Die ARD feiert mit der Doku "Hape Kerkeling Total normal" den 60. Geburtstag des Komikers. Es ist ein Wiedersehen mit vielen Weggefährten, mit Klassikern wie "Königin Beatrix” und einem nachdenklichen Hape Kerkeling. Danach vermisst man ihn noch viel mehr.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ganz am Ende der Dokumentation sitzt die erste Liga der deutschen Prominenten Günther Jauch, Campino, Otto vor der Kamera und sagt die schönsten Dinge über Hape Kerkeling. Sie könnten "fünfmal so viel von ihm vertragen", sie wünschen sich seine Rückkehr, er gehöre "zu unserem kollektiven Gedächtnis". Und alle haben damit irgendwie recht. Seit Loriot gab es keinen Komiker, den die Deutschen so in ihr Herz geschlossen haben. Egal, wen man fragt: Alle lieben Hape. Das ist ein rares Gut im Fernsehen, wo die Gunst der Zuschauerinnen und Zuschauer flatterhaft ist.

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Und das, obwohl es um Hape Kerkeling in den letzten Jahren eher ruhig geworden ist. Ja, er schreibt Bücher, unter anderem "Ich bin dann mal weg", das erfolgreichste Belletristik-Werk in deutscher Sprache. In einer eigenen Fernsehshow war er aber lange nicht mehr zu sehen. Dass er sich so rar macht, hat seiner Beliebtheit nicht geschadet. Die ARD widmet ihm sogar einen ganzen Thementag zu seinem 60. Geburtstag. Am 9. Dezember um 20.15 Uhr läuft die Dokumentation "Hape Kerkeling Total normal" (ab dem 5. Dezember in der Mediathek), im Anschluss seine Biografie "Der Junge muss an die frische Luft". Nach den Tagesthemen ein Best-of seiner Sketche. Parallel dazu gibt es in der Mediathek seine Filme wie "Kein Pardon" und Judith Rakers gibt eine "Podcast-Party" in der Audiothek. Was immer das sein mag.

Gustav Heinemann spricht und Hape Kerkeling will ins Fernsehen

Mit fünf Jahren sitzt Hape Kerkeling an Weihnachten vor dem Fernseher und hört die Ansprache von Bundespräsident Gustav Heinemann. Er beschließt: Da will ich hin. Ins Fernsehen, nur eben als Komiker. Bis es so weit ist, dauert es noch ein paar Jahre. Mit 18 Jahren gewinnt Kerkeling den Passauer Kabarettpreis "Scharfrichterbeil". Dabei hatten die Verantwortlichen ihn bereits aussortiert. Er sei ja gar nicht politisch, so der Grund für die Ablehnung. Als einer der Kandidaten abspringt, rückt Kerkeling nach und triumphiert. Die Juroren, darunter Ottfried Fischer, müssen zugeben: Hape macht lieber Witze über sein Meerschweinchen als über Helmut Kohl. Trotzdem ist er an diesem Abend viel lustiger als alle anderen. Kurz darauf bekommt er seine erste Fernsehshow, tritt neben Nena und Madonna auf.

"Hurz!"

Hape Kerkeling erzählt mit Erstaunen, wie viel Glück er hatte. Die Kamera begleitet ihn durch die niederländische Stadt Amsterdam, aus der seine Familie stammt, durch Recklinghausen, wo er aufgewachsen ist. Auch hier: nur Liebe. Eine Frau stürmt aus ihrem Lotto-Laden und zieht ihn hinein, eine andere duzt ihn sofort. Kerkeling wirkt aufrichtig erfreut und macht Bilder mit allen.

Vielleicht ist das das größte Talent des Komikers: Er lacht stets mit den Menschen, sein Humor ist nicht verletzend oder stellt bloß. So hat er unzählige Fernsehmomente für die Ewigkeit geschaffen. Er stürmt die Pressekonferenz der Bundesregierung, mit seiner Steuererklärung vom Finanzamt Recklinghausen in der Hand, und fragt: "Wo ist meine Mark?" Im Frack rufen sein Schulfreund Achim Hagemann und Kerkeling "Hurz!" zum Klassik-Publikum, während dieses versucht, "einen intellektuellen Zugang" zu dem Nonsens zu finden. Ungeschnitten ist der Sketch 30 Minuten lang.

Besondere Aufmerksamkeit in der Doku bekommt der Coup als Beatrix. Hape Kerkeling erzählt, dass er die Königin der Niederlande interviewen wollte, sie lehnte dreimal ab. Also verkleidet er sich und fährt hin. Alle dachten, Kerkeling käme nur bis zum Schlagbaum, doch auf einmal steht die Beatrix-Kopie direkt vor Schloss Bellevue, um "lekker Mittag zu essen". Kerkeling findet den Film nachher nicht einmal besonders lustig, erst als er dem Team gezeigt wird, lässt er sich überzeugen, die Aktion zu senden. Es wurde einer seiner bekanntesten Auftritte.

Unfreiwilliges Outing in "Der heiße Stuhl"

Ein weiterer einschneidender Augenblick in der Karriere des Komikers ist das Outing durch Rosa von Praunheim 1991 in der RTL-Krawallsendung "Der heiße Stuhl". Der Filmemacher und Aktivist hört das Gerücht, dass Hape Kerkeling schwul sei, und ruft ihn am Tag vor der Sendung an. Ob er sich outen wolle, fragt von Praunheim. "Vorerst nicht", antwortet Kerkeling. Das reicht von Praunheim als Bestätigung, am nächsten Tag weiß es ganz Deutschland. Reue zeigt von Praunheim bis heute nicht: "Ich wusste, dass meine Handlung unanständig war", erklärt er in der Doku. Es spricht für eine gewisse Größe, dass Hape Kerkeling mittlerweile sagt, dass das "ein Glücksfall war, auch wenn es nicht gut gemeint war". Das Versteckspielen ist für ihn zu Ende.

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Der Hape Kerkeling, der heute in der Doku zu sehen ist, ist ein anderer als damals, 1991. Er spricht über den Selbstmord seiner Mutter und seine große Liebe, die in Amsterdam an Aids starb. Er setzt sich gegen Antisemitismus ein. Sein Leben in der Öffentlichkeit beschränkt sich auf die Werbung für seine Bücher. Schon mit 35 Jahren habe er davon gesprochen, sich zur Ruhe zu setzen, sagt seine beste Freundin Isabell Varell. Obwohl ihm alle großen Fernsehshows angeboten wurden. "Mir ist es lieber, die Leute sagen, schade, dass er weg ist, als wenn sie sagen: Wann geht der endlich?", so Hape in der Dokumentation.

Ganz kann es der Komiker trotzdem nicht lassen. Egal, wo er ist, immer fällt Hape Kerkeling in neue Rollen. Er sitzt auf einem Schiff in Amsterdam und wechselt ins Holländische. Er imitiert seine ehemalige Redakteurin bei Radio Bremen. Oder den Juror vom Passauer Kabarett-Preis. Im Podcast "Hotel Matze" antwortete Kerkeling auf die Frage, ob er heute noch mit Stand-up-Comedians mithalten könne: natürlich. Aber er muss nicht mehr. Kerkeling spielt seine Rollen jetzt zu Hause für seinen Ehemann. Der Glückliche.

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