Laura Dahlmeier sorgt auf ihrem zweiten Karriereweg als Bergsteigerin für Furore. Wir haben uns mit ihrer früheren Zimmerkollegin Maren Hammerschmidt über eine außergewöhnliche Ausnahmesportlerin unterhalten.

Mehr News zum Thema Wintersport

Auf den Bergen dieser Welt macht Laura Dahlmeier einfach dort weiter, wo sie als Biathletin 2019 aufgehört hat. Die 31-Jährige aus Garmisch-Partenkirchen zieht ihr Ding zielstrebig durch, imponiert mit ihrem unfassbaren Ehrgeiz, ihrer Fitness und Willensstärke und feiert beeindruckende Erfolge. Wie jetzt auf dem Himalaya-Gipfel Ama Dablam in Nepal.

Das ist immerhin eine der technisch anspruchsvollsten Routen im Everest-Gebiet. Dort knackte Dahlmeier den bisherigen Rekord, schaffte in 12:01:11 Stunden die Strecke vom Basislager auf 4.576 Metern bis auf den 6.812 Meter hohen Gipfel und zurück. Das hat vor ihr keine Frau geschafft. 8:24 Stunden benötigte Dahlmeier für den schwierigen Aufstieg auf den Gipfel.

"Es war in jeder Hinsicht ein unglaublicher Tag, ich konnte mich völlig dem Weg und der Schönheit der Landschaft hingeben", schrieb Dahlmeier bei Instagram. "Aber es ging mir hier nicht um den Rekord, sondern um das, was ich am meisten liebe - klettern, beobachten und mich mit jedem Schritt lebendig fühlen."

Maren Hammerschmidt, Dahlmeiers ehemalige Teamkollegin, teilt deren Liebe für die Berge. Entsprechend haben sich die beiden ein großes Abenteuer vorgenommen: Sie wollen Mont Blanc besteigen. Die beiden einstigen Teamkolleginnen haben diese Tour sogar schon ins Auge gefasst. "Das ist definitiv ein Ziel", sagt Hammerschmidt im Gespräch mit unserer Redaktion.

Dahlmeier überlässt nichts dem Zufall

Hammerschmidt kann der erfolgreiche zweite Karriereweg Dahlmeiers nicht überraschen. Denn sie hat während ihrer aktiven Karriere gelernt, dass Dahlmeier in der Regel nichts dem Zufall überlässt. Und dass das, was sie anpackt, in der Regel auch gut funktioniert. Oft sogar überragend.

Lesen Sie auch

Die Ziele haben sich vielleicht ein wenig verschoben, doch "sie plant und taktet bei allem, was sie macht, die Dinge minutiös und weiß genau, was sie wann wo macht", sagt Hammerschmidt, die im vergangenen Jahr mit einem Bergführer selbst das Matterhorn erobert hat. "Ich weiß bei Laura immer: Wenn sie etwas angeht, dann macht sie es zu 100 Prozent." Denn Dahlmeiers Eltern gaben ihr mit auf den Weg, etwas ganz oder gar nicht zu machen. Daran hält sich die Tochter bis heute.

Zeugin aus nächster Nähe

Hammerschmidt weiß, wovon sie spricht. Die 35-Jährige begleitete die Ausnahmekarriere Dahlmeiers nicht nur als Teamkollegin, sondern war gute fünf Jahre lang auch die Zimmergenossin der zweimaligen Olympiasiegerin und siebenmaligen Weltmeisterin. Eine glückliche Fügung, wie beide schnell feststellten, denn es harmonierte bestens. "Sie ist sehr empathisch, sie hat immer ein Ohr für einen, egal was bei ihr selbst ansteht. Dazu ist sie ein sehr motivierender, mitreißender Charakter", sagt Hammerschmidt.

So wurde Dahlmeier zur Vertrauten und auch zu einem Vorbild. Denn Dahlmeier ist eine der erfolgreichsten Biathletinnen der Geschichte. Was auch daran lag, dass sie wusste, wie sie mit Rückschlägen umzugehen hatte. 2013 feierte sie mit 19 ihr Weltcup-Debüt. Bei Olympia 2014 blieb sie allerdings noch medaillenlos. Was ihr aber laut Hammerschmidt immens half, als Sportlerin zu reifen.

Schlechte Erfahrungen lassen sie reifen

"Dass sie in den frühen Jahren auch schlechte Erfahrungen sammeln musste, hat sie sehr geprägt. Sie hat in der Zeit Erfahrungen gesammelt, die sie als Sportlerin zu dem gemacht haben, was sie am Ende war", sagt Hammerschmidt. Dahlmeier habe immer genau gewusst, was gut für sie ist: "Im Sport hat sie immer ihre Ziele gehabt. Weltmeisterschaften, Olympia und am besten alles mit Gold. Auch ihr gesamtes Trainingskonstrukt in der Heimat war für sie immer brutal wichtig und da hat sie extrem viel Stärke daraus gezogen."

