Für die ProSieben-Sendung "Zervakis & Opdenhövel. Live." taucht ein Reporter in die Ultra-Szene von Lok Leipzig ein. Wirklich in die Karten blicken lassen sich die organisierten Fans aber nicht. Auch ein Streitgespräch zwischen einem Ultra und einem normalen Lok-Fan verläuft eher enttäuschend.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Stüwe dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Inszenierung ist dramatisch. Zwei junge Männer in schwarzen Jacken stehen sich in einer finsteren Tiefgarage gegenüber und blicken sich in die Augen wie beim Staredown vor einem Boxkampf.

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Der eine ist der 18-jährige Jan, leidenschaftlicher Fan des 1. FC Lokomotive Leipzig in der Regionalliga Nordost. Der Name des anderen wird nicht genannt. Er trägt eine Skimaske und gehört den Ultras des sächsischen Traditionsvereins an.

Zwischen beiden Gruppen gibt es Spannungen. Zum Spiel gegen den Chemnitzer FC nimmt Jan seine kleine Schwester nicht mit, weil es ein Hochrisikospiel ist und er Ausschreitungen befürchtet. " Wie kann das sein?", wird im anschließenden Beitrag gefragt: "Der Otto-Normal-Fan oder die Familie traut sich wegen Ultras nicht mehr ins Stadion."

Im Streitgespräch sollen Jan und der anonyme Ultra nun ihre Meinungsverschiedenheiten klären. Das Gespräch wird allerdings weitaus weniger dramatisch verlaufen, als es das martialische Tiefgaragen-Setting vermuten lassen könnte.

Zervakis und Opdenhövel widmen sich dem Thema Ultras

"Unter Ultras" hieß eines der Themen bei "Zervakis & Opdenhövel. Live." am Mittwochabend. Die Infotainmentsendung versprach Einblicke in das Leben der organisierten Fußballfans. Und Matthias Opdenhövel stellte in der Anmoderation direkt klar, dass Ultras eigentlich nicht mit Journalisten sprechen.

Die Leipziger Ultras machten für Reporter Henning Behrens zwar eine Ausnahme, erzählten ihm aber ziemlich wenig. "Wir machen die Pyro, wir machen die Choreo, wir opfern unsere Freizeit", berichtete einer der Ultras, dessen Name ebenfalls nicht genannt wurde: "Wenn richtig Rambazamba im Stadion ist, dann macht es doch Spaß."

Ob es gute und böse Ultras gebe, wollte Behrens wissen. "Es ist wie überall. Es gibt gute und schlechte", antwortete der Fan. Tatsächlich ist die Ultra-Szene sehr heterogen. Die Grenzen zwischen normalen Fans, Ultras und Hooligans, die sich in Waldstücken oder Seitenstraßen zu Schlägereien verabreden, sind oft fließend.

Ultras sorgen für Stimmung - aber auch für Ausschreitungen

Die Ultra-Gruppen unterscheiden sich in ihren Zielen, Ideen und Werten von Verein zu Verein, selbst innerhalb einzelner Vereine gibt es teilweise unterschiedliche Strömungen. Viele Ultras richten ihr ganzes Leben nach ihrem Fußballverein aus, sie arbeiten unter der Woche an aufwändigen Choreographien für das kommende Wochenende und sorgen oft für begeisternde Stimmung in den Stadien.

Gleichzeitig sind meistens Ultras beteiligt, wenn es zu Ausschreitungen rund um Fußballspiele kommt. Außerdem beanspruchen sie eine Führungsrolle in der Fanszene und sehen sich oft als die einzig wahren Unterstützer des Vereins an.

Sich dieser komplexen Subkultur in 15 Minuten zu nähern, ist praktisch unmöglich. Weshalb der Beitrag bei "Zervakis & Opdenhövel. Live." am Mittwochabend letztlich nur für Menschen interessant gewesen sein dürfte, die sich bislang eher weniger mit Fußball oder Fankultur auseinandergesetzt haben.

Markus Babbel wurde beim VfB Stuttgart unter dem Druck der Fans entlassen

Im Studio war der frühere Nationalspieler Markus Babbel zu Gast. Als Trainer des VfB Stuttgart war Babbel 2009 entlassen worden, auch weil die VfB-Ultras Stimmung gegen ihn und die Mannschaft gemacht hatten.

"Ich fand das sehr schade, weil ich das Stuttgarter Publikum und gerade die Ultra-Szene als sehr positiv empfunden habe. Das hat überhaupt nicht zu diesem Verein und zu dieser Fanszene gepasst. Das hat schon sehr weh getan", sagte Babbel.

Echte Einblicke in die Ultra-Szene gab aber auch der Europameister von 1996 nicht. Genau wie das zu Beginn erwähnte Streitgespräch in der Tiefgarage letztlich eher ein Austausch schon oft gehörter Argumente war.

Die Diskussionen um Ultras werden weitergehen

"Wir bezahlen Tickets, wir finanzieren den Verein. Wir spenden und wir sponsern. Wir sind viel wichtiger. Ihr verursacht nur Strafen", sagte Lok-Fan Jan.

"Von außen wirkt das manchmal schon ein bisschen chaotisch, aber wenn man selber mitten drin steht und das ganze Feeling miterlebt, kann man das schon verstehen. Diesen Zusammenhalt", entgegnete der Leipziger Ultra mit der Skimaske.

Wirklich Neues aus Deutschlands Fankurven gab es am Mittwochabend bei Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel nicht zu erfahren. Die Diskussionen um Ultras und ihre Rolle im Fußball werden ziemlich sicher auch in den nächsten Jahren weitergehen.

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