Mit einem Tor wenige Sekunden vor Schluss besiegelte Portugal das Viertelfinal-Aus der deutschen Mannschaft bei der Handball-WM. Doch hätte der Treffer überhaupt zählen dürfen?
Im hochdramatischen WM-Viertelfinale zwischen Portugal und Deutschland (31:30 n.V.) waren nur noch sechs Sekunden zu spielen, als Portugals Rückraumspieler Martim Costa zur entscheidenden Aktion ansetzte: Der 22-Jährige ging auf der Mitte mit einem Überzieher an DHB-Kapitän Johannes Golla vorbei und feuerte den Ball ins deutsche Tor, vorbei am überragenden Torwart
Der Treffer in den letzten Sekunden der Verlängerung war die Entscheidung, Portugal feierte den Halbfinaleinzug bei der WM frenetisch, das deutsche Team hingegen war angesichts des Ausscheidens völlig niedergeschlagen.
Drei Schritte sind erlaubt, Portugals Costa machte fünf
Doch womöglich hätte das Viertelfinale auch anders ausgehen können, denn der Treffer von Costa war eigentlich irregulär. Der Grund: Der Portugiese machte bei seiner Angriffsaktion gleich fünf Schritte, erlaubt sind laut Regelwerk nur drei. Spätestens dann muss der Ball abgespielt oder auf den Boden geprellt werden.
So sah es auch der frühere Handballprofi Rasmus Boysen, der mittlerweile als Experte aktiv ist: "Fünf Schritte beim portugiesischen Siegtor", schrieb der Däne in einem X-Post, der die besagte Szene nochmals im Video zeigte.
Wurde das deutsche Team also vom norwegischen Schiedsrichtergespann betrogen? Ganz so eng will es ARD-Experte und Ex-Torwart Johannes Bitter nicht sehen. "Ich habe die Szene im Spiel gesehen, und rein nach Regelwerk hätte man das pfeifen können. Aber ich finde es schwierig, das jetzt als ausschlaggebenden Faktor für unser Ausscheiden zu benennen", erklärte der Handball-Weltmeister von 2007 im Gespräch mit "ran.de". Handball sei schneller geworden und auch die Dynamik des Spiels habe sich verändert, so Bitter. "Schrittfehler sind heute oft eine Gefühlssache für die Schiedsrichter, kein rein mechanisches Abzählen mehr."
Tatsächlich sind im Profihandball immer wieder Szenen zu sehen, in denen die Spieler mehr als drei Schritte machen – die Aktion von den Schiedsrichtern aber dennoch nicht abgepfiffen wird. Vor allem in Zweikämpfen drücken die Unparteiischen bei einem vierten Schritt häufig ein Auge zu. Fünf Schritte, die nicht geahndet werden, sind aber trotzdem eher ungewöhnlich.
"Letztlich bleibt es dabei: Ja, es war ein Regelverstoß, der zu einem Tor geführt hat. Aber zu sagen, daran hat es gelegen? Das wäre mir zu einfach", sagte Bitter. Auch weil es Szenen wie diese "sicher 20 bis 30 Mal in einem Spiel" geben würde. Bitter zufolge hätte die Szene "genauso gut zwei Minuten früher passieren können – und dann hätte sich niemand beschwert".
Große Aufregung gab es infolge des Treffers übrigens nicht. Weder die deutschen Spieler auf dem Feld, noch die Beteiligten auf der Bank beschwerten sich nach dem Tor beim Schiedsrichter.
Trotzdem, Fehlentscheidung bleibt Fehlentscheidung. Das sieht auch Ex-Profi Claus Möller Jakobsen so: "Es ist unbestreitbar, dass Costa zu viele Schritte macht. So etwas kann passieren, aber es ist super ärgerlich für die norwegischen Schiedsrichter, dass sie nicht rausgehen und das Ergebnis auf Video überprüfen", sagte er beim dänischen Fernsehsender TV Sport 2.
Er könne nicht nachvollziehen, warum sich die Schiedsrichter aus Norwegen die Szene nicht im Nachgang angesehen haben: "Wenn es eine Situation in den letzten 30 Sekunden gibt, die das Spiel entscheidet, verstehe ich nicht, warum die Schiedsrichter nicht rausgehen, um zu sehen, ob es nach Vorschrift gemacht wurde." Für Jakobsen sei die Entscheidung "ein großer Fehler der Schiedsrichter" gewesen: "Dieses Tor hätte nicht anerkannt werden dürfen."
Verwendete Quellen
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