In einem offenen Brief fordern deutsche Turnerinnen, den erteilten Auftrag des Deutschen Turnerbunds (DTB) an eine Kanzlei zur Untersuchung der Missbrauchsvorwürfe zurückzunehmen. Die Vermutung: Die Untersuchung wäre nicht unabhängig.

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Der Deutsche Turner-Bund (DTB) sieht sich bei der Aufklärung der öffentlich gewordenen Missstände an einigen Bundesstützpunkten neuen Vorwürfen ausgesetzt. In einem offenen Brief fordern mehrere ehemalige Spitzenturnerinnen den Verband auf, den bereits erteilten Auftrag an die Frankfurter Kanzlei Rettenmaier zur Untersuchung der Vorwürfe zurückzunehmen. Laut eines Berichts des SWR zweifeln die Unterzeichnerinnen an der Unabhängigkeit der geplanten Untersuchung.

Unterschrieben haben den Brief insgesamt 28 Personen, neben Trainern, Stützpunktleitern und Eltern sind darunter auch ehemalige Spitzenturnerinnen wie Janine Berger, Lara Hinsberger, Nadine Jarosch oder Sophie Scheder. Gerichtet ist das Schreiben an den Vorstand und das Präsidium des DTB, zudem an das für Sport zuständige Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), an das Sportministerium Baden-Württemberg sowie an den Landessportverband Baden-Württemberg.

Die Kanzlei Rettenmaier war bereits vor vier Jahren zur Untersuchung der Missstände am Stützpunkt in Chemnitz beauftragt worden. Laut den Unterzeichnern und Unterzeichnerinnen habe sich bereits damals gezeigt, dass eine durch den DTB in Auftrag gegebene Überprüfung nicht unabhängig sein könne, da die Ergebnisse von den Eigeninteressen des DTB beeinflusst sein könnten.

Turnerinnen zweifeln Objektivität der Kanzlei an

So hatte etwa Sophie Scheder, Olympia-Dritte von 2016, die Objektivität der Kanzlei angezweifelt; in einem Interview im Jahr 2021 hatte sie über das Gespräch mit Anwälten gesagt, dass sie nicht das Gefühl gehabt habe, "dass sie meine Meinung wirklich hören wollten." Die Kanzlei soll mit dem deutschen Sportsystem eng verbunden sein, so besetzt der Jurist Felix Rettenmaier etwa die externe Ombudsstelle des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) als unabhängiger Vertrauensanwalt. In dem offenen Brief fordern die Verfasser nun das BMI, das Sportministerium Baden-Württemberg und den Landessportverband Baden-Württemberg dazu auf, sich für "eine neutrale und von den Turnverbänden unabhängige Aufklärung" einzusetzen.

In den vergangenen Wochen hatten vorwiegend ehemalige, zuletzt in Person von Elisabeth Seitz aber auch aktive Spitzenturnerinnen öffentlich schwere Vorwürfe zunächst über die Arbeit am Stützpunkt in Stuttgart, später auch am Stützpunkt in Mannheim erhoben; unter anderem wurde "systematischer körperlicher und mentaler Missbrauch" beklagt. Der DTB kündigte nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe eine externe und unabhängige Klärung an und beauftragte die Kanzlei Rettenmaier, der Schwäbische Turnerbund (STB) beendete die Zusammenarbeit mit einer Trainerin und einem Trainer. (sid/bearbeitet von jum)

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