Vor dem Start der Biathlon-WM in Nove Mesto spricht Ex-Biathlon-Star und ARD-Experte Arnd Peiffer im Interview unter anderem über die Chancen der Deutschen, das nicht optimale Wetter vor Ort und den Hexenkessel Vysocina Arena.
Ab dem 7. Februar gehen die deutschen Biathletinnen und Biathleten bei der Weltmeisterschaft im tschechischen Nove Mesto auf Medaillenjagd. Die Wetter-Bedingungen vor Ort sind derzeit zwar nicht besonders gut, das DSV-Team darf sich in der Vysocina Arena aber auf außergewöhnlich gute Stimmung freuen.
Vor dem WM-Start gibt Ex-Biathlet und ARD-Experte
Herr Peiffer, am Mittwoch startet die Biathlon-WM. Wie groß ist die Vorfreude und wie optimistisch sind Sie im Hinblick auf deutsche Erfolge?
Arnd Peiffer: Die Vorfreude ist natürlich groß, zumal sich die deutsche Mannschaft in diesem Jahr in den bisherigen Weltcups wirklich gut präsentiert hat. Da waren schon einige Podestplätze und sogar Siege dabei. Das war vor der Saison nicht unbedingt zu erwarten.
In welchen Disziplinen sind die deutschen Chancen am größten?
Wenn man die bisherige Saison betrachtet, sind es eher die Sprintwettkämpfe, die gleich zu Beginn kommen. Die deutschen Männer haben da schon einige Podestplätze und Siege geschafft. In den Verfolgungsrennen, wo viermal geschossen wird, war oft die Schießleistung nicht so gut. Da haben die Deutschen aus den tollen Ausgangspositionen häufig wenig gemacht. Das heißt, im Sprint, wenn alles zusammenpasst, zweimal schießen und eine gute Laufzeit, dann ist alles möglich. Gerade für die Männer. Bei den Frauen gibt es auch die Möglichkeit, da aufs Podium zu springen. Deswegen ist gleich am Anfang der WM richtig Spannung drin.
Nach dem Trainingslager in Ridnaun in Südtirol ging es gemeinsam nach Nove Mesto. Wie wichtig ist der Zusammenhalt innerhalb des Teams vor allem bei einer WM?
Insgesamt muss die Stimmung zwischen Trainer, Team, Athleten und Athletinnen einfach passen. Vor allem, weil man viel Zeit miteinander verbringt. Man war die ganzen Weltcups zusammen unterwegs, dann ging es mehr oder weniger unmittelbar in die Vorbereitung nach Ridnaun. Jetzt sind sie zusammen zwei Wochen lang bei der WM. Da hängt man auch viel aufeinander. Die Athletinnen und Athleten werden sich aber sicherlich auch von anderen eher etwas abschirmen - man möchte auf gar keinen Fall noch krank werden. Aber ich glaube, die Stimmung ist im Moment relativ gut, auch die Kommunikation zwischen dem Trainerteam und den Sportlern funktioniert gut. Das ist eine ganz wichtige Voraussetzung.
Wetter sorgt für nicht optimale Bedingungen
Das Wetter spielt zum WM-Start nicht wirklich mit. Es ist recht warm und windig - am Montag musste deshalb auch das Training abgesagt werden. Wie werden sich die wenig optimalen Biathlon-Bedingungen auf die Wettkämpfe auswirken?
Die Bedingungen in Nove Mesto sind aktuell relativ schwierig. Die Strecke ist mit Kunstschnee aus dem Depot zurecht gemacht. Das wird für die Techniker und Athletinnen und Athleten nicht einfach.
Können Sie das präzisieren?
Das Schießen wird nicht leicht und auch die Strecke wird durch das Wetter relativ schwer, weil die Gleitbedingungen möglicherweise nicht super sind. Die Strecke könnte weich sein, wahrscheinlich werden sie salzen, um das in den Griff zu kriegen. Es wird auf jeden Fall interessant.
Inwiefern macht es für die Athletinnen und Athleten einen Unterschied, ob sie auf Kunst- oder Naturschnee fahren?
An sich ist Kunstschnee immer etwas kompakter, ein bisschen vereister und fester. Eigentlich ist er, wenn es warm ist, schöner zu laufen als Naturschnee, der im Prinzip etwas luftiger und lockerer ist. Naturschnee schmilzt allerdings auch viel schneller weg, wenn es mal regnet oder die Temperaturen über null sind. Deswegen ist Kunstschnee in der aktuellen Situation auf jeden Fall die bessere Variante. Aber wenn es nachts friert und tagsüber warm wird, fühlt es sich irgendwann eher an wie kleine Eiskügelchen - ein bisschen mehr wie Crushed Ice aus der Kühltruhe als Schnee.
Peiffer nennt Gründe für norwegische Dominanz im Biathlon
Norwegen ist vor allem bei den Männern aktuell das Maß aller Dinge. Woher kommt diese Dominanz?
