Anfang Oktober beginnt die neue Saison der Schachbundesliga mit einem Klub, der für Aufsehen sorgt. Der FC St. Pauli bringt nicht nur einen großen Namen aus dem Fußball mit, sondern hat sich als Aufsteiger direkt mit dem besten Spieler der Welt verstärkt: Magnus Carlsen.
Gerade war der FC St. Pauli in der Bundesliga aufgestiegen, da sorgte er im Sommer 2024 mit einem Transferhammer für Schlagzeilen: Niemand Geringeres als der mehrmalige Weltmeister und wahrscheinlich beste Spieler der Welt wird den Klub verstärken. Eine Nachricht, die im Fußball so klingt wie die Fanfiction eines zu optimistischen Anhängers, ist im Schach Wirklichkeit geworden. Der (auch im Schach) aufgestiegene FC St. Pauli startet mit niemand geringerem als
Für Aufsehen sorgt der Coup vor allem, weil Carlsen in der Schachwelt als Phänomen gilt. Nicht nur, weil er rein sportlich dominiert, sondern weil er zur ersten Generation gehört, die sich auch über den Sport hinaus gut vermarkten kann. Der Norweger wählt sich die Wettbewerbe, an denen er teilnimmt, wohlüberlegt aus und spricht damit eine neue, jüngere Zielgruppe an, die das Spiel über Streaming-Portale, Netflix-Serien und Online-Turniere kennengelernt hat. An der klassischen Weltmeisterschaft nimmt der Norweger seit 2021 nicht mehr teil, weil er in dem Turnier keine Herausforderung mehr sieht.
Die Marke FC St. Pauli spielte bei Verpflichtung eine Rolle
Und jetzt ist Carlsen Teil der deutschen Schachbundesliga, die auch in Zeiten des Schach-Hypes oft nur eine Nebenrolle spielte. Noch bevor er Weltmeister wurde, hatte Carlsen schon einmal in der Schachbundesliga gespielt. Warum kehrt er jetzt aber zurück?
"Die Marke FC St. Pauli hat da eine wichtige Rolle gespielt", sagt Oliver von Wersch, beim FC St. Pauli verantwortlich für das Schachbundesliga-Team, im Gespräch mit unserer Redaktion. Carlsen ist bekennender Fußballfan und war auch in der Vergangenheit schon im Millerntor-Stadion zu Gast. "Ich freue mich, Teil der coolsten Marke in Deutschland zu sein", hatte Carlsen zu seiner Verpflichtung im Mai gesagt. Das Image des linksalternativen Stadtteilklubs scheint es ihm angetan zu haben.
Darüber hinaus verdankt der FC St. Pauli den Coup einem starken Sponsor mit Kontakten in die Schachwelt. Hinter dem Carlsen-Deal steckt eine Kooperation mit der Weissenhaus Chess Academy, einem Schachveranstalter, dessen Chef Jan Henric Buettner nicht nur Fan vom FC St. Pauli, sondern auch mit Carlsen gut vernetzt ist. Dass es Sponsoren und Mäzene brauche, sei nicht ungewöhnlich, erklärt von Wersch. Schließlich spielen in der Schachbundesliga Klubs, die de facto Amateurabteilungen sind, aber mit Profis am Brett antreten.
Auch das Zusammenspiel mit den Fußballern - Carlsen wird in dieser Saison wohl auch mal bei einem Heimspiel des FC St. Pauli im Stadion sein - stört von Wersch nicht. Im Gegenteil: Der FC St. Pauli will die Reichweite und die Ressourcen der alles überstrahlenden Fußballer nutzen, um sich in der Schachbundesliga zu etablieren. "Wir wissen, dass das noch kein anderer Klub so macht" - auch nicht der SV Werder Bremen und Bayern München, die ebenfalls schon seit längerem in der höchsten Spielklasse im Mannschaftsschach vertreten sind.
Auch um Carlsen herum hat der Klub zahlreiche Freunde und Weggefährten des mehrmaligen Weltmeisters auf Großmeister-Niveau verpflichtet. Unter anderem wird Carlsens Trainer Peter Heine Nielsen in der kommenden Saison für die Hamburger am Brett sitzen. Aber auch die Spieler, mit denen St. Pauli im Sommer in die Bundesliga aufstieg, sollen dann mit dabei sein.
Klassenerhalt ist auch mit Carlsen nicht sicher
Und so kann der FC St. Pauli in der kommenden Saison mit Magnus Carlsen angreifen. Der einzige Haken: Auch mit dem Norweger ist der Klassenerhalt alles andere als sicher. Das liegt an den Besonderheiten des Mannschaftsschachs: Acht Spieler darf jede Mannschaft pro Spieltag aufstellen, die jeweils gegen acht Spieler des anderen Teams antreten. Für jeden Sieg bei den Partien gibt es einen Punkt, die Schachspieler bleiben aber auch im Mannschaftsschach für sich an ihrem eigenen Brett. Das heißt auch: Egal wie gut Carlsen spielt, kann er seinem Team pro Spiel maximal einen Punkt bringen.
Und dann wäre da noch ein zweites Problem: Carlsen ist - wie jeder Schachspieler der Bundesliga - nicht fest an den FC St. Pauli gebunden. Er kann weiterhin für Teams im Ausland spielen oder an Einzelturnieren teilnehmen. Und der Norweger hat selbstverständlich einiges zu tun, die höchste deutsche Spielklasse im Mannschaftsschach ist ihn nur ein Projekt von vielen. "Er wird höchstwahrscheinlich an zwei bis drei Wochenenden für uns spielen", erklärt von Wersch. Weil pro Wochenende zwei Partien ausgetragen werden, wären das dann maximal sechs Spiele. Ähnlich handhaben das andere Bundesligisten, die auch mit Großmeistern auf Weltklasse-Niveau antreten.
Carlsen-Coup zahlt sich schon aus
Und so muss der Klub auch mit dem besten Spieler der Welt im Kader darauf achten, dass das Mindestziel Klassenerhalt in dieser Saison erreicht wird - obwohl man sich beim FC St. Pauli sicher ist, dass der Faktor Carlsen auch den anderen Spielern Extra-Motivation verleihen wird.
Der Carlsen-Coup hat sich unabhängig davon schon ein bisschen ausgezahlt, erzählt von Wersch. "Wir kriegen wahnsinnig viele E-Mails von Kindern, die ein Autogramm haben wollen oder die fragen, wann sie denn Eintrittskarten für die Heimspiele kaufen können", erzählt er. Sogar Fans aus Norwegen erwartet der Klub an den Spieltagen. Für Ende März nächsten Jahres ist deshalb bereits geplant, einen Doppel-Spieltag der Bundesliga in den Räumen des Fußballstadions auszutragen. Erstmals wird es für ein Spiel der Schachmannschaft dabei einen Vorverkauf geben. "Was im Mannschaftsschach ungewöhnlich ist", betont von Wersch.
Das Projekt sieht der Schach-Abteilungsleiter ausdrücklich als langfristig an, offiziell ist die Kooperation mit dem Sponsor auf drei Jahre ausgelegt. Auch wenn der beste Spieler der Welt dann erst einmal gegen den Abstieg spielt: Carlsen und der FC St. Pauli könnten dem Mannschaftsschach in Deutschland einigen Auftrieb verleihen.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Oliver von Wersch
- spiegel.de: FC St. Pauli verpflichtet Magnus Carlsen
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