Der Para-Schwimmer Taliso Engel hat sich bei der Weltmeisterschaft in Manchester zum dritten Mal den WM-Titel über 100 Meter Brust gesichert. Im Interview spricht der 21-Jährige über seine weiteren Karriereziele, seine Sehbehinderung sowie über sein plötzlich verloren gegangenes Hörvermögen auf dem rechten Ohr.
Herr Engel, Sie sind gerade von der Schwimm-WM in Manchester zurückgekehrt. Dort haben Sie sich zum dritten Mal WM-Gold gesichert und Ihren eigenen Weltrekord nur um 29 Hundertstel verpasst. Wie ordnen Sie Ihre Leistung bei der WM ein?
Taliso Engel: Grundsätzlich ist meine Leistung schon wieder ordentlich. Nach der Saison hatte ich nicht erwartet, dass ich schon wieder so nah an meine Bestzeiten rankomme. Deswegen bin ich sehr zufrieden mit der WM.
Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial?
Verbesserungspotenzial gibt es immer. Bei den 200 Meter Lagen hat mir sehr das Training aus Januar und Februar gefehlt. Da war dann die Streckenlänge einfach zu lang. Bei den 50 Meter Kraul gibt es immer noch technischen Verbesserungsbedarf. Bei 100 Meter Brust kann man auch immer noch etwas rausholen.
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Vor der WM haben Sie Anfang Juli auch an den Finals in Berlin teilgenommen. Dort sind Sie unter anderem auch gegen Olympia-Schwimmer angetreten. Über 50 Meter Brust kamen Sie ins B-Finale und belegten am Ende insgesamt den 10. Platz. Wie zufrieden waren Sie mit Ihrer Leistung und den Ergebnissen?
Für mich war das kein Wettkampf, auf den ich mich explizit vorbereitet habe. Ich habe den mehr zur Leistungsüberprüfung vor der WM genutzt. Mit den Zeiten, die am Ende rausgekommen sind, bin ich sehr zufrieden.
Wie unterscheiden sich die olympischen und paralympischen Wettkämpfe im Schwimmen? Werden Sie von den olympischen Schwimmern anders behandelt oder begegnet man sich auf Augenhöhe?
Grundsätzlich gibt es keine großen Unterschiede und man begegnet sich schon auf Augenhöhe. Ich werde nicht irgendwie anders behandelt. Mit denen, die ich kenne, unterhalte ich mich auch ganz normal.
Ist es rein sportlich eine andere Herausforderung?
Es fühlt sich nicht wirklich anders an. Allerdings herrscht ein anderes Tempo, weil die olympischen Schwimmer doch etwas zügiger unterwegs sind. Deswegen finde ich es immer gut, auch mal bei olympischen Wettkämpfen mitzuschwimmen.
Neben Ihrer angeborenen Sehbehinderung haben Sie seit dem vergangenen Winter eine zusätzliche Beeinträchtigung. Sie hören auf dem rechten Ohr nichts mehr. Wie ist es dazu gekommen? Und wie ist die ärztliche Prognose?
Ich hatte im vergangenen Dezember eine Mandelentzündung. Ich habe Antibiotikum genommen, was auch gut gewirkt hat und mir ging es wieder halbwegs gut. Ich war zumindest so fit, dass ich ins Trainingslager geflogen bin. Bei dem Flug nach Antalya hatten wir eine Zwischenlandung in Istanbul. Schon dort habe ich gemerkt, dass ich starken Druck auf den Ohren habe. Der ist auch Tage später nicht weggegangen und entwickelte sich schmerzhaft. Ein Arzt in Antalya hat dann eine Mittelohrentzündung festgestellt. Nach wenigen Tagen kamen Blut und eitrige Flüssigkeit aus dem Ohr. Vermutlich ist zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal das Trommelfell gerissen. Die Medikamente, die ich dort bekommen habe, haben alle nicht wirklich geholfen. Ich habe die Probleme dann bis zu meiner Rückkehr nach Deutschland mit mir rumgeschleppt.
Wie ging es in Deutschland weiter?
Dort haben die Ärzte einen Schnitt ins Trommelfell gemacht, um noch mehr Flüssigkeit raussaugen zu können. Die Maßnahmen haben zwar gegen die Schmerzen geholfen, aber ich habe weiterhin nichts gehört auf dem rechten Ohr. Die Ärzte meinten damals, dass das Gehör in bis zu drei Monaten zurückkommen sollte, alles andere wäre ein Ausnahmefall. Jetzt ist es allerdings so, dass es eher ein Ausnahmefall wäre, wenn das Gehör wiederkommt. Die aktuelle Prognose ist, dass es so bleibt.
Wie gehen Sie mit dieser zusätzlichen Beeinträchtigung um und wie kommen Sie damit zurecht?
Grundsätzlich komme ich gut damit zurecht und ich habe mich schnell daran gewöhnt. Mein linkes Ohr kompensiert einiges. Aber natürlich ist es so, dass ich sehr viel von meiner Sehbehinderung mit meinem Gehör ausgeglichen habe. Das merke ich im Alltag. Was den Sport angeht, beeinträchtigt mich das aber nicht, weil man im Wasser ohnehin nicht wirklich viel hört. Es hat mich anfangs aber beeinflusst, dass ich extreme Gleichgewichtsprobleme hatte. Das war zuerst einfach beim Laufen sehr schwierig, dann aber auch im Wasser, wo man auch ständig seinen Kopf bewegt. Es hat ein paar Wochen gedauert, bis es besser wurde. Mittlerweile ist wieder alles gut, was das Gleichgewicht angeht.
Gehen wir einige Jahre zurück: Wie sind Sie zum Schwimmsport gekommen?
Ich habe früher ganz normal einen Schwimmkurs gemacht. Schon als kleines Kind hatte ich immer viel Spaß im Wasser. Ich bin deswegen auch immer drangeblieben und irgendwann auch in den Verein gekommen. So hat sich das immer weiterentwickelt. Zunächst hatte ich zwei Trainingseinheiten pro Woche, mittlerweile sind es neun bis elf.
Waren Sie schon immer schneller als die anderen?
Nein, früher war das noch nicht so. Das kam erst mit dem zunehmenden Training.
Ihre Goldmedaille in Tokio 2021 haben Sie mit einer Weltrekordzeit von 1:02,97 Minuten gewonnen. Für diese Leistung wurden Sie von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet. Welche Ziele und Träume haben Sie noch in Ihrer Karriere?
Mein großer Wunsch aktuell ist, erst mal wieder an meine Bestzeiten und an meine Weltrekordzeit über 100 Meter Brust ranzukommen. Mit Blick auf die Paralympics in Paris im kommenden Jahr wünsche ich mir, wieder eine Medaille gewinnen zu können. Ich bin da nicht so, dass ich sage, ich will unbedingt Gold gewinnen.
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