Die Norweger haben traditionell häufig die besten Läufer. Das liegt daran, dass in Norwegen so gut wie jedes Kind Langlaufen lernt. Schon im Kindergarten lernen die Kinder, vernünftig auf dem Ski zu stehen. Norwegen ist einfach eine Langlaufnation und damit hat man auch eine ganz andere Basis als in Deutschland. Hinzu kommt, dass in Norwegen häufig bis Mai, Juni noch Schnee liegt. Außerdem hat jeder Norweger im Schnitt seine Hütte irgendwo in einem Langlaufgebiet. Es sind einfach andere Voraussetzungen. Es gibt aber noch einen anderen Faktor.
Und zwar?
Der große Unterschied zu früher ist, dass sie jetzt auch noch so gut schießen. Früher war es oft der Fall, dass die Norweger die besten Laufzeiten hatten, am Ende aber nicht unbedingt alles abgeräumt haben, weil sie am Schießstand nicht so gut klarkamen. Sie haben sich dann doch immer eher als Langläufer gesehen und weniger als Biathleten. Das hat sich aber mit dem Franzosen Siegfried Mazet als Trainer geändert. Er ist dann doch ein sehr pedantischer Schießtrainer und legt Wert auf eine hohe Qualität am Schießstand.
Gibt es bei der WM ein Vorbeikommen an den Norwegern?
Bei ihnen kommt jetzt einiges zusammen: eine ordentliche Trefferquote plus die Lauf-Performance. Da wird es dann schwierig, sie zu schlagen. Wenn sie das zusammenbringen, dann sind sie die dominierende Nation und das spiegelt sich bei den Männern im Gesamtweltcup wider, wo sie die ersten sechs Plätze belegen.
Und bei den Frauen?
Da ist mehr Vielfalt im Gesamtweltcup. Es gibt Ingrid Landmark Tandrevold, die zuletzt auch stark war, aber insgesamt ist es da auch mit den Französinnen und den Deutschen und Schweden ein bisschen gemischter.
Peiffer über Nove Mesto: "Die Stimmung dort ist der Wahnsinn"
Gibt es für die Sportlerinnen und Sportler - abgesehen vom aktuellen Wetter - eine Besonderheit in Nove Mesto?
Ich würde schon sagen, dass die Stimmung bemerkenswert ist. Das Stadion hat riesige mobile Tribünen, die wirklich unfassbar hoch gebaut sind, wo man sich immer fragt, wie sie das aushalten. Das Stadion ist ein Hexenkessel, der sich da um den Schießstand bildet. Die Tschechen machen da richtig Stimmung. Natürlich vorwiegend für die eigenen Landsleute, aber insgesamt ist dort einfach eine gute Atmosphäre.
Die tschechischen Fans sind bei ihrer Heim-WM also in der Überzahl?
Nove Mesto ist einer der wenigen Orte, die sehr gut besucht sind und wo die Deutschen nicht die Mehrheit bilden. Normalerweise sind die deutschen Fans auch in Antholz (Südtirol, Anm.d.Red.) oder Hochfilzen (Österreich, Anm.d.Red.) immer sehr stark vertreten und manchmal gefühlt auch in der Mehrheit. Das ist in Tschechien nicht der Fall. Die Tschechen sind selbst extrem Biathlon-begeistert, die Stimmung dort ist der Wahnsinn. Dazu kommt, dass ein Großteil der Strecke durch den Wald führt. Das hat auch wieder etwas mit den Bedingungen zu tun. Die Strecke ist dadurch manchmal ein bisschen schmutziger als an anderen Orten. Aber auch dort stehen die Zuschauer in vielen Reihen an den Anstiegen. Gefühlt ist die ganze Strecke mit Leuten voll und das ist schon nicht ganz leicht zu laufen. Man darf es da nicht übertreiben, weil man sich vielleicht getrieben fühlt.
Wird die Stimmung für die Deutschen ein Vor- oder Nachteil sein?
Ich glaube eher, dass es für die Deutschen im Vergleich zu den Tschechen einfacher ist. Die Fans werden bei den Tschechen am lautesten schreien, die Deutschen werden auch angefeuert, stehen aber nicht so im Fokus. Dadurch ist es aus meiner Sicht vermutlich leichter, dort Rennen zu laufen. Ich als Deutscher werde nicht ausgebuht, sondern die Fans sind mir wohlgesonnen. Es ist die optimale Basis, um sich auf den Wettkampf zu konzentrieren und die Stimmung trotzdem als besonderes Element zu erleben.
Arnd Peiffer: Vom Biathleten zum ARD-Experten
Sie haben 2021 Ihre Karriere beendet, seitdem sind Sie unter anderem als Biathlon-Experte für die ARD tätig. Was gefällt Ihnen am meisten an diesem Job?
