Mesut Özil wurde mit dem DFB-Team Weltmeister, er gewann Integrationspreise. Unumstritten war der Ausnahmefußballer aber nie, nach einem Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdogan kam es zum Bruch mit Deutschland.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Stüwe dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Der neue Podcast "SchwarzRotGold: Mesut Özil zu Gast bei Freunden" nähert sich dem Menschen und Fußballer aus den unterschiedlichsten Perspektiven und ist gleichzeitig ein Zeitzeugnis der jüngeren deutschen Vergangenheit.

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Mesut Özil ist zweifellos einer der begnadetsten Fußballer, die Deutschland je hervorgebracht hat. Ein Spieler mit einem ganz besonderen Gespür für Raum und Zeit, der es wie kaum ein anderer verstand, seinen Mitspielern Tore aufzulegen und ein Spiel mit einem einzigen Pass in eine ganz andere Richtung laufen zu lassen.

Bei Schalke 04 wurde Özil zum Profi, über Werder Bremen fand er den Weg zu Real Madrid, wo er an der Seite von Cristiano Ronaldo zum weltweiten Superstar wurde. Als der heute 35-Jährige 2013 zum FC Arsenal wechselte, war er mit einer Ablösesumme von rund 50 Millionen Euro der damals teuerste deutsche Spieler.

In alle diese Superlative mischte sich aber seine ganze Karriere hindurch Kritik, Özil polarisierte vor allem in Deutschland wie kaum ein anderer Spieler. In Interviews präsentierte er sich oft einsilbig, er ließ lieber seine Füße sprechen. Lief es auf dem Fußballplatz nicht rund, wirkte Özil phlegmatisch, immer wieder wurde ihm seine Körpersprache vorgeworfen.

Erst Ken Jebsen und der Drachenlord, nun Mesut Özil

Mit "SchwarzRotGold: Mesut Özil zu Gast bei Freunden" widmen das Produktionsstudio "Undone" und "RTL+" dem polarisierenden Fußballer nun einen Podcast. Seit Donnerstag sind die ersten beiden Folgen auf den üblichen Streamingportalen online, die weiteren sechs Folgen erscheinen an den nächsten Donnerstagen.

Host ist der Journalist und Podcaster Khesrau Behroz, der in der "Cui Bono"-Reihe bereits den umstrittenen Journalisten und Verschwörungsideologen Ken Jebsen und das YouTube-Phänomen und Mobbingopfer "Drachenlord" in den Mittelpunkt stellte. Nicht weniger interessant ist der Aufstieg und Fall des Mesut Özil.

Mesut Özil gewann 2010 den "Bambi" für Integration

Direkt der Einstieg in die erste Folge verdeutlicht, wie zwiespältig das Verhältnis zwischen dem in Gelsenkirchen geborenen Deutsch-Türken Özil und dem Land, für das er die Fußballschuhe schnürte, war und ist.

Behroz blickt zurück auf die Verleihung des Medien- und Fernsehpreises "Bambi" im Herbst 2010. Im Sommer dieses Jahres hatte das DFB-Team bei der Weltmeisterschaft in Südafrika begeistert. Als Özil das deutsche Team ins Halbfinale führte, hätten "deutsche Stammtische und türkische Teestuben gemeinsam gejubelt", schwärmte Laudatorin Nazan Eckes während der Gala.

Auch Özils kurze, auswendig gelernte Dankesrede ist zu hören. "Integration bedeutet, Teil eines Ganzen zu werden, in das man sich einbringt, ohne seine Identität zu verlieren. Integration bedeutet gegenseitige Achtung und vor allem Respekt. Durch Integration entsteht etwas Neues, eine bunte Republik", sagte Özil damals.

Özils Foto mit Erdogan sorgt für einen Skandal

Dann folgt ein harter Schnitt und ein Zeitsprung ins Jahr 2018, als Özil in den Mittelpunkt eines Skandals und gigantischen Shitstorms geriet. Vor der WM in Russland hatten er und sein DFB-Kollege Ilkay Gündogan sich mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan fotografieren lassen und das Bild in den sozialen Medien gepostet.

"Sie haben sich hergegeben für billige Propaganda", schimpft ein Mann, offenbar in einer TV-Talkshow. "Özil gehört nicht zu Deutschland", sagt ein anderer. "Er verweigert sich seit Jahren der deutschen Nationalhymne. Er ist ein Beispiel für gescheiterte Integration", erklärt die heutige AfD-Chefin Alice Weidel. Nach der missglückten WM trat Özil zurück und erklärte in einem Statement, dass er nicht länger der Sündenbock sein wolle und sich in Deutschland und vom DFB schlecht behandelt fühle.

Die Aufregung um das Erdogan-Foto belegt einmal mehr, wie sehr Özil in Deutschland polarisiert. Denn der ebenfalls auf dem Foto zu sehende Ilkay Gündogan überstand den Vorfall praktisch unbeschadet und führt die deutsche Mannschaft mittlerweile als Kapitän auf das Spielfeld.

Behroz sprach für den Podcast mit zahlreichen Wegbegleitern Özils

Um zu erklären, wie Özil eine derartige Reizfigur wurde und nach wie vor ist, reiste Behroz nach Gelsenkirchen, in die Türkei, nach London und Madrid, er sprach mit Fans, dem ehemaligen Klassenlehrer Özils, früheren Mitspielern, Trainern, Journalistinnen und Journalisten, Funktionären, Freunden und Verwandten.

Dabei fördert Behroz auch Kurioses und fast Vergessenes zutage. Etwa die Umstände des geräuschvollen Wechsels von Schalke nach Bremen im Januar 2008, der Özil schon damals in Gelsenkirchen in Ungnade fallen ließ. Oder wie Özil mit Jan Delay 2010 einen Rap-Song aufnahm.

Özil selbst sprach nicht mit den Podcast-Machern

Der mittlerweile in der Türkei lebende Özil ignorierte die Anfragen der Podcast-Macher und ist nur in aufgezeichneten Interviews zu hören. "Wir erzählen, wie Deutschland sein Integrationsmaskottchen im Sommer 2018 einfach fallen ließ", verspricht Behroz. Aber auch das Tattoo der rechtsextremen "Grauen Wölfe", das sich Özil vor kurzem stechen ließ, wird thematisiert.

"SchwarzRotGold: Mesut Özil zu Gast bei Freunden" ist mehr als nur ein Podcast über einen Fußballer. Es geht um Integration und die jüngere deutsche Vergangenheit, um Menschen, die zwischen ihrem Heimatland Deutschland und der Heimat ihrer Eltern und Großeltern hin- und gerissen sind.

Es geht um die Medien und unsere Gesellschaft, die Menschen genauso schnell zu Helden hochjubelt, wie sie sie dann wieder fallen lässt. Der spannende Podcast beleuchtet diese Themen und den Menschen Mesut Özil und dürfte deshalb nicht nur für Fußballfans interessant sein.

Verwendete Quellen:

  • Die ersten beiden Folgen des Podcasts "SchwarzRotGold: Mesut Özil zu Gast bei Freunden" von "Undone" und "RTL+"
IMAGO/Future Image/gbrci; IMAGO/Future Image/Robert Schmiegelt

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