Auch im dritten Anlauf schafft Alexander Zverev nicht den letzten Schritt und scheitert erneut in einem Grand-Slam-Finale. Gegen Jannik Sinner war der Deutsche letztlich chancenlos und droht, der Unvollendete zu bleiben.
Alexander Zverev hatte sich im Vorfeld um wirklich jede Kleinigkeit gekümmert: Die Saiten seiner Rackets nochmal neu und etwas leichter auf nur 16,9 Kilogramm bespannen lassen, den Wettbericht studiert, die angesagten Temperaturen unten auf dem Court und vor allen Dingen den Einfall des Windes, sollte das Dach der Rod-Laver-Arena offen bleiben.
Und natürlich war da noch der Bart: Der müsse jetzt natürlich stehen bleiben, sagte
Die Nummer zwei der Welt war im Finale der Australian Open gegen Jannik Sinner letztlich chancenlos, beim 3:6, 6:7 und 3:6 war der Italiener in eigentlich allen Belangen überlegen, spielte nahezu fehlerfrei, unglaublich konstant und letztlich unantastbar wie ein Champion.
Dem hatte Zverev nicht genug entgegenzusetzen, spielte eine Spur zu verhalten in einem Finale, etwas zu zögerlich und abwartend. Traf die Bälle nicht früh genug, weil er einen Tick zu weit hinter der Grundlinie stand und schaffte es in den Ralleys deshalb auch selten in die attackierende Rolle.
Jannik Sinner spielte zu schlau, zu kontrolliert
Als Zverev beim Stand von 6:5 nur zwei Punkte vom Satz entfernt war, gewann Sinner den spektakulärsten Ballwechsel des Spiels und ebnete den Weg in den Tie-Break - wo er dann beim Stand von 4:4 mit einem unerreichbaren Netzroller auch das nötige Quäntchen Glück auf seiner Seite hatte.
Mit dem zweiten Satz schien Zverevs Widerstand gebrochen, gegen das italienische Uhrwerk war an diesem Tag letztlich einfach kein Kraut gewachsen. Im dritten und dann auch schon letzten Satz nutzte Sinner seinen insgesamt zehnten Breakball zum 4:2 und ließ Zverev danach nicht mehr zurück ins Match finden.
Eindrucksvollster Beleg der frappierenden Dominanz: Sinner ließ im gesamten Match nicht einen einzigen Breakball bei eigenem Aufschlag zu. Zverev hatte also noch nicht einmal die Chance, die Phalanx seines Gegners zu durchbrechen und nachhaltige Ansprüche zu stellen.
Sinner spielte zu schlau, zu kontrolliert und in den wenigen wichtigen Momenten auch zu effizient und nüchtern, als dass sich für Zverev jemals eine Tür öffnen konnte. Und er zeigte beim dritten Sieg in seinem dritten Grand-Slam-Finale auch wieder den dafür nötigen Killerinstinkt.
So kam auch die vermeintliche Schwachstelle des 23-Jährigen gar nicht zum Tragen: Sinner hatte vor dem Match rund anderthalb Stunden mehr Spielzeit in den Beinen und schon das eine oder andere körperliche Problem in den Runden davor gezeigt. Zum Faktor wären die körperliche Verfassung und auch die leichten Probleme am linken Oberschenkel wohl nur bei einem Fünf-Satz-Match geworden.
Der Final-Fluch hält an
Alexander Zverev hat alles versucht, gekämpft, geflucht, manchmal auch gezaubert. Sein Widersacher aber hatte darauf immer eine Antwort und war am Ende schlicht der bessere Tennisspieler an diesem Tag. Damit wartet der 27-Jährige weiter auf seinen ersten Grand-Slam-Titel.
Nach den Final-Niederlagen 2020 bei den US Open gegen Dominic Thiem und bei den French Open im letzten Jahr gegen Carlos Alcaraz - jeweils nach fünf Sätzen, nach Satz-Führungen und großem Drama - bleibt Zverev also auch im dritten Anlauf der ganz große Wurf verwehrt.
Die Gefahr, dass sich daraus ein wiederkehrendes Muster, ein Fluch, ein kleines Trauma entwickeln könnte, ist zumindest zu befürchten. Während Zverev aber bei den Niederlagen zuvor jeweils am Limit und nahezu wie ein Champion spielte, konnte er sein allerbestes Tennis gegen Sinner nur sporadisch zeigen. Das unterscheidet diese Niederlage von allen anderen.
Er wolle einen Satz mehr gewinnen als bei seinen ersten beiden Versuchen, hatte Zverev vor dem Finale noch gesagt, sprich: endlich den letzten Schritt gehen und in der Best-of-five-Serie diesen dritten Satz gewinnen.
"Es regt mich auf, schon wieder neben diesem Ding zu stehen und es nicht berühren zu dürfen", sagte Zverev bei der Siegerehrung auf dem Court, direkt neben dem Siegerpokal und dann in Richtung Sinner: "Du bist der Beste der Welt! Und ich bin offenbar nicht gut genug… Keine Ahnung, ob ich diesen Pokal jemals in Händen halten darf. Aber ich werde es weiter versuchen und wiederkommen!"
Warten auf die Erlösung
Für Zverev geht die Jagd nach dem großen Triumph auf der Tour damit weiter. Zehn Jahre ist er nun als Profi unterwegs, hat in 35 Grand Slams einen Anlauf genommen und ist doch bis heute nicht belohnt - oder eben erlöst - worden.
Damit wird auch die Durststrecke der deutschen Männer ein neues Kapitel zugefügt: Fast auf den Tag genau 29 Jahre ist es her, als ein deutscher Spieler ein Grand-Slam-Turnier gewinnen konnte. Boris Becker triumphierte im Januar 1996 zuletzt, bei den Australian Open in Melbourne.
Alexander Zverev wird diese Statistik ziemlich egal sein, die Chancen auf einen Triumph bei einem der vier großen Turniere dürften allerdings auch nicht beliebig reproduzierbar sein. Der Sieg beim Olympischen Tennisturnier 2021 bleibt bis auf Weiteres die höchste seiner Auszeichnungen, im "Tagesgeschäft" auf der Tour aber bleibt Zverev vorerst unvollendet.
Immerhin: Mit 27 Jahren dürfte Zverev noch ein paar Saisons als Profi unterwegs sein, die nächste Gelegenheit bietet sich Ende Mai in Roland Garros. Da schaffte es Zverev letztes Jahr ins Finale.
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