Mit Sabrina Wittmann gibt es erstmals eine Cheftrainerin im deutschen Profifußball der Männer. Die 32-Jährige übernimmt interimsmäßig bei Drittligist Ingolstadt – für Wittmann eine Herzensangelegenheit. Was der Trainerin wichtig ist und was sie auszeichnet.

Ein Porträt
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Sabrina Wittmann sorgt im deutschen Männer-Fußball für ein Novum: Erstmals überhaupt ist eine Frau Trainerin einer Profimannschaft. Die 32-Jährige wird die Nachfolgerin von Michael Köllner beim 1. FC Ingolstadt. Der Drittligist gab die Trennung von dem 54-Jährigen am Donnerstag bekannt.

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"Es gibt keinen Ort, an dem ich lieber hätte debütieren wollen."

Interimstrainerin Sabrina Wittmann über den 1. FC Ingolstadt

Für Wittmann ist es der nächste Aufstieg bei den Schanzern und der bislang größte von vielen in der Vergangenheit. Denn die 32-Jährige ist schon seit etlichen Jahren in Ingolstadt tätig – und dem Verein eng verbunden. "Es gibt keinen Ort, an dem ich lieber hätte debütieren wollen. Ingolstadt ist für mich etwas ganz Besonderes, mein Heimatverein. Hier habe ich vor 19 Jahren angefangen, selbst gespielt und erste Schritte als Trainerin machen dürfen", wird die 32-Jährige in der offiziellen Vereinsmitteilung zitiert.

Wittmanns stetiger Aufstieg bei den Schanzern

Die ehemalige Abwehrspielerin lief auch in ihrer aktiven Zeit für die Schanzer auf, von 2011 bis 2013 spielte sie für Ingolstadt, in der Saison 2011/12 gelang der Aufstieg in die Bayernliga. In der Rückrunde der Spielzeit 2013/14 spielte sie kurz für SpVgg Greuther Fürth, ehe es dann nach München ging. In der Landeshauptstadt spielte sie eine Saison lang für den FC Stern München und von 2015 bis April 2024 für den SC Amicitia München.

Dass Wittmann die Tätigkeit als Trainerin liegt, machte sich bereits früh bemerkbar: Noch während ihrer aktiven Zeit als Spielerin war sie nebenher Trainerin und später Co-Trainerin bei Amicitia. Bereits deutlich früher heuerte sie aber auch wieder in Ingolstadt an: 2009 war sie zunächst Coach bei der Audi Schanzer Fußballschule, drei Jahre später übernahm sie die U15 der Frauenabteilung.

Durch sehr gute Leistungen und viel Fleiß gelang Wittmann schnell der interne Aufstieg und der Übergang in den Männerbereich: Über die U16 landete die Trainerin schließlich bei der U19 – zunächst als Co-Trainerin, dann als Interimscoach. Nach einer Saison als U17-Trainerin wurde Wittmann im Sommer 2021 schließlich zur Cheftrainerin der U19 befördert, wo sie bis zuletzt tätig war und das Team zur Vize-Meisterschaft in der A-Junioren-Bundesliga der Staffel Süd/Südwest führte.

Wittmann kümmert sich in Ingolstadt auch um die Talentförderung

Wittmann liegt der Verein am Herzen, die gebürtige Ingolstädterin möchte die jungen Spieler weiterentwickeln und ihnen so den Sprung zu den Profis ermöglichen. Deshalb ist sie seit knapp einem Jahr zusätzlich noch Koordinatorin der Talentförderung sowie Leiterin der Entwicklungsabteilung.

Auf ihr Privatleben wirke sich der viele Fußball nicht wirklich aus, wie sie erst kürzlich im Interview mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) erklärt hat: "Ich habe nicht das Gefühl, dass ich von meiner Arbeit viel Freiraum benötige. Dafür mache ich den Job viel zu gerne."

"Sabrina Wittmann kennt unseren Klub wohl besser als kaum eine andere, sie ist Schanzerin durch und durch."

FCI-Geschäftsführer Dietmar Beiersdorfer

Sollte sie doch mal etwas Zeit finden, sei sie gerne in ihrer Wahlheimat München unterwegs. "So oft wie möglich verbringe ich dort meine Zeit mit Menschen, die mir wichtig sind, besuche Cafés oder ziehe mich beispielsweise an die Isar zurück, um dort zu lesen. Das ist ein guter Ausgleich zum Fußball."