Es macht mir großen Spaß, dass man in einem Team arbeitet. Ich möchte die Sendung möglichst gut gestalten und gemeinsam wollen wir auch immer die richtige Mischung finden. Ich bin eher für das Sportliche und Analytische zuständig, aber es soll ja auch unterhalten. Und da den Spagat zu finden, finde ich sehr spannend. Außerdem macht es mir Spaß, mich auf die Rennen einzustellen. Da hat man auch eine gewisse Anspannung vorher, weil man weiß, es hören jetzt bei der WM sicher drei, vier, fünf Millionen Leute zu. Das macht natürlich irgendwo auch Spaß - vor allem, wenn es relativ gut klappt. (lacht) Und ich habe noch die Verbindung zu meinem alten Leben. Ich habe viele Jahre im Sport verbracht und war viele Jahre Aktiver. Es ist einfach schön, die Leute wiederzusehen, an den Orten zu sein und bei den Rennen mitfiebern zu können.
Vermissen Sie es manchmal noch, selbst an den Wettkämpfen teilzunehmen?
Wäre ich in guter Form, würde ich schon nochmal Lust haben, ein Rennen zu laufen. Ich war nicht der, der nur im Training aufgegangen ist, mich hat vor allem der Wettkampf angetrieben. Aber jetzt mit meiner, ich sage mal, Allerweltsform wäre es einfach nur ein Elend zu laufen. Und deswegen bin ich froh, dass ich nicht mehr laufen muss. Ich habe mit knapp 34 aufgehört. Das war ein guter Zeitpunkt, ich war noch konkurrenzfähig und deswegen passt das. Es ist nun mal im Sport leider so, dass man es im Vergleich zu anderen Berufen nicht so lange machen kann.
Seit dieser Saison gibt es auch im Biathlon ein Fluorwachs-Verbot. Wie verändert das die Wettkämpfe?
Es gibt eine EU-Richtlinie, die bestimmte Fluorverbindungen verboten hat. In der Folge wurden Skiwachse, die Fluor enthielten, auch verboten. Fluorwachse sind gerade bei nassen und feuchten Bedingungen einfach super und machen den Ski schnell. Das heißt, bei schwierigen Bedingungen werden die Ski nicht ganz so schnell sein wie früher.
Sie sind bei der Bundespolizei und dort stellvertretender Sportkoordinator. Was genau ist Ihre Aufgabe dort?
Die Bundespolizei hat ein Spitzensportförderprogramm, in dem ich auch als Aktiver war und zwar in zumindest allen olympischen Wintersportarten. Wir fördern zwölf verschiedene Sportarten, unter anderem Skispringen, Bobfahren, Langlauf oder eben auch Biathlon. Die Athletinnen und Athleten machen bei uns im Sommer die Ausbildung für vier Monate und sind dann für den Rest des Jahres für Training und Wettkämpfe freigestellt. Das Coole ist, dass sie während ihrer Karriere schon eine abgeschlossene Berufsausbildung haben und dann danach im Prinzip nahtlos in den Polizeiberuf einsteigen können. Meine Aufgabe besteht darin, junge Talente zu sichten, für uns zu begeistern und die Rahmenbedingungen an unserem Standort zu verbessern und zu optimieren.
In einem Fragebogen haben Sie einmal Alaska als Reiseziel angegeben. Hat sich der Wunsch bereits erfüllt und was reizt Sie an diesem Reiseziel am anderen Ende der Welt?
Ich habe es leider noch nicht geschafft, aber das Naturerlebnis, diese Weite und weitgehende Unberührtheit, reizen mich besonders. Aber ich sehe es auch in nächster Zeit nicht, dass es passiert. So eine Reise ist ja auch mit einem großen Aufwand und viel Zeit verbunden und ich glaube nicht, dass das unbedingt das Top-Reiseziel für kleine Kinder ist. Da muss man vielleicht warten, bis sie ein bisschen älter sind.
Peiffers Medaillen-Prognose für die Biathlon-WM
Zum Abschluss noch einmal von Alaska zurück nach Nove Mesto: Wie viele Medaillen hat Deutschland am Ende der WM?
Oh, das ist ganz schwierig - da kann alles passieren. Ich sage mal, vier Medaillen sind für mich realistisch. Wenn das klappen würde, wären glaube ich viele zufrieden - und wenn es mehr werden, umso besser.
Ist unter den vier Medaillen auch eine goldene dabei?
Ja, das würde ich sagen. Vier Medaillen und eine davon ist Gold. Aber ich bin nicht gut im Tippen. (lacht)
Über den Gesprächspartner
- Arnd Peiffer (Jahrgang 1987) ist ein ehemaliger deutscher Biathlet. Unter anderem gewann er bei der WM 2011 und den Olympischen Winterspielen 2018 jeweils im Sprint. Bei den Weltmeisterschaften 2019 holt er im Einzel über 20 Kilometer Gold. Peiffer ist bei der Bundespolizei tätig, nach dem Karriereende 2021 stieg er zudem als Biathlon-Experte bei der ARD ein.
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