Am Freitag beginnt für die deutschen Handballerinnen die EM. Wir haben mit DHB-Torhüterin Katharina Filter über fehlende Aufmerksamkeit, Erfolge im Sand, verrückte Torhüter und die Herausforderungen und Ziele bei dem Turnier gesprochen.
Zum Jahresende kämpfen die besten Handball-Teams Europas um den EM-Titel. Auch die DHB-Frauen sind mit dabei, sie starten am Freitag (29. November, 20:30 Uhr) gegen die Ukraine ins Turnier. Vor dem EM-Start haben wir mit DHB-Torhüterin Katharina Filter gesprochen.
Frau Filter, Ihre Oma war vor ein paar Jahren sehr umtriebig und hat bei einer Lokalzeitung angerufen, damit über Sie berichtet wird. Sollte ihre Oma vielleicht mal bei ARD und ZDF anrufen, damit die deutschen Handball-Frauen entsprechend gewürdigt werden?
Katharina Filter: (lacht) Wenn das jemand hinbekommen würde, dann meine Oma. Nein, Spaß beiseite. Es war damals natürlich eine witzige Aktion. Es freut mich auch, dass sie so stolz war, dass sie bei der Lokalzeitung angerufen hat. Natürlich wünschen wir uns, dass wir im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt werden. Aber wir sind auch froh, dass dieses Turnier jetzt live bei Sportdeutschland.TV zu sehen ist und wir so eine Sichtbarkeit haben. Die Perspektive sieht ja gut aus.
Genau. ARD und ZDF weiten das Engagement ab 2026 aus, auch wenn die WM 2025 im Moment noch nicht dazugehört. Was bedeutet diese große Bühne für den Frauen-Handball?
Definitiv sehr viel, weil die Präsenz viel größer ist. Viele Menschen schalten beim Fernsehen durch die Programme und bleiben dann auch mal bei einem Spiel von uns hängen. Das passiert vielleicht eher, als wenn man auf seinem Laptop im Internet extra nach den Spielen suchen muss. Durch Fernsehübertragungen erreicht man mehr zufällige Zuschauer, die man dann auch nachhaltig für den Sport begeistern kann.
Es gab zuletzt Übertragungen, bei Olympia zum Beispiel. Macht sich das durch mehr Zuspruch bemerkbar?
Ja, das haben wir auf jeden Fall gespürt. Vor allem von den Medien kommen mehr Anfragen, weil sie mehr darüber berichten wollen, da die Nachfrage bei den Menschen größer ist. Das hat ohne Frage Auswirkungen, weshalb diese Aufmerksamkeit auch so wichtig ist.
2025 ist Handball Frauensache, hieß es in einer Pressemitteilung. Was bedeutet die anstehende EM für das Standing des deutschen Frauen-Handballs?
Jedes Turnier ist wichtig, damit wir wieder zeigen, was wir können, und damit wir weiter unsere Leistung verbessern. Je erfolgreicher wir sind, desto mehr Berichterstattung und Interesse gibt es. Also ist auch dieses Turnier wichtig für unsere Präsenz. Aber wir bereiten uns vor wie auf jedes andere Turnier auch. Wir wollen unsere Leistung zeigen und damit so weit kommen wie möglich.
Was könnte der Frauen-Handball noch gebrauchen, um das Standing zu verbessern? Geht das komplett nur über den Erfolg?
Über den Erfolg ist es sicher am einfachsten. Wenn man etwas gewinnt, ist es einfacher, darüber zu berichten. Deswegen sind Erfolge sehr wichtig. Aber es fängt natürlich auch schon vorher an, dass man zum Beispiel den Weg begleitet und das auch von Anfang an beziehungsweise in dem Entwicklungsprozess, in dem wir uns befinden. Dass man die ersten Spiele sieht und nicht erst bei einem vermeintlich großen Spiel einsteigt, wo immer alles passieren kann. Aber man kann in ganz vielen Bereichen ansetzen, hierzu gehören auch die Ligen. Dass man auch dort immer mehr Präsenz bekommt, um noch mehr Leute anzusprechen und für uns und den Frauen-Handball zu begeistern.
Welche Herausforderungen hat der deutsche Frauen-Handball noch?
