Der Mann, der ihr seit Monaten aufmerksam zuhörte, Komplimente machte und Blumen schenkte, war gar kein Pfleger, sondern ein gieriger Erbschleicher. Und überaus raffiniert, denn der Betrüger schaffte es sogar, die Berliner Rentnerin Maria Huber von ihren Lieben peu à peu zu isolieren. Das von Dieter Könnes moderierte neue RTL-Format "Achtung Verbrechen" nahm in seiner ersten Ausgabe Erbschleicher, falsche Handwerker sowie Autohändler, die aus den USA importierte Totalschäden notdürftig reparieren und sauteuer verkaufen, in den Fokus. Hand hoch, wer dabei nicht an Eduard Zimmermann gedacht hat!
Man hört und liest davon ja ständig in den Medien. Selbst könne es einen natürlich nicht treffen, behaupten ja die meisten. Vor allem jene, die noch nicht alt sind. Die etwa noch keinen Pfleger brauchen. Als solcher hat sich nämlich ein gewisser Ernst Sauber, ein gut 50-jähriger sympathisch erscheinender Kerl, dem die 81-jährige Berlinern Maria Hubert auf den Leim gegangen ist, ausgegeben.
Im Supermarkt habe er sie zum ersten Mal angesprochen, erzählt die alte Frau, die sich im Interview nur von hinten zeigt. Nicht lange später hat er bereits damit begonnen, das Konto der seit dem Tod ihres Mannes einsamen Rentnerin sukzessive leerzuräumen und sich "kleine" Geschenke zu gönnen – etwa ein Auto für schlappe 40.000 Euro. Davor und währenddessen gab's jede Menge Charme, jede Menge Blumen, spannende Ausflüge und dabei stets ein offenes Ohr für die alte Dame. Erbschleicher schleichen sich wirklich an.
Echte Fälle, nachgestellte Szenen
RTL definiert seine von "stern tv am Sonntag"-Mann
Ein sogenanntes "Kriminalitätsradar" soll zudem Deutschlands Betrugs-Hotspots ausmachen. In der ersten Folge von "Achtung Verbrechen" drehte sich alles um bundesweit leider stark boomende degoutante Betrügereien - also etwa um Erbschleicher oder falsche Handwerker.
Familie isoliert, Konto leergeräumt
Neun Monate hatte Maria Huber zum falschen Pfleger Ernst Sauber bereits engen Kontakt, da erzählte sie erst ihrer im Allgäu lebenden Tochter Bianca en passant von dem Mann, der sich liebevoll und fürsorglich um sie kümmern würde. Tochter Bianca Huber wurde dennoch rasch stutzig und musste auch bald erfahren, dass regelmäßig größere Geldbeträge vom Konto der Mutter abgehoben worden waren.
Doch die Warnungen der Tochter wollte die Altvordere gar nicht hören, da es der Betrüger zu diesem Zeitpunkt längst geschafft hatte, sein Opfer von ihrem vertrauten Umfeld zu isolieren und das Verhältnis zur Tochter zu kontaminieren. Am Ende war so gut wie alles an Geld der Betagten, aber geistig durchaus noch fitten Mutter weg.
Sogar das Haus wollte sie ihm überschreiben, was die Tochter gerade noch juristisch vereiteln konnte. Übrigens: Dieses wie ein Gelegenheitsdelikt anmutende Verbrechen wird in Deutschland zunehmend professionalisiert.
Erbschleicher oft keine Verbrecher
Der Anwalt, den die Tochter für den Fall bemühte, kannte Sauber, den Mann mit den schmutzigen Tricks, bereits. Das große Problem: Er hat de jure kein Verbrechen begangen, was auch Rechtsanwältin Nicole Mutschke, die Könnes im Studio Rede und Antwort stand, bestätigte. "In Deutschland ist das Gesetzt zugunsten des Erblassers, dem man einfach zubilligt, dass er mit seinem Geld machen kann, was er möchte."
Nur wenn eine echte Straftat wie etwa Betrug oder Gewalt ins Spiel kämen, sei dies strafrechtlich relevant. Die Expertin riet jedenfalls dazu, Fälle wie jenen von Maria Huber mit Eltern oder anderen betagten Personen im eigenen Umfeld zu besprechen. Mutschke auf die Frage, wann man spätestens hellhörig werden sollte: "Auf jeden Fall dann, wenn derjenige versucht, die Familie zu separieren."
"Kriminalitätsradar": Eher fades Tool
Der große Burner in Sachen Innovation ist "Achtung Verbrechen" ganz sicher nicht. Wer schon häufiger die einst von Eduard Zimmermann moderierten Formate "Aktenzeichen XY" und "Vorsicht Falle!" gesehen hat oder regelmäßig bei "stern tv" hängen bleibt, wird bei Könnes zweitem Format nicht allzu viel Neuem begegnet sein.
Und der im Vorfeld von RTL prominent angepriesene "Kriminalitätsradar", der deutsche Betrugs-Hotspots auf einer Karte zeigen und somit darstellen soll, wo in unserem Land welche Betruge gehäuft stattfanden und stattfinden? Naja. Hierzulande vielleicht noch nicht so häufig aufgegriffen wurde der Betrug mit den Unfallautos aus den USA, die nur oberflächlich repariert werden und auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt landen. Womit wir beim nächsten Thema sind.