Viel Freizeit dürfte für Wittmann in nächster Zeit jedoch nicht dazukommen, vorerst übernimmt sie die Ingolstadt-Profis für die letzten drei Spieltage, die in der Dritten Liga auf einem enttäuschenden elften Platz stehen.

Die Verantwortlichen jedenfalls sind von den Qualitäten Wittmanns überzeugt, für sie ist die 32-Jährige genau die Richtige: "Sabrina Wittmann kennt unseren Klub wohl besser als kaum eine andere, ist Schanzerin durch und durch", erklärte FCI-Geschäftsführer Dietmar Beiersdorfer am Donnerstag. Wittmann habe sich in den vergangenen Jahren "kontinuierlich – fachlich wie menschlich – weiterentwickelt und genießt zu Recht bei allen im Verein einen extrem hohen Stellenwert".

Sabrina Wittmann während ihrer ersten Trainingseinheit als Profi-Trainerin.
Sabrina Wittmann während ihrer ersten Trainingseinheit als Profi-Trainerin. © IMAGO/Stefan Bösl

Fleiß, Intensität und Mut zeichnen Wittmann aus

Wittmann packt an, Fleiß ist ihr besonders wichtig, wie sie in einem am Donnerstag veröffentlichten Vereinsvideo sagt. Bereits kurz nach Bekanntgabe der Köllner-Trennung stand die Interimstrainerin dann bei der ersten Einheit mit den Profis auf dem Platz.

Dabei deutlich zu sehen: Zurückhaltung oder gar Scheu gibt es bei Wittmann nicht. Die 32-Jährige machte immer wieder lautstarke Ansagen, unterbrach Übungen auch mal energisch mit einem lauten Pfiff, um für Korrekturen zu sorgen.

Wittmann setzt auf Intensität und Mut – Eigenschaften, die sie bereits bei der U19 integrierte. "Wir legen eine sehr intensive Spielweise an den Tag, haben ein unglaublich hohes Bewusstsein bei Aktionen gegen, aber auch Mut mit dem Ball entwickelt", sagte sie erst vor rund einem Monat im DFB-Interview über die Qualitäten ihres U19-Kaders.

Diesen Weg will sie nun auch bei den Profis konsequent weitergehen: "Wir wollen auf jeden Fall fleißig sein und intensiv rüberkommen. Wir werden auch mutig sein und mal Fehler in Kauf nehmen, aber im Grunde ist für uns die Intensität das Allerwichtigste", erklärte Wittmann im Rahmen ihrer ersten Einheit am Donnerstag.

Bleibt Wittmann über die Saison hinaus Trainerin der Profis?

Über eine Nachfolge von Wittmann im Sommer ist noch nichts bekannt, die Ingolstadt-Bosse könnten sich auch vorstellen, mit der 32-Jährigen weiterzumachen. "Es wäre ein Fehler, wenn man alles ausschließt. Wir sind für alles offen", sagte Sportdirektor Ivo Grlic am Donnerstag. "Sie hat die Möglichkeit, die dreieinhalb Wochen reinzuschnuppern, wie der Profifußball ist, damit sie sich weiter entwickelt. Wir haben keine Angst, die Mannschaft geht den Weg mit, und wir sind absolut überzeugt davon", erklärte Grlic weiter.

Fest steht: Wittmann möchte gerne im Männer-Bereich bleiben, das machte sie bei ihrer Vorstellung am Freitag deutlich: "Ich habe in der Vergangenheit noch nie große Zukunftspläne gehabt, es ist alles immer super gelaufen", sagte die 32-Jährige. "Ich fühle mich im Männer-Fußball total wohl." Für ein erstes Ausrufezeichen im Profibereich kann Wittmann schon am kommenden Sonntag sorgen. Dann geht es für die Ingolstädter in der 3. Liga gegen Waldhof Mannheim.

"Vorbilder sind wichtig, damit andere Frauen erkennen, was alles möglich ist."

Ingolstadt-Trainerin Sabrina Wittmann

Schon jetzt ist Wittmann in ihrem Bereich eine Pionierin. Als erste Cheftrainerin einer Männer-Profimannschaft in Deutschland ist sie eine Vorreiterin im Trainergeschäft. Weitere Frauen könnten ihr in den nächsten Jahren folgen.

"Vorbilder sind wichtig, damit andere Frauen erkennen, was alles möglich ist", sagte Wittmann Anfang April. So wie sie selbst eines ist.

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