Vor allem der Fußball nimmt in Deutschland eine große Rolle in der Berichterstattung ein, sodass da in Richtung Sendezeiten natürlich auch Kapazitäten fehlen. Aber das ist nicht nur ein Thema des Frauen-Handballs, sondern viele Sportarten haben diese Herausforderung und kämpfen um Aufmerksamkeit.
Es geht hinsichtlich der Zukunft auch darum, Vorbild zu sein für die Jugend, um diese für den Sport zu begeistern. Wie wichtig ist diese Aufgabe als "Role Model"?
Sehr wichtig. Wir möchten als Team Präsenz zeigen und präsent sein. Um für andere Frauen und Mädchen voranzugehen und zu zeigen, was Handball kann, wie schön dieser Sport ist, wie das die Spielerinnen zusammenbringt und damit auch die Gemeinschaft fördert. Ich bin mir bewusst, dass ich ein Vorbild für Mädchen bin. Ich persönlich finde diese Rolle toll. Dass ich die Menschen begeistern kann mit dem, was ich mache. Und sie damit vielleicht auch überzeugen kann, mit dem Sport anzufangen.
Ihre Oma hatte bei einer Hamburger Zeitung angerufen, weil sie damals mit der Beachhandball-Nationalmannschaft Weltmeisterin geworden sind. Bis heute haben Sie zwei Mal die Europameisterschaft, ein Mal die Weltmeisterschaft und ein Mal die World Games gewonnen. Inwiefern hilft der Strand für die Halle?
Ich nehme von jedem Turnier die Erfahrung und auch die Erfolge mit. Denn es passieren dort immer wieder Dinge, auf die man sich nicht vorbereiten kann. Aber ganz wichtig sind die Lockerheit und die Freude am Spielen, das hilft mir auch für die Halle. Es hat mir viel geholfen, dass ich Turniere für Deutschland gespielt habe, und das in einem anderen Umfeld.
Im Fußball heißt es, dass Torhüter immer ein bisschen verrückt sind. Wie ist das beim Handball? Noch "schlimmer"?
Das ist eine gute Frage. Es ist auf jeden Fall eine besondere Position. Viele verstehen es nicht, weil man die ganze Zeit abgeworfen wird. Andererseits kriegt eine Kreisläuferin beispielsweise ständig irgendwelche Ellenbogen in die Rippen. Das stelle ich mir auch nicht weniger schmerzhaft vor. Aber im Gegensatz zu Torhütern im Fußball sind wir vielleicht tatsächlich ein bisschen verrückter.
Beach oder Halle – was ist denn herausfordernder?
Ein Turnier im Beachhandball läuft ganz anders ab. Es dauert zum Beispiel nur eine Woche, man ist also nicht so lange zusammen. Außerdem sind nicht 16 oder 20 Spielerinnen im Kader, sondern nur zehn oder zwölf. Aber man hat eben auch mal zwei Spiele an einem Tag. Wenn man morgens gespielt hat, muss man das direkt abhaken. Und dann geht es weiter mit der Videovorbereitung für das nächste Spiel. Das heißt, dass man sich nicht lange mit dem Spiel davor aufhalten kann. Ob es gewonnen oder verloren wurde – man muss im Kopf sofort switchen, um fokussiert auf das nächste Spiel zu sein. Andererseits ist der Sport auch kleiner. Unterbringung und Essen haben nicht den Standard wie Endturniere in der Halle. Wenn man das nicht ändern kann, muss man es akzeptieren und schauen, dass man andere Lösungen findet. Und auch das hilft mir für die Halle.
In der Halle sind Sie bei der Nationalmannschaft seit 2021 dabei, die Erfolge sind kleiner als im Sand. Wie sehen Sie die Entwicklung der Mannschaft?
Wir haben eine sehr gute Entwicklung genommen. Der Abstand nach hinten wird größer. Und der Abstand nach vorne wird kleiner, dazu werden wir konstanter. Die Ergebnisse gegen die Top Vier werden enger, viele Partien waren knapp. Auch mit Blick auf die Platzierungen bei den Turnieren entwickeln wir uns nach vorne. Wir sind mitten in dieser guten Entwicklung drin.