Gefährliche "Blender" am Gebrauchtwagenmarkt
Für einen roten Ford Mustang hatten die Kahlkes einst 36.000 Euro bezahlt. Irgendwann mussten sich Christoph und Annette eingestehen, dass ihr Traumauto in Wahrheit nur eine absolute Mogelpackung ist. Denn das Ergebnis eines Werkstattchecks hatte sie fassungslos gemacht. Der Befund der Profis: Das Importfahrzeug habe in den USA bereits einen schweren Unfall gehabt, bei dem die Airbags ausgelöst hätten und später durch Attrappen ersetzt worden seien.
Eine inzwischen gängige Praxis. Immer mehr Wracks und Totalschäden aus den USA gelangen über osteuropäische Werkstätten, die sie mehr schlecht als recht reparieren, als sogenannte "Blender" auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt - also als grob mangelhafte, aber optisch aufgehübschte Fahrzeuge. Die getäuschten Kunden werden dabei nicht nur finanziell geschädigt, sondern leben obendrein auch noch gefährlich. Denn von verkehrssicher sind "Blender" in der Regel meilenweit entfernt.
Dem TÜV hierzulande dürfe man laut Experten keinen Vorwurf machen. "Die Prüfingenieure können da nichts dafür, die machen nur eine Sichtprüfung und eine kleine technische Prüfung", so KFZ-Gutachter Sebastian Dietz im "Achtung Verbrechen"-Studio. Er riet dazu, beim Autokauf stets einen Experten mitzunehmen sowie bei extremen Schnäppchen hellhörig zu werden.
"Protipp an Betrüger: Auto nicht zu günstig verkaufen", meinte wiederum ein etwas zynischer, aber durchaus humorvoller Geist auf Twitter. Der "Kriminalitätsradar" offenbarte, dass sich Delikte dieser Art vor allem im Süden Deutschlands häufen würden.
Kreative Fake-Handwerker
Auch dem Thema "Betrügerische Handwerker" widmete sich das Präventionsformat noch am Donnerstagabend. Als Hintergrund: Jeden Tag werden in Deutschland rund 150 Wohnungen von Fake-Technikern ausgeräumt. Die Kriminellen offerieren ihren potenziellen Opfern inzwischen auch durchaus kreative Dienstleistungen á la Tiefenreinigung der Dachrinne, Fensterputzen mit Weitblick oder ein hochelaboriertes Teppich-Tuning.
"Jeden Tag steht ein Täter auf, der eine neue kreative Idee hat, Ihnen ein 'X' für ein 'U' vorzumachen“, sagt Kriminalpräventionsexperte Harald Schmidt zu Könnes im Studio. Häufiges Szenario: Ein vermeintlicher Professionist steht vor der Tür und behauptet, die Hausverwaltung habe ihn beauftragt, da die Heizung im Haus defekt sei. Dass die Heizkörper dann beim gemeinsamen Check auch tatsächlich kalt sind, liegt daran, dass der Betrüger im Heizungskeller, zu dem man sich in Häusern mit archaischer Gebäudetechnik rasch Zutritt verschaffen kann, zuvor bereits etwas manipuliert hat.
Die Rentnerin Marta Prizka aus Berlin kann ein Lied davon singen. Auch ihr "Handwerker" wurde von der "Hausverwaltung" angekündigt. Auch ihre Radiatoren waren plötzlich kalt.
Einer unten, der andere oben
Das große Problem: Sind die falschen Handwerker erst einmal in der Wohnung, ist es schwierig, den Diebstahl noch zu verhindern. Prizka wurde von ihrem Fake-Techniker etwa in die Küche geschickt, um dort alle elektrischen Geräte abzustecken. Währenddessen wühlte sich der Ganove durch sämtliche Schubladen in der Wohnung.
Bevor er mit der Rentnerin unter einem Vorwand in den Heizungskeller ging, spielte er noch "der Hausverwaltung", also seinem Komplizen, die Info, wo sich welche Gegenstände in der Wohnung befänden, per SMS zu. Während Prizka im Heizungskeller eine Zange halten musste, damit, wie ihr der Betrüger mitteilte, kein Wasser auslaufen könne, räumte der Komplize die Wohnung aus. Der Mann bei der Rentnerin musste dann natürlich plötzlich etwas aus dem Auto holen und ward nie mehr wieder gesehen.
Täter suchen gezielt im Stadtgebiet
Natürlich haben es auch hier die Trickdiebe primär auf ältere Menschen abgesehen, die nicht selten größere Bargeldbeträge daheim aufbewahren und sich im Zweifel leichter überrumpeln lassen. "Die Täter sind oft einfach im Stadtgebiet unterwegs, um gezielt nach Opfern zu suchen", offenbart Joachim Grims vom Landeskriminalamt Berlin.
Ihm zufolge solle man generell nie Fremde in die Wohnung hineinlassen. Dies sei definitiv keine Unhöflichkeit, sondern eine wichtige Vorsichtsmaßnahme, betonte der Experte. Gibt jemand etwa vor im Auftrag der Hausverwaltung zu agieren, könne man dies laut Grims immer auch leicht überprüfen.
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