Durch ein 4:2 im Elfmeterschießen setzte sich Deutschland gegen Kanada im Viertelfinale des olympischen Fußballturniers der Frauen durch. Die alles überstrahlende Akteurin war Torhüterin Ann-Katrin Berger, die 33-Jährige hielt erst zwei der Elfmeter und verwandelte dann den Entscheidenden selbst.

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So lässig wie während dieser Schlussphase der Partie war Berger auch danach in der Mixed Zone. Wie das Elfmeterschießen war? "Cool! Wie fandet ihr es?", so die Torfrau gegenüber den anwesenden Medienleuten, "Es hat Spaß gemacht. Ich liebe Elfmeterschießen. Ich finde, als Torhüter kann man dabei nur gut aussehen und empfinde auch keinen Druck, sondern genieße den Moment. Ich freue mich immer, wenn es Elfmeterschießen gibt!"

Berger hätte fast auch noch einen dritten Elfmeter gehalten. Sie hätte dann selbst nicht mehr vom Punkt antreten müssen, allerdings rollte der Schuss von Janine Beckie doch noch unter der gebürtigen Göppingerin hindurch.

"Euch würde ich sagen, ich wollte nicht halten, weil ich unbedingt schießen wollte", so Berger lachend, "Nein, es war natürlich frustrierend. Nöre [Thomas Nörenberg] hat mir gesagt, ich soll zwei Elfmeter halten. Das wäre der dritte gewesen. Ich muss natürlich manchmal auch auf die Trainer hören, das habe ich gemacht. Aber ja, es war auf jeden Fall frustrierend. Den hätte ich unbedingt halten müssen, da gibt es keine Ausrede."

Berger stand als Elfmeterschützin fest

Berger war gerade dieser Schuss durchgerutscht, da trat sie selbst vom Punkt aus an und ließ sich auch durch den von ihr beschriebenen Frust nicht aus der Ruhe bringen. Es war ihr erster Elfmeter. Britta Carlson hatte die Torfrau gefragt, ob sie einen übernehmen würde: "Ich habe gesagt, ja klar, kein Ding", so Berger. Sie verwandelte gegen Kailen Sheridan sicher und schoss Deutschland damit ins Halbfinale gegen die USA.

"Drei waren eh klar", sagte Horst Hrubesch zu den Elfmeterschützinnen, "Und eine weitere war für mich klar. Wer Anne kennt, weiß, dass Anne schießen kann. Sie war eine der ersten, die auf dem Zettel stand."

Hundertprozentig zufrieden war Hrubesch mit seiner Torhüterin aber nicht. Als alles vorbei war, redete er auf Berger ein. "Ja, der hat mich zur Schnecke gemacht", so die Torfrau schmunzelnd, "Warum ich den dritten Elfmeter nicht gehalten habe? Der ärgert mich immer gern: ‚Halt auch mal die Bälle fest!‘ Ich wollte einfach auch mal schießen, habe ich zu ihm gesagt."

Kein fehlerfreies Spiel

Dabei wäre es vielleicht erst gar nicht so weit gekommen, Kanada hatte nach einer schwachen ersten Hälfte in Halbzeit zwei nach mehreren Wechseln in der Offensive deutlich die Oberhand und sehr viele Torchancen. Eine davon leitete Berger in der 107. Minute der Verlängerung direkt ein, als sie zu lange mit einem Pass wartete und Évelyne Viens sie gefährlich unter Druck setzte. Am Ende konnte Kanada die Chance aber nicht nutzen.

Auch in den letzten Partien gab es neben den starken flachen Abschlägen der Torfrau in die Offensive auch ein paar Fehler, einer davon führte gegen Sambia zum Gegentor. "Ich habe natürlich selber geguckt, woran es liegt, und habe mit meinem Torwarttrainer geredet. Wir haben ein paar Kleinigkeiten verbessert. Ich wusste vorher nicht, wie mein Körper es nimmt, jeden dritten Tag zu spielen."

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Wechselhafte Jahre

Ihr habe vielleicht etwas die Spannung gefehlt, weil sie zu viel Regenerationstraining gemacht habe, so Berger. Das Training sei entsprechend ihrer Bedürfnisse angepasst worden. Für die Torfrau ist das olympische Fußballturnier damit bisher ein riesiger Erfolg. Erst kurz vor Start der Olympischen Spiele hatte sie sich den Stammplatz von Merle Frohms im Tor erobert. Bergers letzte Jahre verliefen sportlich wie persönlich wechselhaft. Zweimal wurde bei ihr Schilddrüsenkrebs diagnostiziert, die letzte Behandlung war im Sommer 2022.

Kein volles Jahr später war sie bei ihrem damaligen Verein Chelsea wieder Stammtorhüterin und gewann auch den "Blues" ein wichtiges Elfmeterschießen. Wem Bergers Haltung mit den beim Warten auf der Linie hinterm Rücken verschränkten und den später zum Jubel ausgebreiteten Armen bekannt vorkommt, erinnert sich an das Champions-League-Viertelfinale im März 2023. Die Partie Chelseas gegen Lyon ging ins Elfmeterschießen und Berger hielt zweimal: Zuerst gegen Wendie Renard und dann als entscheidende Aktion gegen die US-Nationalspielerin Lindsay Horan.

Berger wurde von ganz Chelsea gefeiert, verlor dann aber im Verlauf der Saison 2023/24 noch unter Emma Hayes, bevor diese zum US-Verband gewechselt war, ihren Stammplatz im Tor. Im Frühjahr 2024 wechselte Berger von Chelsea in die NWSL zu NJ/NY Gotham FC. Vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass ihre Verlobte Jess Carter denselben Vereinswechsel vollzieht.

Seit Emma Hayes sich negativ über Beziehungen zwischen Spielerinnen innerhalb eines Teams geäußert hatte und später dafür entschuldigte, deutete sich eine Verstimmung zwischen der Trainerin und dem Paar an. In der US-Liga trumpfte Berger in mehreren Partien groß auf – und spielte sich so auch für die Nationalelf und die Olympischen Spiele in den Fokus.

"Ich glaube, unter Druck bin ich besser als ohne Druck. Ich hätte niemals gedacht, dass ich hier bei den Olympischen Spielen spielen werde in meiner Karriere. Und jetzt, wenn wir schon so weit kommen, macht es natürlich auch Sinn, dann ins Finale zu kommen."

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