Was zeichnet das aktuelle Team vor allem aus?
Dass wir immer weitermachen. Es ist nicht einfach für uns gewesen in den letzten Jahren. Es gab immer die Kritik, dass wir gegen die Top-Nationen verloren haben. Trotzdem halten wir zusammen, wir kämpfen und gehen unseren Weg weiter. Hinzu kommt, dass wir uns stetig weiterentwickeln. Wir haben eine gute Mannschaft, in der jede versucht, das einzubringen, was sie kann. Jede arbeitet auch individuell im Verein und kommt besser zur Nationalmannschaft zurück. Und auch unsere gute Gemeinschaft zeichnet uns aus.
Die EM-Generalprobe verlief nicht so zufriedenstellend. Wie ist das Gefühl vor dem Turnier?
Ich freue mich sehr auf dieses Turnier. Ich habe richtig Bock darauf. Gegen Österreich lief es nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Trotzdem ist kein schlechtes Gefühl hängengeblieben. Wir hatten eine starke erste Halbzeit. Das nehmen wir auf jeden Fall mit in das Turnier. Es wird Zeit, dass es endlich losgeht.
Was muss besser werden bis zum ersten Spiel?
Wir müssen die kleinen Fehler abstellen. Fehler passieren, das ist auch gar nicht schlimm. Aber wir machen leider doch manchmal zu viele unnötige Fehler. Das ist aber nichts, in das wir noch viel Zeit investieren müssen, sondern da geht es um Kleinigkeiten. Deshalb mache ich mir keine Sorgen, dass wir das nicht abstellen können. Wir müssen noch ein bisschen konstanter werden, die Schwankungen innerhalb eines Spiels minimieren. Wenn wir das hinbekommen, kann es ein erfolgreiches Turnier werden.
Wie schätzen Sie die Gegner Ukraine, Niederlande und Island ein und welche Rolle spielt der Spielplan?
Mit der Ukraine zum Auftakt haben wir ein Spiel, wo wir der Favorit sind und die Partie auch gewinnen müssen. Danach kommen die Niederlande, was das wichtigste Spiel in der Vorrunde ist. Das ist ein Gegner auf Augenhöhe. Deshalb ist es ganz gut, dass es das zweite Spiel ist, weil wir hoffentlich mit einem Sieg und einem guten Gefühl in das Spiel gehen. Und dann zum Ende geht es gegen Island, was wir auch gewinnen wollen. Es sind keine einfachen Spiele, aber Spiele, die wir alle siegreich gestalten können und wollen.
Es geht bei so einem Turnier nicht nur um die bloße Qualität. Worauf wird es für die Mannschaft noch ankommen?
Dass wir uns als Team präsentieren und zusammenhalten, auch wenn es Phasen gibt, wo es nicht optimal läuft. Der Zusammenhalt ist immens wichtig. Dass wir immer weiter kämpfen, uns gegenseitig unterstützen. Dass wir aus jedem Spiel etwas mitnehmen können, das uns besser macht. Dazu dürfen wir nicht den Fokus verlieren, uns nicht ablenken lassen. Wir spielen auch für unsere Fans, wir wollen zeigen, dass wir Spaß daran haben. Und dass wir den Sport mit Leidenschaft und Freude ausüben.
Welches konkrete Ziel hat sich die Mannschaft gesetzt?
Das Ziel ist es, nach Wien zu kommen, also in die Hauptrunde. Dort treffen wir auf Dänemark und Norwegen. Das werden keine einfachen Spiele, da ist es natürlich sehr entscheidend, wie die Tagesform ist und wie wir unsere Leistung abrufen können. Der Weg ins Halbfinale ist nicht einfach, aber nicht unmöglich. Denn wie gesagt: Wir nähern uns der Weltspitze.
Über die Gesprächspartnerin
- Katharina Filter (25) spielt seit 2021 in der Handball-Nationalmannschaft, auf Vereinsebene steht sie bei dem französischen Klub Brest Bretagne Handball im Tor. Mit der Beachhandball-Nationalmannschaft wurde sie zwei Mal Europameisterin, ein Mal Weltmeisterin und gewann ein Mal die World Games.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.