Die Erfolge stellten sich schnell ein. 2015 gewann sie ihr erstes Weltcup-Rennen, und bereits 2016/17 wurde sie zur Königin des Biathlonwinters. Zehn Weltcupsiege hat sie geholt, den Gesamtweltcup und die kleinen Kristallkugeln für den Einzel- und den Verfolgungswettkampf gewonnen. Bei der WM in Hochfilzen räumte sie nahezu komplett ab, holte fünf Goldmedaillen und eine Silbermedaille in sechs Wettbewerben. Da war sie aus dem großen Schatten von Magdalena Neuner längst herausgetreten.

Dahlmeiers Vita ist beeindruckend – ihr Rücktritt war überraschend

In Dahlmeiers Vita stehen heute insgesamt 15 WM-Medaillen und zwei olympische Gold- und eine Bronzemedaille, die sie 2018 in Pyeongchang gewann, dazu 33 Weltcupsiege, darunter 20 Einzelerfolge. Der Lohn für den Ehrgeiz, für das ständige Streben nach Verbesserungen und Perfektion, gepaart mit einem angeborenen Killerinstinkt und Siegergen.

"Wenn ich sage, dass mir noch nie so eine komplette Biathletin untergekommen ist, die alles in sich vereint, was die Sportart ausmacht, tue ich Magdalena Neuner oder Kati Wilhelm nicht weh", sagte der frühere Bundestrainer Gerald Hönig 2018 in einem Interview der "WZ": "Laura hat die konditionellen Voraussetzungen, die schießtechnischen Fertigkeiten, aber auch die mentale Stärke in Drucksituationen. Sie besitzt eine taktische Bandbreite, auf alle Situationen zu reagieren."

In der damaligen Zeit hat vor allem Dahlmeiers Umgang mit den Herausforderungen, Druck und Medien Hammerschmidt beeindruckt. "Sie hat sich immer die Zeit genommen, um sich wirklich zu 100 Prozent konzentrieren zu können. Und diese Erfolge - wenn ich da heute drüber rede, bekomme ich immer noch Gänsehaut, weil das bisher kaum jemand geschafft hat - muss man erstmal schaffen mit dem Druck."

Klar war trotz der Erfolge aber auch, dass Dahlmeiers Karriere eher früher als später enden wird. Die gelernte Zollbeamtin betonte immer, sie habe noch ein paar andere Dinge vor im Leben, schließlich habe man nur das eine. Weshalb sie 2019 einen Schlussstrich unter ihre beeindruckende Laufbahn zog. Mit nur 25 Jahren.

Dahlmeier habe festgestellt, dass sie alles erreicht hat, und man müsse dafür brennen, im nächsten Jahr nochmal einen draufsetzen zu können, sagt Hammerschmidt: "Und man misst sich an den Erfolgen, die man schon hatte. Und dann hatte sie ein, zwei körperliche Rückschläge. Das ist immer wieder ein Kraftakt mehr für den Körper und auch für die mentale Gesundheit." Die beiden bronzenen WM-Medaillen in ihrer letzten Saison 2018/19 gehörten zu Dahlmeiers schwersten. Sie waren dann auch ihre letzten.

Inzwischen ist Dahlmeier staatlich geprüfte Bergführerin

"Sie hat Biathlon gelebt und geliebt, aber man wusste auch immer, dass sie nie in ein Loch fallen wird nach ihrer Karriere", sagt Hammerschmidt. Denn Dahlmeier bekam die Begeisterung für das Wandern und Bergsteigen in die Wiege gelegt. Als Aktive waren die Berge für sie Rückzugsorte und Kraftquellen. Und nach der Karriere machte sie eine Ausbildung zur staatlich geprüften Berg- und Skiführerin, dazu studiert sie Sportwissenschaften, ist TV-Expertin und hält sich mit Trailrunning, Skitouren oder Bikepacking fit. Unter anderem. So sieht wohl ein klassischer Unruhestand aus.

Der Bergsport steht bei ihr im Moment aber über allen anderen sportlichen Dingen, vor ihrem Rekord hat sie bereits einige Expeditionen durchgeführt und Berge erobert. Und wie im Biathlon waren es auch auf dem Weg zum Himalaya-Rekord Rückschläge, die sie weitergebracht haben. Aufgrund einer heftigen Frosterfahrung musste sie 2023 einen Aufstieg auf den höchsten Berg Tadschikistans abbrechen.

Der größte Gipfel der Welt ist übrigens tatsächlich kein Ziel. Denn der Mount Everest selbst reizt Dahlmeier nicht, wie sie im Februar der dpa verriet. Dann doch eher die Tour mit Hammerschmidt, denn die "Bros", wie sie sich heute noch nennen, sind immer noch sehr gut miteinander befreundet. Weshalb Hammerschmidt weiß, was auf sie zukommt.

Über die Gesprächspartnerin

  • Maren Hammerschmidt feierte ihr Debüt im Biathlon-Weltcup 2012. In ihrer Karriere kam sie auf sechs Staffelsiege, dazu holte sie jeweils eine Gold- und Bronzemedaille bei Weltmeisterschaften. 2022 beendete sie ihre Laufbahn.

Verwendete Quellen

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.