinflussen, was wir machen und mit Hoffenheim erwartet uns eine richtig gute Mannschaft. Sie sind jetzt seit sieben Pflichtspielen ungeschlagen und haben tolle Einzelspielerinnen. Unser klares Ziel ist es aber, dass wir da drei Punkte holen, um weiter oben dranzubleiben. Aber es wird ein ganz anderes Spiel als gegen Essen, weil Hoffenheim auch in der Offensive extreme Qualitäten hat.
Seit Sommer haben Sie mit Alexander Straus einen neuen Trainer. Wie haben Sie ihn als Trainer und Menschen bisher wahrgenommen?
Sehr gut, er ist sehr kommunikativ, er redet sehr viel mit uns Spielerinnen und bezieht uns mit ein. Er macht eine super Arbeit. Er möchte einen Prozess starten, hat eine Vision und eine Idee davon, wie er Fußball spielen lassen will. Daran arbeiten wir jetzt und das ist uns bisher ganz gut gelungen. Es ist klar, dass es seine Zeit braucht, bis alles eingespielt ist. Aber ich persönlich finde, dass er ein super Trainer ist und ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit mit ihm in den nächsten Jahren.
In Interviews und auf Pressekonferenzen spricht er sehr gern über taktische Themen. Sind das Training und die allgemeine Arbeit am Campus komplexer geworden?
Taktik ist auf jeden Fall ein Thema. Aber immer, wenn ein neuer Trainer mit einer neuen Idee kommt, muss man viel Zeit auf dem Platz mit taktischen Inhalten verbringen. Das ist auch wichtig für uns. Es ist ein neuer Trainer, neuer Input, neue Trainingsinhalte, aber bis jetzt klappt das gut und das Training macht Spaß.
Was hat sich denn im Vergleich zu den letzten Jahren konkret unter ihm verändert, wenn wir auf Taktik, Spielanalyse und Spielvorbereitung schauen?
Gerade im taktischen Bereich verfolgen wir mit Alex eine neue Idee. Beispielsweise mit der Fünferkette am Anfang der Saison, wo er etwas Neues reinbringen wollte. Es ist klar, dass jeder Trainer taktisch Veränderungen mitbringt, aber es ist auch nicht so, dass Alex alles über den Haufen werfen wollte. Wir haben nicht bei null angefangen, sondern die Dinge aus den Saisons davor mitgenommen und Alex bringt seine Ideen und seine Spielphilosophie mit rein. Ich finde das super bis jetzt und ich freue mich zu sehen, wohin der Weg noch geht.
Hat der Trainer bei Ihrer langfristigen Verlängerung ebenfalls eine Rolle gespielt?
Das ist natürlich auch wichtig. Man arbeitet zusammen, man braucht eine gute Verbindung und will wissen, wohin es geht in den nächsten Jahren. Ich finde das bisher positiv und arbeite gern mit ihm zusammen. Das bezieht man dann auch in die Entscheidung mit ein.
Jetzt ist das Fußballjahr zwar noch nicht vorbei und eines der größten Highlights steht mit dem Barça-Spiel noch bevor, aber lassen Sie uns trotzdem ein kleines Fazit ziehen: das Arena-Debüt, die für Österreich abermals erfolgreiche Europameisterschaft, aber auch das Aus in den Play-offs für die WM 2023. Wie zufrieden sind Sie mit diesem Jahr?
Die Europameisterschaft war für uns ein absolutes Highlight. Es ist super gelaufen für uns als kleine Nation und wir haben uns wieder sehr gut verkauft, waren im Viertelfinale und sind dort gegen Deutschland knapp ausgeschieden. Das war so das Highlight in diesem Jahr. Aber auch die Champions League war mit dem neuen Format richtig cool, Paris im Viertelfinale war ein tolles Erlebnis. Das mit der WM tut schon weh und ist ein Negativerlebnis, weil wir uns da sehr viel vorgenommen haben. Wir wollten alle dort hin und uns den Traum erfüllen. Leider sind wir ausgeschieden. Aber solche Rückschläge gehören zum Sport einfach dazu und man muss das Beste daraus machen. Ich persönlich bin mit meinem Jahr sehr zufrieden, auch wenn wir noch einige Wochen vor uns haben.
Die Europameisterschaft in England hat auch in Deutschland und im deutschsprachigen Raum insgesamt einiges losgetreten. In welchen Bereichen nehmen Sie die steigende Aufmerksamkeit abseits der volleren Stadien noch wahr?
Das Medieninteresse ist generell gestiegen, vor allem bei deutschen Spielerinnen in Deutschland. Da gehöre ich jetzt nicht dazu, aber die Spielerinnen werden grundsätzlich häufiger erkannt und bekommen mehr Aufmerksamkeit, was sie sich verdient haben. Der Frauenfußball ist auf dem aufsteigenden Ast. Wir spielen in den großen Stadien, viele Leute kommen zu den Spielen, die Einschaltquoten sind höher. Das ist schön zu sehen und es macht mich auch ein bisschen stolz, dass ich Teil davon sein kann, dass wir der nächsten Generation Türen öffnen.
Sie haben mal gesagt, dass Sie im professionellen Fußball kein echtes Idol in Ihrer Kindheit hatten. Lag das auch daran, dass Frauen im Profifußball zu wenig präsent waren?
Früher gab es das noch nicht, dass man im Frauenfußball ein echtes Idol hatte. Aber mittlerweile ist es so, dass wir Vorbilder geworden sind für junge Mädchen und genau das ist es, was wir wollen. Wir wollen vermitteln, wie toll der Sport ist und dass es möglich ist, dass man mit Frauenfußball Geld verdient, Stadien füllt und auf professionellem Niveau trainieren und spielen kann. Es ist schön zu sehen, dass die harte Arbeit Früchte trägt und der Frauenfußball immer mehr in den Fokus rückt, dass viele junge Mädchen zu unseren Spielen kommen und zu uns aufblicken, Fotos machen wollen. Das ist schon etwas Besonderes und das hat sich erst in den letzten Jahren so entwickelt.
Aktuell läuft die Weltmeisterschaft der Männer, die vor allem neben dem Platz sehr kontrovers diskutiert wird. Ihre Kollegin Lea Schüller sagte jüngst, dass sie sich das nicht anschaue. Wie ist Ihre Position zu dieser WM und ist das ein Thema in der Kabine?
Ich verstehe die Spieler, die ihren Traum erfüllen und bei einer Weltmeisterschaft mitspielen wollen. Und ich finde, Fußball steht für Toleranz, Respekt, Gleichberechtigung und Offenheit. Diese Werte müssen immer vertreten sein, auch in Austragungsorten großer Turniere.
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